Café Homberger

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2012 von Peter Weiss
 
Mitten im harmonisch gewachsenen Dorfkern von Wädenswil steht in begrünter, parkähnlicher Umgebung das Haus Gerbestrasse 7, das von 1947 bis am 24. März 2012 das behagliche Café Homberger beherbergte. Es war all die Jahre ein beliebter Treffpunkt für Menschen jeden Alters, wobei sein idyllischer Vorgarten im Sommer eine überaus geschätzte Oase für Erholung und Erfrischung war.

DER INITIANT WALTER HOMBERGER

Walter Homberger-Lang, der Gründer des Cafés, entstammte einer seit 1865 in Richterswil tätigen Bäcker- und Konditoren-Familie. Sein Grossvater, Robert Homberger-Rusterholz, aus Gossau (ZH) kommend, eröffnete damals im «Weisshaus» in Richterswil eine Bäckerei und Konditorei und stellte neben Brot schon damals Patisserie, das heisst Fünfer- und Zehnerstückli her. 1867 erwarb er das Haus «Zum Regenbogen» an der Dorfstrasse beim Wachthausplatz in Richterswil, das eigentlicher Firmensitz wurde. Im Jahre 1906 übernahm Robert Homberger-Orell, gelernter Konditor, den Betrieb, modernisierte ihn und baute ihn in 40-jähriger Tätigkeit weiter aus.
Von seinen vier Kindern ergriff der jüngste Sohn Walter den Beruf des Vaters. Nach langen Wanderjahren kehrte er 1936 ins Stammhaus zurück. Im selben Jahr übernahmen Hombergers an der Gerbestrasse 7 in Wädenswil die bescheidene Filiale von Herrn Killias, die sie fortan von Richterswil aus belieferten und zur Blüte brachten. Bereits 1938 übergab Vater Homberger seinem Sohn Walter die Führung des Geschäfts.
Walter und Liesel Homberger-Lang.

Die aussergewöhnlich günstige Lage in Wädenswil erkennend und ausnützend gelang es Walter Homberger-Lang, das Zweiggeschäft stark zu erweitern und Anfang 1947 das Geschäfts- und Wohnhaus an der Gerbestrasse 7 für 180 000 Franken zu erwerben.

LADENUMBAU UND ALKOHOLFREIE WIRTSCHAFT

Eine Einrichtung, wie sie Walter Homberger vorschwebte, existierte bereits in Wädenswil: Das 1933 eröffnete Café Brändli am Bahnhofplatz, das ebenfalls mit einer Bäckerei/Konditorei verbunden war: Im Erdgeschoss befand sich der Laden, im ersten Stock mit Terrasse das Café.
Allerdings war die Bezeichnung dieser neuen Art von Etablissement noch nicht eindeutig. In seinem Gesuch an die Finanzdirektion des Kantons Zürich, der das Wirtschaftswesen unterstand, heisst es, Walter Homberger beabsichtige «einen Umbau mit Angliederung eines alkoholfreien Erfrischungsraumes». In der amtlichen Verfügung vom 9. Juni 1947 steht: «Dem Umbauprojekt mit Einrichtung einer alkoholfreien Wirtschaft ... wird zugestimmt.»
Der Gemeinderat Wädenswil diskutierte das von Walter Homberger am 25. März 1947 eingereichte Baubewilligungsgesuch: «Die Pläne beziehen sich auf das Projekt der Verlegung des bestehenden Ladens und der Ausgestaltung der südöstlichen Räumlichkeiten des Erdgeschosses zu einem Tearoom. Zur Verwirklichung des Projektes müssen Mauerabbrüche vorgenommen, neue Zwischenwände erstellt, bestehende Fenster vergrössert und Türeingänge neu angelegt werden.» (Protokoll des Gemeinderates Wädenswil vom 1. April 1947). Am 6. Juni 1947 erteilte der Gemeinderat die Bewilligung zum «Einbau eines Tearooms».
Die Pläne für den Umbau sowie eine genaue Zeichnung zur Gestaltung und Ausstattung des neuen Cafés erstellte Architekt W. Gattiker-Juvalta, Richterswil. Ihm oblag auch die Bauleitung. «Einem grossen Bedürfnis entsprechend, wurde im laufe des Sommers die Filiale in Wädenswil durch den Bau eines sehr modernen und äusserst geschmackvoll eingerichteten Cafés vergrössert und mitsamt einem neuzeitlichen Laden im Herbst 1947 dem Betrieb übergeben.»
1947 zog die Familie Homberger in die Wohnung im ersten Stock ein und wohnte bis zur Geschäftsaufgabe 1970 im Haus. Hier wuchsen auch Sohn Walter und Tochter Brigitte auf.
Neuer Laden nach dem Umbau von 1947. Die Türe hinten in der Mitte ist der neue Eingang ins Café.
 

