10 Jahre Filmnächte im Rosenmattpark

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2000 von Clarie Linnekogel-Rometsch, Fotos Bernhard Fuchs, Langnau am Albis

Kinderlachen und Sandkastenspiele. Kastanien suchen unter grossen Bäumen. Erste Küsse hinter Büschen und letzte Sonnenstrahlen auf der Haut. Das sind Stimmungen und Gefühle im Rosenmattpark im Frühling, Herbst und Winter. Und im Sommer? Da reisen die Menschen gerne in die Pärke des Südens. Wer daheim bleibt, grillt in Gärten und auf Balkonen oder bräunt die Haut auf der Liegewiese im Strandbad. Im Rosenmattpark wird es stiller. Und doch kann der Besucher gerade in dieser Zeit das südliche Ambiente geniessen mit einer üppigen Blumenpracht, intensiven Gerüchen und den Geräuschen der Natur. Bienen summen, die Kieswege knirschen unter den Schritten, der Rasensprinkler sirrt. Doch auf dem Weg vom Plätzli zur Zugerstrasse begegnen sich kaum Menschen; Gespräche beschränken sich im besten Fall auf das typische Wädenswiler «Grüezi». Wenn es Abend wird im Park, herrscht abolute Stille, die bürgerliche Dämmerung hat das südliche Ambiente ausgelöscht.

RASEN NICHT BETRETEN!

Der Rosenmattpark umgibt die Villa Rosenmatt des 1848 geborenen Seidenfabrikanten Emil Gessner. Nach dem Tod des letzten männlichen Nachkommen im Jahr 1938 ging der Park als Schenkung an die politische Gemeinde Wädenswil. Die Anlagen sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zum ersten Mal wurde dieses Recht im Jahr 1949 für eine Theateraufführung genutzt.
Allerdings muss die Grundgestaltung erhalten bleiben. Dafür gibt es eine gesetzliche Regelung. Ein Kiesweg führt mitten durch den Park und darf nicht verlassen, der Rasen nicht betreten werden. Wer es im lesefähigen Alter dennoch tut, hat ein schlechtes Gewissen, als ob er privaten Grund betreten hätte. Die meisten Einwohner von Wädenswil haben aufgehört, über diese Einschränkung nachzudenken. Der Bildhauer Urs Burkhardt allerdings störte sich seit einigen Jahren daran, dass der Park zwar auf dem Papier den Wädenswiler Bürgern gehörte, aber trotz weit offener Tore nicht eigentlich genutzt werden konnte. Er nannte den Ort eine «idyllische Oase, schön, ruhig, gepflegt, aber leer». Zusammen mit der Malerin Theres Burkhardt brachte er sein Anliegen im Jahr 1989 zum erstenmal mit einem Zeitungsartikel und einem Brief an den Stadtrat an die Öffentlichkeit. Die Idee, aus dem Rosenmattpark im Sommer einen Theater-, Kino- oder Musikpark und einen Garten für bildende Künste zu machen, stiess beim Stadtrat unter dem Präsidenten Walter Höhn auf offene Ohren. Professor Dr. h.c. Peter Ziegler, Präsident des Natur- und Heimatschutzes und Historiker, unterstützte die Öffnung des Rosenmattparks und war zur Mitarbeit bereit. Mit der Auflage, dass kein Rummelplatz entstehen darf und keine bleibende Veränderungen zugelassen werden, standen Aktionen von hoher künstlerischer Qualität keine behördliche Verbote im Wege. Dies war auch im Sinne der Antragsteller, die sich unter dem Namen «IG Rosenmattpark» zusammen gefunden hatten. Sie betrachteten den Park durchaus als ein Geschenk, das mit Sorgfalt behandelt werden muss. Aber leben sollte der Ort mit allen Facetten, die aus der Verbindung von Natur und Kultur entstehen können.

Von links nach rechts: Martin, Urs und Ueli Burkhardt auf der Terrasse des Kirchgemeindehauses.

