1977: neue Fahrplankonzepte für SBB und Ortsautobus

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1977 von Paul Huggel

Der Fahrplanwechsel vom 22. Mai 1977 verdient bezüglich des öffentlichen Verkehrs am linken Zürichseeufer und in der Stadt Wädenswil als bemerkenswertes Datum festgehalten zu werden. Im Vorortsverkehr am linken Ufer brachte der neue SBB-Fahrplan erfreuliche Mehrleistungen in der Bedienung der grösseren Ortschaften durch die Schaffung von 6 bzw. 7 neuen Eilzugspaaren. Auch der Fahrplan der neu mit modernen Pendelzugskompositionen ausgerüsteten Regionalzüge wurde neu gestaltet. Innerhalb der Gemeinde wurde auf das gleiche Datum eine längst fällige Reorganisation des Gemeindebusbetriebes verwirklicht: die Fahrpläne wurden verdichtet, das Streckennetz wurde vereinfacht und die Merkbarkeit des Fahrplanangebotes dadurch verbessert, dass man ihn dem rhythmischen Fahrplan der SBB anpasste. Die natürliche Abhängigkeit des Busfahrplans vom SBB-Angebot hätte auch ohne eigentliche Reorganisationspläne eine sehr erhebliche Änderung des Busfahrplans bewirkt, weshalb es sicher angezeigt war, die geplante, grosse Umgestaltung des Busbetriebes auf das gleiche Datum vorzunehmen. Allerdings geriet so das Projekt «Verbesserungen im Ortsautobusbetrieb» unter Zeitdruck, weil die bereinigten SBB-Fahrplanentwürfe abgewartet werden mussten. Die vielleicht noch vorhandenen Mängel im neuen Buskonzept können aber bestimmt mit der zunehmenden Erfahrung ausgemerzt werden. Wenn man aber die sowohl auf der SBB-Linie als auch im Ortsautobusverkehr erreichten Verbesserungen und Mehrleistungen gesamthaft betrachtet, ist man beinahe geneigt, bei uns 1977 als das Jahr des öffentlichen Verkehrs zu bezeichnen, fällt doch zudem die Feier des 100-jährigen Bestehens der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn in dieses Jahr.
Zweifelsohne musste im öffentlichen Verkehr endlich etwas geschehen. Seit mehr als 20 Jahren ist der SBB-Fahrplan der Regionalzüge am linken Seeufer nur noch modifiziert, aber nie mehr von Grund auf neu bearbeitet worden. Mit Neid nur blickte man ans jenseitige Ufer, wo seit vielen Jahren die roten und neuestens auch die violett-gelben Triebwagenkompositionen im halbstündigen Takt verkehren. Es muss aber der Gerechtigkeit halber daran erinnert werden, dass jene markanten Leistungsverbesserungen am Sonnenufer nur dank erheblicher finanzieller Beiträge der Gemeinden möglich wurden. Bei uns jedoch − auch im übertragenen Sinn am Schattenufer − wurde der Personenzugsfahrplan nur ständig leicht reduziert. In Anpassung an die veränderten Arbeitsverhältnisse wurden an Samstagen viele Abonnentenzüge gestrichen. Auch über den Mittag wurde das Angebot gestrafft. Als wirklich gut konnte auf unserer Linie eigentlich nur noch das Angebot im eigentlichen Pendlerverkehr in der Fliessrichtung bezeichnet werden. Tagsüber war jedoch das Reisezugsangebot mit gelegentlich mehr als einstündigen Zugslücken für eine derart bevölkerungsreiche Agglomeration nicht genügend und jedenfalls ungeeignet, als Alternative zur schnellen Autobahnverbindung zu dienen. Umgekehrt muss aber gesagt werden, dass die SBB verständlicherweise nicht in erster Linie den wenig lukrativen Vorortsverkehr auszubauen gewillt waren, sondern vielmehr ihr Augenmerk jahrelang auf den eher rentablen Schnellzugsverkehr und vor allem auf den existenzsichernden internationalen Güterverkehr legten. So kam es eben, dass der Zugsverkehr auf unserer Linie, die im ersten Rang eine internationale Strecke ist, zwar immer dichter wurde, die Regionalzüge aber Stiefkinder blieben.