ERÖFFNUNG DES CAFé HOMBERGER

Am Freitag, 21. November erschien im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» folgendes Inserat: «Das neue Café Homberger wird am Samstag, 22. November 1947 nachmittags eröffnet. Im Zusammenhang damit wird auch das Ladengeschäft am Sonntag von 10.30 bis 18 Uhr offen sein. Dafür werden wir versuchsweise am Mittwoch den Laden geschlossen haben, das Café aber offen lassen. Mit guter Qualität und freundlicher Bedienung möchten wir unsere Beziehungen zur Kundschaft weiter vertiefen und pflegen.» Der Umbau kostete insgesamt 120 000 Franken.
Auf die Eröffnung hin schrieb Walter Homberger: «In Wädenswil an der Gerbestrasse hat die Firma Walter Homberger in einem schönen alten Bürgerhaus ein neues Café mit Verkaufsraum eingerichtet. Angepasst an den Charakter des Hauses hat der Architekt dem Caféraum, der über sechzig Sitzplätze umfasst, eine geschmackvolle, in ihrer Art zeitlose Ausgestaltung verliehen. Die alte Türe am Eingang mit ihren Barockfüllungen und der wohlgeformte Sandsteinpfeiler mitten im Raum sind noch Zeugen der alten Zürcher Baukunst und fügen sich harmonisch ein in den durchwegs neuzeitlichen Ansprüchen Rechnung tragenden Betrieb. Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass die Firma Homberger wie bisher und jetzt erst recht in dem behaglichen Café und im modernen Ladengeschäft nur feinste Qualität bietet und noch schneller und prompter wie seither seine Kundschaft bedienen kann.»
Spezialitäten des Hauses waren: Pralinen, Kirschtorten, Haustorten, «Hombergerli», alles Eigenfabrikat, in der Vorweihnachtszeit Schokoladenkläuse (Eigenfabrikat aus halbsüsser Milchschokolade), zudem wurden Qualitäts-Biscuits der Firmen Pernot, Kambly, Oulevay, Peter und Schneebeli angeboten sowie für Kenner von dunkler Schokolade: DROSTE-Schokolade in Tafeln, Pastillen, Napolitains und Weihnachtsfiguren.

AUF DEM WEG ZU NEUEN PLÄNEN

1951 unterzeichnete Walter Homberger einen Mietvertrag mit dem Einwohnerverein Wädenswil, in welchem ihm die sehr geräumige Backstube an der Florhofstrasse 7 vermietet wurde. Der Vertrag enthielt die Verpflichtung, die zehn Filialen der Konsumgenossenschaft Einwohnerverein Wädenswil mit Brot und Backwaren zu beliefern, deren Umsätze sich in zehn Jahren verdoppelten.
«Diese Kombination erlaubt uns eine grössere und rationellere Produktion in mittlerer Betriebsgrösse. Zeitgemässe Maschinen und Einrichtungen, geschultes Personal und die fachmännische Führung sichern uns eine hohe Leistungsfähigkeit, die wir gerne unter Beweis stellen», schreibt Walter Homberger.
Das gleichzeitig geführte Stammgeschäft in Richterswil wurde 1952 anderweitig vermietet. Im Sommer 1955 wurde erneut ein Umbau in Angriff genommen. Der westliche Hausteil, in welchem sich der Gemüse- und Kolonialwarenladen Simon befand, wurde umgebaut und renoviert, und der Laden der Bäckerei-Konditorei Homberger in die neuen Räume verlegt. Das Tearoom wurde um den Raum des alten Ladens erweitert, was zusätzliche 35 Plätze ergab. Die Holzverkleidungen und Innenausstattungen wurden – wie schon im Jahre 1947 – von der Firma Hans Theiler, Möbelwerkstätten/Innenausbau, Richterswil, ausgeführt. Am 15. Dezember 1955 konnten das erweiterte Tearoom und der neue Laden eröffnet werden.

Für die Erweiterung des Cafés ist der Bäckerladen 1955 in den Anbau verlegt worden.
Der neue Laden im Anbau, 1955.
Zeichnung von Architekt Gattiker zur Innenausstattung des Cafés von 1947.
Im 1955 erweiterten Café Homberger.

