BOOTSHAFEN WÄDENSWIL ALS LEBENSRAUM VON FLORA UND FAUNA

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2007 von Hans Oberhänsli

LEBEN AM WASSER

Der Bootshafen Wädenswil dient dem Stationieren von Booten und ist diesem Zweck entsprechend in sechs Bootskammern eingeteilt. Diese sind über einen parallel zum Ufer angelegten Steg erschlossen. Zwischen diesem und dem Ufer wachsen Schilfrohre und andere Unterwasservegetation. Der unscheinbare, kleine Lebensraum bietet die Möglichkeit für interessante Beobachtungen. So finden sich von Ende April bis Mitte Juni in zeitlich gestaffelten Abständen Schleien, Rotfedern und Brachsmen ein, um zu laichen. Bis Ende Juli schlüpfen Brütlinge, die sich zu grösseren Schwärmen zusammenschliessen und im Bootshafen verbleiben. Vögel nutzen den Bootshafen als Brut- und Ruheraum.

Blesshuhn.

DAS BLESSHUHN

Die Blesshühner sichern sich je nach den Witterungsverhältnissen bereits ab Februar einen Neststandort. Ab Mitte März beginnen sie ein schwimmendes, stabiles Nest im Schilfröhricht zu verankern. Über einen mit Schilfrohren errichteten Steg ist das Nest jederzeit erreichbar. Die Blesshühner benötigen das Nest nicht nur zum Ausbrüten der Eier sondern auch als Ruheort. Die Familie lebt mit dem Nachwuchs während Wochen rund um das Nest. Der Bootshafen bietet Platz für drei bis vier Reviere, die von den Männchen streng bewacht werden. Täglich streiten sie sich entlang von genau bestimmten Reviergrenzen. Weil besorgte Menschen die Blesshühner oft füttern, brüten sie stets mehr Junge aus als sie schliesslich aufzuziehen vermögen. Bei Futterknappheit töten Altvögel die zu aufdringlich nach Futter bettelnden Jungen. Der Fortpflanzungserfolg bleibt über Jahre mit bloss einem bis zwei Jungen pro Paar bescheiden.
Der Bootshafen in der Rietliau mit interessanter Flora und Fauna.

DER HAUBENTAUCHER

Der Haubentaucher errichtet wie das Blesshuhn ein schwimmendes Nest. Es handelt sich um eine Plattform aus verdorrten Schilfhalmen und Pflanzen, die sie auf dem Seegrund finden. Das Nest müssen die Haubentaucher ständig ausbessern. Nach dem Ausbrüten der Eier geben sie das Nest auf und tragen die Jungen während der ersten zehn Lebenstage unter den Flügelfedern. Die Haubentaucher wechseln bei der Nahrungsbeschaffung für die Jungen ab. Soweit es die Umstände erlauben, beaufsichtigt ein Altvogel die Jungen, während der andere für sie nach Fischchen taucht. Die Haubentaucher bleiben mit den Jungen im Umkreis des Neststandortes, wenn sie genügend Nahrung finden. Sie weiten bei Nahrungsknappheit den Aktionsradius aus oder beziehen ein Revier entlang der Uferlinie, das sie gegen Artgenossen verteidigen.
Haubentaucherpaar.

Haubentaucher mit Jungem.
Im Bootshafen schlossen sich während der Brutperiode 2006 mehrere Haubentaucherpaare zu einer Kolonie zusammen. Ständig suchten neue Paare nach einem geeigneten Nestplatz. Das ging nicht immer ohne Gezänk zwischen den Ankömmlingen und den Haubentaucherpaaren ab, die bereits ein Nest besassen. Die Abstände zwischen den einzelnen Nestern verringerten sich laufend. In den extremsten Fällen betrugen sie kaum mehr als einen Meter. Vierzehn von achtzehn Paaren brüteten erfolgreich. Mehrheitlich begnügten sie sich mit zwei Jungen. Die meisten Paare blieben mit dem Nachwuchs im offenen Wasserbereich zwischen dem Schilf und dem Steg, weil die Brütlinge der Brachsmen, Schleien und Rotfedern, die Nahrung der jungen Haubentaucher, grosse Schwärme bildeten. Die einzelnen Familien grenzten sich kaum gegeneinander ab.
Diese Idylle täuschte. Die Lebensbedingungen für den Nachwuchs verschlechterten sich während der anhaltenden Hitze im Juli mit Wassertemperaturen bis 30°. Die meisten Jungen starben bis zum Wetterumschlag anfangs August. Die Frage bleibt offen, worauf diese unglückliche Entwicklung zurückzuführen war.