Das neue Fahrplankonzept in grossen Zusammenhängen

Obschon erst der Fahrplanwechsel vom 22. Mai 1977 die auch für unsere Seegemeinden spürbaren Verbesserungen brachte, wurden die Grundlagen für die Überarbeitung des Vororts- und Regionalverkehrs bereits mit dem Fahrplan 1975/77 gelegt. Vor drei Jahren nämlich wurde der gesamte innerschweizerische Schnellzugsfahrplan überarbeitet und rhythmisch gestaltet: die Schnellzüge verkehrten neu − im Prinzip − allstündlich und zur gleichen Minute. Bereits diese eine Tatsache legte nahe, mit der auf die Fahrplanperiode 1977/79 in Aussicht genommenen Überarbeitung der Regionalzüge auch diese Anschlusszüge rhythmisch zu führen. Dies ist auf unserer Linie − wie auf vielen andern auch − tatsächlich geschehen: seit dem 22. Mai verkehren die Regionalzüge allstündlich und beinahe immer zur gleichen Minute. (Streuungen von bis zu 5 Minuten leider noch zu häufig.)
Der Fahrplan 1975/77 brachte aber noch eine zweite für uns ebenfalls wichtige Neukonzeption: der überarbeitete schweizerische Schnellzugsfahrplan wurde nämlich auf den betrieblich schwierigsten Bahnhof des SBB-Netzes ausgerichtet, auf den Zürcher Hauptbahnhof. Um hier die denkbar besten Anschlussverhältnisse der Schnellzüge untereinander zu schaffen, wurde die sogenannte «Zürcher Schnellzugsspinne» entwickelt. Dieses Konzept bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass sämtliche Schnellzüge aus allen Richtungen der Schweiz allstündlich im Zeitraum von rund 15 Minuten vor der vollen Stunde in Zürich eintreffen, dann innert weniger Minuten das gegenseitige Umsteigen erlauben und hernach alle innert zirka 10 Minuten nach der vollen Stunde den Zürcher Hauptbahnhof wieder verlassen.
Von Bedeutung für den Regionalverkehr ist diese Zürcher Schnellzugsspinne deshalb, weil so erklärlich wird, dass zur Zeit der Spinne, also zur vollen Stunde, im Zürcher Hauptbahnhof kein Platz für Regionalzüge gefunden werden kann. Allein schon die Schnellzüge aus den Richtungen Bern, Biel, Basel, Schaffhausen, Romanshorn, Rorschach, Chur, Gotthard und Luzern belegen 9 der 16 Hallengeleise, von denen übrigens längst nicht alle zur Aufnahme von langen Zügen geeignet sind. Zusätzlich müssen noch Geleise für Doppelführungen und Extrazüge in Reserve gehalten werden. Begreiflicherweise wünscht nun aber trotzdem jede Region rund um Zürich bestmögliche Anschlüsse von der und an die Zürcher Schnellzugsspinne. Diese Wünsche können aber so lange nicht erfüllt werden, als der Ausbau des Zürcher Hauptbahnhofs mit mehr (unterirdischen) Hallengeleisen nicht realisiert wird.
Wädenswil hat gute Bahnverbindungen nach Sargans−Chur und einen raschen Agglomerationsverkehr von und nach Zürich.
 