ABSCHIED VON DER KONDITOREI-BÄCKEREI HOMBERGER

Unter diesem Titel erschien am 15. September 1970 ein Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» mit folgendem Inhalt:
«Am 19. September 1970 schliessen wir unsere Konditorei-Bäckerei an der Gerbestrasse 7 und stellen den Betrieb an der Florhofstrasse/Kreuzstrasse ein. Das Café/Tearoom schliessen wir wegen Renovation und Betriebsferien vom 20. September bis 5. Oktober 1970. In einer neuen Funktion wird der Laden zirka Mitte Oktober wieder eröffnet.
Der Hauptgrund für unseren schweren Entschluss ist sicher die Erkenntnis, dass wir bei der Weiterführung des ganzen Betriebes unter den derzeitigen Umständen zwangsläufig gesundheitlichen Schaden nehmen müssten. Dank, Dank und nochmals vielen herzlichen Dank unseren kleinen und grossen Kunden, unseren jungen und alten Freunden für die oft vieljährige Treue!
Leider war es uns nicht vergönnt, einen geeigneten Nachfolger in der Branche zu finden. Wir wissen und bedauern, dass wir im Augenblick eine Lücke schaffen, aber wir wissen auch, dass auf die Dauer niemand unersetzlich ist. Nach der Renovation des Tearooms werden wir uns freuen, Sie dort wieder begrüssen zu dürfen.
Walter und Liesel Homberger»

Als Begleittext zum Inserat schrieb Walter Homberger in derselben Zeitung:
«Trotz Einführung neuer Maschinen und Öfen war der Betrieb als Handwerksbetrieb 1966 an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt, und die einsetzende Personalknappheit wurde von Jahr zu Jahr drückender. Ohne eigenen Nachwuchs im Geschäft selbst drängte sich mit der Zeit eine Vermietung auf, die indessen nicht zu realisieren war, ohne den Föifer und das Weggli zu geben. So kam es schliesslich zu einer branchenfremden Vermietung des Ladens, während das Café vom bisherigen Inhaber weitergeführt wird.»
Im Laden mietete sich Susy Rüegg mit ihrem Geschäft namens «Crystal» ein, das eine reiche Auswahl an Lampen und Leuchten aus Kristall sowie verschiedene Wohnungsaccessoires wie Porzellan, Keramik, Gläser und Zinngegenstände anbot.
Später beherbergten dieselben Räume das Sportartikelgeschäft Todesco, dann wurden sie Buri-Sport vermietet, der nach seinem Umzug ins Nachbarhaus darin einen Switcher-Shop einrichtete.

DAS CAFé WIRD WEITERGEFÜHRT

Am 1. April 1980 übernahmen Karl und Elisabeth Leu-Zingg die Verantwortung für den Betrieb. Karl Leu, der bis zu diesem Zeitpunkt ein Architekturbüro führte, absolvierte die kleine Wirteprüfung. Zusammen mit seiner Gattin wagte er den Sprung in einen neuen Lebensabschnitt.
Vorgängige Pächterin war Frau Baratella. Zu ihrer Zeit ging im Café viel nicht über alle Zweifel erhabenes Jungvolk ein und aus, was dem Ruf und Ansehen dieser Gaststätte nicht unbedingt förderlich war. Kurt Rohr schrieb anlässlich des Rücktritts des Ehepaars Leu in der «Zürichsee-Zeitung» vom 24. Februar 2000 über dessen Anfänge: «Lisbeth und Karl Leu haben alles getan, um die Wünsche ihrer Gäste zu erfüllen. Das war am Anfang gar nicht so einfach. Es galt, jenen Teil der Klientel loszuwerden, der dem Café auf die Dauer keinen guten Namen gemacht hätte. Mit Geschick wurde die Spreu vom Weizen getrennt, was bei den Gästen Anerkennung fand. Das Ehepaar verstand es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohl fühlte.» Das Café war immer auch sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, einziger Ruhetag war der Montag.
Karl und Elisabeth Leu-Zingg. Aufnahme von 2000.

Lisbeth Leu war zuständig für die warme Küche, ihr Gatte kümmerte sich um die Salate. Mit viel Liebe wurden die einfachen, aber geschmackvollen Menüs zubereitet: «Ghakets und Hörndli», heisser Fleischkäse mit Kartoffelsalat, Riz Casimir, Geschnetzeltes mit Reis oder auch Hawaii-Toasts standen auf der Speisekarte.
Zu bestimmten Zeiten fanden sich eigentliche Stammtischrunden ein: Die verschiedenen Englischkurs-Teilnehmerinnen, die Ehemaligen vom Frauen- und Töchterchor, die Volkstanzgruppe, die 35er der Frauenriege, die gemischte Männerrunde oder der Reisestamm der Aktiven Senioren. Aber auch zahlreiche andere, langjährige, treue Gäste wussten die herzliche und offene Gastfreundschaft der Leus überaus zu schätzen.
Mit einem «Tag der offenen Tür» für die «Hombi-Gäste» ging am Samstag, 26. Februar 2000 für die Leus eine 20-jährige arbeitsreiche, aber beglückende Zeit zu Ende.