DIE WASSERTAUFE IM ERSTEN JAHR

Die «IG Rosenmatt» suchte die Zusammenarbeit mit dem Theater Ticino, dem Kleintheater in Wädenswil, das seit dem Jahr 1985 existiert. In Ueli Burkhardt fanden sie einen erfahrenen Programmgestalter, in Martin Burkhardt einen professionellen Ton- und Beleuchtungsfachmann. Frau Bluette Geisser, die Besitzerin des örtlichen Schlosskinos, war ebenfalls zur Zusammenarbeit bereit. Sie kümmerte sich um die Filmrechte und stellte ihren Operateur zur Verfügung. Damit waren ideale Grundvoraussetzungen geschaffen.
Eine Pionierzeit begann. Was braucht es für eine Filmnacht? Filme, Projektor, Leinwand sind nicht genug. Stühle sind eine Selbstverständlichkeit und doch wurden sie zum Problem. Das Theater Ticino konnte einige wetterfeste Sitzgelegenheiten bereitstellen, das Jugi, Bekannte und Freunde der Veranstalter brachten einzelne Stühle mit. Sie wurden auf den Kiesplatz vor dem grossen Rasen gestellt, Noch wagte man es nicht, den Rasen zu betreten. 150 Sitzplätze warteten auf die Besucher. Der Projektor wurde in einem Bauarbeiterwagen installiert, die Leinwand stand gegen die reformierte Kirche. So erlebte der Besucher Kino hautnah, wie es sich die Veranstalter gewünscht hatten. Das Bild auf der Leinwand kam nicht aus dem Nichts, sondern wurde unter den Augen des Publikums gleichermassen immer wieder neu erfunden. Der Projektor machte leise Geräusche beim Abspielen des Films, Mücken tanzten im Lichtstrahl, von weitem hörte man die Autos von der Seestrasse, und alle Viertelstunden ertönte die Kirchturmuhr.
Im ersten Programm hiess das Organisations-Team die Besucher auf ein «sternenklares Wiedersehn im Mondschein herzlich willkommen». Und dann regnete es. Es regnete ohne Unterlass, so dass der erste Film nicht gezeigt werden konnte. Zum ersten, aber auch zum letzten Mal verhinderte das schlechte Wetter die Ausstrahlung. Seit diesem ersten Jahr werden die Filme bei jeder Witterung gezeigt. Die Filmbegeisterten haben gelernt, sich wetterfest zu kleiden. Am 6. August 1994 hagelte es so heftig, dass die Hagelkörner wie Schnee auf dem Rasen liegen blieben. So zogen die Besucher beim Film «Lawrence of Arabia» in Moonboots durch die Wüste.

Schon bei der verregneten Premiere liessen sich die Besucher nicht aus dem Rosenmattpark vertreiben. Viele zogen sich zurück zu Köbi Elsener in die Beiz. Im unteren Teil des Parks hatte er einige Tische aufgestellt, eine Plane aufgezogen, einen Grill angeheizt und einen Bierhahnen installiert. Wein und ein Eintopf vervollständigten das kulinarische Bild - und alle waren zufrieden. Es wurde gelacht, diskutiert, geflirtet, und von Zeit zu Zeit entleerte sich das Dach in die Kragen der Gäste. Der Rosenmattpark lebte – Urs Burkhardt betrachtete es mit einem Lächeln.
 

FESTTAGE IN DEN FERIEN ZU HAUSE

Viel zum Erfolg trägt auch die Beiz bei, die nach Köbi Elsener seit 1996 vom GMT-Party-Team unter der Leitung von Christine Muser und Andreas Koller geführt wird. Hier kann ab 18.00 Uhr international gespeist werden. Man trifft Freunde und Bekannte, die man lange nicht gesehen hat. Auch wer nicht jeden Abend vor der Leinwand sitzen will, geniesst in der Beiz einen entspannenden Apéro im Schatten der Kastanienbäume oder ein gemütliches Essen, während sich die Stars auf der Leinwand lieben und hassen, bekämpfen und versöhnen. In der Verschmelzung von Koch- und Filmkunst liegt eine der Attraktionen des Openairs und lässt es zum wichtigsten Ereignis für die Daheimgebliebenen in den Sommerferien werden. Es soll Leute geben, die ihre Reisetermine nach den Filmnächten in Wädenswil richten.
Natürlich bringen die Filmnächte auch eine gewisse Unruhe in den stillen Park. Die Veranstalter sind deshalb dankbar dafür, dass es die Kinder zulassen, dass ihr Spielplatz während dieser Zeit zur Spielwiese für Erwachsene umgestaltet wird. Auch die Nachbarn des Rosenmattparks haben sich inzwischen an die nächtlichen Geräusche gewöhnt. Dem Wunsch, die Filme nachmittags zu zeigen, um die Nachruhe nicht zu stören, konnte aus naheliegenden Gründen nicht nachgegeben werden. Die Veranstalter sind sich jedoch bewusst, dass sie in hohem Masse auf die Toleranz der Kinder und der Nachbarn angewiesen sind. Mit Freibilletten laden sie diese zum Mitfeiern ein.

