1834 stellte der Zürcher Regierungsrat fest, am linken Ufer des Zürichsees sei ein weiteres Lagergebäude wünschbar. Wädenswil mit aufstrebender Industrie und bedeutendem Handel war bereit, eine Sust und eine Haabe – einen Hafen – zu erstellen. Die Gemeindeversammlung vom 6. Dezember 1835 bestimmte als Standort für die Schifflände und das neue Sustgebäude das Areal ausserhalb des Schützenhauses am Plätzli. Am 27. Februar 1840 begann man mit dem Ausgraben des neuen Seehafens. Die Arbeiten wurden durch Gemeindebürger im Frondienst ausgeführt. Täglich arbeiteten 40 bis 50 Männer. Am 21. März 1840 war die Grube, die sich vom Schützenhaus gegen Osten erstreckte, genügend tief. Jetzt konnte man den Damm durchstechen, der das Eindringen des Seewassers verhütet hatte. Mit Wucht strömte das Wasser in die neue Haabe und füllte sie innert sieben Minuten. Eine grosse Menge Zuschauer verfolgte das seltene Schauspiel.
Bereits im Dezember 1839 hatte Steinmetz Blattmann mit den Bauarbeiten an der zweistöckigen Sust begonnen. Am 20./21. Juli 1840 wurde das am bergseitigen Rand der Haabe gelegene Gebäude aufgerichtet. Auf der dem Hafen zugewandten Seite war eine Verladerampe vorgebaut. Selbst eine kranartige Aufzugsvorrichtung fehlte nicht. Die Linthschifffahrtskommission, welche damals den Güterverkehr auf dem Zürichsee besorgte, stellte eine grosse Dezimalwaage. Die Gemeinde als Eigentümerin der Sust gab das neue Lager- und Waaghaus einem Sustmeister auf sechs Jahre in Pacht. Zu den grossen Kunden der Sust gehörte um 1853 unter anderem die Spinnerei Henggeler in Neuägeri, die sämtliche Baumwollsendungen nach Wädenswil kommen liess, von wo aus sie mit Pferden an ihren Bestimmungsort geführt wurden.
1863 übernahm die neue Dampfschiffgesellschaft des linken Seeufers die Sust, 1867 die auf Vorschlag von Heinrich Blattmann, Amlungfabrikant zum Grünenberg, gegründete Speditionsgesellschaft Wädenswil, die mit ihren vier Schleppkähnen durchaus in der Lage war, den Güterverkehr und zugleich die Verwaltung der Sust zu besorgen.
Gleichzeitig mit dem Bau der Sust in den Jahren 1839/40 entstanden in diesem Abschnitt auch die Seestrasse sowie das benachbarte Haus «
Seehof», bis 1862 ein renommiertes Hotel.
1870 bildete sich ein Initiativkomitee für eine Eisenbahn von Wädenswil nach Einsiedeln. Für den Bau des Bahnhofs und des Trasses bedeutete der Hafen bei der Sust ein Hindernis. Am 9. Juni 1872 schloss darum das Eisenbahnkomitee mit dem Gemeinderat Wädenswil einen Vertrag, wonach die Gemeinde Wädenswil dem Komitee zur Erstellung des Bahnhofs unter anderem den Landungsplatz beim «Seehof» und den Hafen bei der Sust zum Auffüllen überliess. Als Gegenleistung verpflichtete sich das Bahnunternehmen, vor dem Hotel «
Engel» eine neue Haabe anzulegen.
Mit dem Eindecken des Susthafens verlor die Wädenswiler Sust viel von ihrer ehemaligen Bedeutung. 1890 stellte sich für die Gemeinde die Frage, wie sie diese Liegenschaft einträglicher nutzen könnte. Aufgrund des Gemeindeversammlungsbeschlusses vom 3. August 1890 wurde das erste Obergeschoss um 70 Zentimeter erhöht, und darüber errichtete Baumeister Rudolf Kellersberger nach den Plänen des Wädenswiler Architekten Karl Schweizer ein zweites Stockwerk. Der alte Dachstuhl fand wieder Verwendung.
Das erweiterte Haus konnte 1891 als Verwaltungsgebäude an die neu gegründete Schweizerische Südostbahn (SOB) vermietet werden, welche die Nachfolge der Aktiengesellschaft Wädenswil-EinsiedelnBahn angetreten hatte. Im Erdgeschoss war bergseits das Spritzenmagazin der Wädenswiler Feuerwehr untergebracht, im seeseitigen Teil je ein Magazin für die Gemeinde und die SOB. Das erste Stockwerk enthielt eine Abwartswohnung und drei Büroräume für die SOB, das zweite Stockwerk vier Büros und ein Sitzungszimmer für das Bahnunternehmen.
Im Sommer 1932 verlegte die Südostbahn ihre Verwaltungsbüros in den neuen Bahnhof der SBB. Nun interessierte sich die Post für die leerstehenden Räume; man wollte hier die projektierte Telefonzentrale verwirklichen. Dazu hätte man aber auch die benachbarte Liegenschaft «Seehof» gebraucht, und die war nicht zu kaufen. So scheiterte das Vorhaben. Nun gedachte der Gemeinderat die Sust zu verkaufen. Wegen der Krise gingen aber nur tiefe Angebote ein, und zudem machte sich Opposition gegen den Verkauf dieser Gemeindeliegenschaft bemerkbar. Auch Verhandlungen mit dem Kanton – Wädenswil hätte das Gebäude gerne zur Verbreiterung der Seestrasse veräussert – brachten keine Resultate. So wurde zunächst das Arbeitsamt in der Sust untergebracht, und dann interessierte sich die Gewerbliche Fortbildungsschule für die zentral gelegenen Räume.
Die Gemeindeversammlung vom 9. Juli 1934 bewilligte den Umbau der Sust für Schulzwecke und gleichzeitig eine Aussenrenovation. Nach den Plänen von Architekt A. Wernli wurden im ersten Geschoss aus je zwei Zimmern zwei grosse neue Schulzimmer geschaffen; ein weiterer Raum diente als Lehrerzimmer; die Abwartswohnung wurde renoviert. Im zweiten Stockwerk bildete man aus vier Zimmern zwei weitere Schulräume, dazu kamen Toiletten, Garderobe sowie ein Sammlungszimmer.
Die Kosten für den Innenumbau kamen auf 22 200 Franken zu stehen, für Mobiliar gab man 3 000 Franken aus, für die Aussenrenovation 7 800 Franken, was einem Gesamtaufwand von 33 000 Franken entsprach. Allerdings war es die Zeit, da man eine Postkarte – nach heutigem Begriff zum A-Post-Tarif – in der Schweiz noch mit einer 10-Rappen-Marke verschicken konnte und da ein Kilogramm Kalbfleisch 3 Franken kostete, ein Kilogramm Santos-Kaffee 2 Franken 20 Rappen und ein Kilogramm Griesszucker 30 Rappen.
Ein weiterer Innenumbau erfolgte 1954. Damals entstand im ersten Obergeschoss anstelle der früheren Schulzimmer eine zweite Wohnung, mit Wohnküche und drei Zimmern.
Die mit Wädenswils Vergangenheit eng verflochtene Sust ist ein schlichter, wohlproportionierter Bau unter Walmdach. Kein Wunder, dass das gemeindeeigene Haus bei der Inventarisation wichtiger Baudenkmäler als schützenswertes Gebäude eingestuft und darum 1991 in seinem Äusseren stilgerecht restauriert worden ist.