WEITERE VOGELARTEN

Das grünfüssige Teichhuhn verankert an den Schilfhalmen sein kleines vom Wasser aus erreichbare Nest. Auffallend ist die tiefe Mulde, in die die Eier gelegt werden. Die Teichhühner, die sich beim Schwimmen ruckartig fortbewegen, brüten selten im Bootshafen. Im Jahr 2005 gelang ein Brutnachweis. Das Nest des Teichhuhnpaares lag in unmittelbarer Nähe eines Nestes eines Blesshuhnpaares, dessen Abneigung gegen die vom Wuchs her kleineren Artgenossen gross war. Um sich das störende Blesshuhnpaar vom Hals zu halten, schlugen die Teichhühner den Schwanz radartig auf und zeigten die weissen Unterseiten. Gleichzeitig hielten sie den Kopf gesenkt. Stets zu dieser Drohhaltung bereit, vermochten sie drei Junge erfolgreich aufzuziehen.
Grünfüssiges Teichhuhn.

Stockenten sind die einzigen Vögel, die ganzjährig im Bootshafen anwesend sind. Sie leben ausserhalb der mit Blesshuhn, Haubentaucher und Teichhuhn überbelegten Schilfrestbestände. Im Frühjahr bilden die Männchen Gruppen, in denen jeder versucht, mit auffallenden Körperbewegungen ein Weibchen für sich zu gewinnen. Wenn sich die Weibchen von ihnen trennen und in einem Versteck am Boden brüten, bilden Stockentenmännchen Herrengesellschaften. Die Weibchen kommen oft mit den Jungen zum Bootshafen zurück und suchen nach Nahrung auf der Wasseroberfläche. Es sind Kleintiere oder vom Wind herbei gewehte eiweisshaltige Blütenpollen, die sie aufnehmen.
Ein Schwanenpaar prüft zu Beginn der Brutzeit seit Jahren das Schilfröhricht als möglichen Neststandort. In zeitlich unregelmässigen Abständen baut es dort ein Nest und knickt zu diesem Zweck weit herum die verdorrten Schilfhalme ab. Selten legt es Eier. Seit langem ist es nie mehr dazu gekommen, dass das Paar Eier ausgebrütet hätte. Wenn die Schwäne nicht ständig am Nest bauen, versinkt dieses im Wasser und das vom Nest verdrängte Schilfröhricht wächst nach.
Seit etlichen Jahren fühlt sich ein Teichrohrsängerpaar im Schilf heimisch. Dieser kleine, braun-beige Zugvogel, der erst um den sechsten Mai herum aus dem Winterquartier zurückkehrt, macht vor allem durch seinen geschwätzigen ausdauernden Gesang auf sich aufmerksam. Mit dem Nestbau beginnt der Teichrohrsänger erst im Juni, wenn das Schilf schon hochgeschossen ist. Später wird das Nest von den weiterwachsenden Schilfhalmen mit in die Höhe genommen. Die Teichrohrsänger suchen ihre Nahrung an den Schilfhalmen und finden sie in Form von Blattläusen, andern Insekten und Spinnen.

GROSSE ARTENVIELFALT AN TIEREN AUF KLEINSTEM RAUM

Die Artenvielfalt an Tieren ist im Bootshafen gross. Die Attraktivität des räumlich bescheidenen Standortes überrascht. Er ist während der Laichzeit der Fische der Flachuferregion fischereiökologisch bedeutungsvoll und Haubentaucher, Blesshuhn, Teichhuhn, Stockente und Teichrohrsänger vermögen während der Brutzeit in einer gemeinsamen Welt zu leben. Sie alle haben verschiedene Nahrungspräferenzen und jede Art nutzt den Raum auf die ihrem Organismus am besten entsprechende Weise. Die einzelnen Arten konkurrenzieren sich aus diesem Grunde nicht. Der Konkurrenzkampf findet bei den Vögeln nur während der Brutzeit innerhalb derselben Art zur Sicherung eines genügend grossen Nahrungsreviers statt.
Die Vögel müssen mit Störungen durch die Besucher des Bootshafens leben, die sich wegen der geringen Abstände der Nester zu dem parallel zum Ufer verlaufenden Steg ergeben. Die meisten Besucher begegnen ihnen mit Respekt. Vereinzelte sind jedoch immer wieder versucht, sie bewusst zu stören. Erstaunlicherweise harren die Vögel, wenn die Eier einmal gelegt sind, trotz solcher Widerwärtigkeiten auf den Nestern aus bis die Jungen geschlüpft sind.
Erstaunlich war das Verhalten der Haubentaucher. Sie legten die vielen Nester in dem flächenmässig bescheidenen Schilfgebiet von etwa 150 m2 an.
Teichhuhn.
Rund 350 m westlich des Bootshafens wächst ein viel grösseres Schilffeld im See, das ihnen mehr Platz und Ruhe geboten hätte. Sie meiden dieses jedoch seit 1999 weitgehend als Brutgebiet.
 




Hans Oberhänsli