AUS PIONIEREN WERDEN PROFIS

Schon zum zehnten Mal zeigte das Organisations-Team im Sommer 2000 Filme im Rosenmattpark. Seit der ersten Aufführung hat sich vieles in Richtung Perfektionierung und Professionalisierung getan. Dennoch haben die Filmnächte nichts von ihrem Charme eingebüsst. Noch immer haben die Veranstalter vor jeder Aufführung Lampenfieber, ob auch diese Nacht wieder zum filmischen Ereignis wird. In den zehn Jahren hat sich technisch und organisatorisch einiges verändert.
Frau Bluette Geisser hat sich zurückgezogen, so dass die Veranstalter sich selbst um die Filmrechte und Bewilligungen kümmern müssen, neuerdings auch um diejenige des Kantons.

Erfreulicher Anblick für die Veranstalter.

Martin Burkhardt hat die Aufgabe des Operateurs übernommen, der Projektor steht im grossen Saal des Kirchgemeinde-hauses, die Grossleinwand in Cinémascop-Format entsprechend dazu. Auf dem Rasen stehen über 500 Plätze zur Verfügung, bei Regen überdecken fünf Zelte 100 Sitzplätze.

Präzisionsarbeit des Filmoperateurs.

Nachdem der begeisterte Cinéast Bruno Rossi einige Jahre lang sein Wissen bei der Auswahl zur Verfügung gestellt hat, gestaltet Ueli Burkhardt das Programm mit der Beratung eines Filmjournalisten allein. Dabei lässt er sich einerseits durch das Lustprinzip leiten, andererseits aber stellt er einen Raster auf, in dem verschiedene Kategorien von Filmen Platz finden. Nicht ausschliesslich der gängige Hollywood-Mainstream soll gezeigt werden, sondern Filme die gefallen, aber dennoch einige Ansprüche an das Publikum stellen. Für das Programm sind inhaltliche, stilistische und atmosphärische Kriterien entscheidend. Dabei sollen die Zuschauer ihren Horizont erweitern können und sich mental auf Reisen begeben in fremde Länder und Kulturen, sich aber auch wiederfinden in den Charakteren der dargestellten Menschen und Schicksalen. Fahrzeug für diese Reisen sind die bewegten Bilder des gezeigten Films und die Stimmung im Park, die in Wädenswil einmalig ist.

Vollbesetztes Openair-Haus.

In verschiedenen Gemeinden am linken Ufer sind Film-Openairs entstanden. Dies stört die Veranstalter nicht, denn Konkurrenz belebt das Geschäft und regt zu Höchstleistungen an. Mit der «Dorfgemeinschaft Pfäffikon», die ebenfalls ein Film-Openair organisiert, findet ein reger Austausch von Erfahrungen und Material statt. Der Erfolg bestätigt den Aufwand, so dass der Beitrag der Stadt in den letzten Jahren nicht benötigt wurde. Es ist sogar möglich, den Beteiligten eine Entschädigung für ihre grosse Leistung und ihre dauernde Präsenz auszuzahlen. Gestützt werden die Finanzen vor allem durch die Sponsoren aus den Reihen der Wädenswiler Gewerbetreibenden. Dank dieser Mithilfe wird das Schlechtwetter-Risiko abgedeckt. Sie können am Anfang und am Ende des Films und in der Pause Werbedias ausstrahlen lassen oder einen Abend mieten und so ihre Kundschaft oder ihre Mitarbeiter überraschen. Auch private Feste werden in diesem originellen Rahmen gefeiert. Die Filmnächte sind zu einem wichtigen Bestandteil der Wädenswiler Kultur geworden, die vielseitig und ohne Gitter und Schranken genossen werden kann. Es ist zu hoffen, dass die Begeisterung und die Liebe zur Filmkunst die Veranstalter auch weitere Jahre für die aufwändige Arbeit motivieren können.




Claire Linnekogel-Rometsch