NEUERÖFFNUNG AM «FRÜELIGSMÄRT» 2000

Das Café Homberger blieb vom 27. Februar bis am 24. März geschlossen. In dieser Zeit wurden die Räume neu gestrichen, Böden erneuert, Sitzkissen angeschafft und gefällige Wandleuchten angebracht. Dadurch wirkte das Café nachher grösser und erhielt eine gewinnende, freundliche Note. Das neue Wirte-Ehepaar Thomas und Ursula Dürst-Flury, das den Wädenswilern von ihrem aktiven Mitwirken in Vereinen und bei Veranstaltungen bestens bekannt war, öffnete am Samstag, 25. März 2000, dem Beginn des Wädenswiler «Früeligsmärts», die Türen neu.
Es war ihnen ein Anliegen, das Café im bekannt bewährten Stil ihrer Vorgänger weiterzuführen. Voressen, Braten, Schnitzel, Lasagne, Fleischvögel, verschiedene Arten von Rösti wurden angeboten, zudem immer auch ein Vegi-Menu. An den sogenannten «Wähentagen» stand eine reiche Auswahl an Fruchtwähen bereit.
Im Unterschied zu Leus, die das Café alkoholfrei führten, wurde neu auch Alkohol ausgeschenkt. Dürsts wählten den Sonntag als Ruhetag und hielten den Gastbetrieb Montag bis Samstag von 8 bis 18 Uhr offen, im letzten Jahr Dienstag bis Samstag. Während Thomy Dürst sich vor allem um den Einkauf kümmerte und in den Stosszeiten im Service mithalf, betreute seine Gattin Uschi die Küche.

Uschi und Thomy Dürst. Mit ihrem Rücktritt schloss das Café Homberger am 24. März 2012.
Die Gäste staunten oft, was sie in dieser winzig kleinen Küche alles herzuzaubern verstand. Das «Hombi» mit seinem einladenden Vorgarten war auch ein sozialer Treffpunkt. Viele Alleinstehende schätzten nicht nur die gutbürgerliche Küche, sondern auch die Möglichkeit, sich mit ihresgleichen an einen Tisch setzen und sich austauschen zu können. In der Vorweihnachtszeit stand der Garten jeweils voller Christbäume, die der Männerturnverein verkaufte. Am 24. März 2012 schloss das Café Homberger im Herzen von Wädenswil für immer seine Türen. Thomy und Uschi Dürst, die den Betrieb 12 Jahre lang als treue und dienstbereite Gastgeber geführt hatten, gingen in Pension.
Das Cafe Hornberger - ein beliebter Treffpunkt.
 
Das Café vor der Schliessung.

Noch werben Schriften für das Cafe Hornberger.
Haus Gerbestrasse 7, Ansicht von Osten.
 
Ansicht von Westen vor der Erweiterung 2012.

DIE NEUE «ALTE FARB»

Am 4. Januar 2010 wurde das Mehrfamilien- und Geschäftshaus Gerbestrasse 7 den neuen Eigentümern Gabriel und Edith Hubschmid-Bertenghi aus Thalwil überschrieben. Was sie an dieser Liegenschaft faszinierte, war der Garten und das Café, das sie gerne weitergeführt hätten. Leider fanden sie niemanden, der bereit gewesen wäre, die für einen solchen Betrieb nötigen Investitionen vorzunehmen.
In den Räumlichkeiten des ehemaligen Cafés eröffnet die Coiffeurkette Pierre einen Salon, richtet für Passanten eine Café-Bar ein und stellt den Gästen auch die lauschige Terrasse zur Verfügung. Daneben mietet sich das Optikergeschäft Mc Optik ein. Den neuen Laden gegen den Sonnenrain bezieht der Claro Weltladen.
Über dem Ladengeschoss werden acht Wohnungen, bestehend aus zwei bis fünf Zimmern, eingerichtet, wobei es den Hubschmids ein Anliegen ist, ursprüngliche Bauteile wie Säulen, Türen, Kasten, Treppenhausgeländer und einen alten Kachelofen zu erhalten. Durch den Anbau von Balkonen auf der Südseite gewinnen die Wohnungen an Komfort und die Fassade wird in ihrer Struktur belebt.
Sodbrunnen im Haus, heute aufgefüllt.



Peter Weiss


Umbau 2012: Farbkonzept für die Südfassade (oben) und die Westfassade (unten).