Auch für die Regionalzüge des linken Ufers stellte sich die Frage, wie die Anschlüsse an die Zürcher Spinne einigermassen optimal hergestellt werden könnten. Es ergab sich folgende Lösung, die selbstverständlich aus den oben dargelegten Gründen alle Zeichen eines Kompromisses trägt: Sobald der erste Schnellzug Richtung Thalwil die Zürcher Spinne kurz nach der vollen Stunde verlassen hat, kann unser Regionalzug im Hauptbahnhof einfahren (zirka Minute 10). Weil es sich ja neu um Pendelzugskompositionen handelt, verlässt der Regionalzug den Hauptbahnhof nach wenigen Minuten wieder (zirka Minute 18). Damit sind die Anschlüsse von der Spinne recht gut abgenommen. In der Gegenrichtung war eben ein Kompromiss nötig: Die Regionalzüge von Ziegelbrücke fahren neu vor dem Schnellzug von Chur bis Thalwil. Dort wird der Regionalzug vom Schnellzug überholt. Wenn aber der Reisende nach Zürich und weiter in den Schnellzug umsteigt, kann er die Zürcher Schnellzugsspinne optimal nutzen. Er muss aber die Unannehmlichkeit des Umsteigens auf sich nehmen. Diese Lösung hat aber nebst den offensichtlichen Vorteilen den Nachteil, dass sich im Unterwegsverkehr in Thalwil oder in Zürich-Enge ein längerer Aufenthalt ergibt, bis im Hauptbahnhof ein Geleise frei wird und ferner, dass die unteren Seegemeinden keinen Anschluss an die Zürcher Spinne haben. Für die Fahrplanbearbeiter war immer klar, dass es auf unserer Schnellzugsstrecke für die Regionalzüge nie eine absolut befriedigende Lösung würde geben können. Die getroffene Lösung bietet aber die grössten Vorteile bei Inkaufnahme von einigen Nachteilen. Nach obigem Konzept ist denn auch der Regionalzugsfahrplan überarbeitet worden. Er brachte die allstündliche und rhythmische Verbindung nach und von Zürich und recht befriedigende Anschlüsse von und an die Zürcher Schnellzugspinne.
Die Zürcher Spinne eröffnet aber auch neue Möglichkeiten: Nach der allstündlichen Spitzenbelastung des Hauptbahnhofs durch die Spinne zwischen ein Viertel vor und ein Viertel nach der vollen Stunde folgt dann eine relativ verkehrsarme Zwischenzeit. In dieser Zeit stünden im Hauptbahnhof viele freie Hallengeleise zur Verfügung, aber eben leider zu einer Zeit, in der keine guten Anschlüsse zu verwirklichen sind. An sich mögliche neue Leistungen in dieser Zeit könnten also nur dann sinnvoll sein, wenn ein einigermassen grosser Lokalverkehr von und nach Zürich zu erwarten ist. Genau in diese Lücke wurden nun die neuen Eilzüge unserer Linie gelegt. Sie verkehren zweistündlich jeweils in den ungeraden Stunden, wobei das Eintreffen im Hauptbahnhof auf die Minute 28 und die Abfahrt auf die Minute 40 festgelegt wurden. Das neue Eilzugsystem bringt für die grossen Ortschaften am linken Zürichseeufer sehr gute Verbindungen nach Sargans−Chur und vor allem einen sehr raschen Agglomerationsverkehr von und nach Zürich. Das Verkehrsangebot nähert sich damit für die grösseren Gemeinden jenem des rechten Seeufers. Bezüglich Fahrzeit aber sind die neuen Eilzüge den roten Zügen der Meilener-Linie beträchtlich überlegen.
Für alle frequenzstärkeren Gemeinden am linken Seeufer ist deshalb der Fahrplan 1977/79 als sehr erfreulicher Fortschritt zu werten. Da für Wädenswil im speziellen die vor einigen Jahren hart umkämpften Schnellzugshalte erhalten blieben, hat unsere Stadt heute einen Fahrplan, der endlich der Bedeutung des Ortes und des durch die SOB und PTT angeschlossenen Hinterlandes angemessen ist.

Grundzüge der Reorganisation des Ortsbusbetriebs

Längst schon bestanden Pläne für eine umfassende Neugestaltung des Wädenswiler Busbetriebs. Durch ein im Gemeinderat eingereichtes Postulat beschleunigt, wurde bei einem Ingenieurbüro eine grössere Studie über die Neuorganisation des Ortsautobusses in Auftrag gegeben. Folgende Rahmenbedingungen mussten dabei erfüllt werden: der neue und attraktivere Fahrplan musste mit dem gleichen Wagenpark und ohne Vermehrung des Fahrpersonals möglich sein, das Liniennetz war neu zu überdenken, die Anschlüsse an die SBB sollten weiterhin zu den Spitzenzeiten bestmöglich gewährleistet werden, der Fahrplan sollte auch leicht merkbar, also rhythmisch werden, und schliesslich sollten auch das Bedienungssystem vereinfacht und die Wagen besser beschriftet werden.
Die Studie ergab bald, dass innerhalb der Rahmenbedingungen des Stadtrates echte Verbesserungen möglich waren und dass die meisten Massnahmen wirklich durchgeführt werden könnten. So wurde ein neuer Fahrplan erarbeitet und die Detailarbeit vorangetrieben. Dann aber wurde Ende 1976 der neue SBB-Fahrplanentwurf veröffentlicht. Die bereits weit gediehenen Fahrplanentwürfe für den Bus mussten nochmals mit etwelchen Schwierigkeiten dem SBB-Fahrplanentwurf angepasst werden.
Bahnhof Wädenswil: Knotenpunkt der fünf Linien des Autobusses.

Der am 22. Mai 1977 eingeführte Busfahrplan sah dann folgende Massnahmen und Verbesserungen vor: Die 5 Buslinien, neu mit Nummern eindeutig bezeichnet, werden in einem angenäherten Taktfahrplan befahren, nämlich die Linie 1 nach Au−Seegut allstündlich, die Linie 2 nach Au−Schützenhaus ebenfalls allstündlich, die Linie 3/4 über Gulmenmatt−Speerstrasse−Eichweid oder umgekehrt alle 20 Minuten und die Linie 5 nach dem Reidbach ebenfalls allstündlich. Der so verdichtete neue Fahrplan bedingte allerdings die Betriebseinstellung bereits um zirka 20 Uhr, was denn auch Hauptpunkt der Opposition wurde. Die übrigen Verbesserungen aber, namentlich die leichte Merkbarkeit der Abfahrtszeiten dank dem Taktfahrplan, die verkürzten und übersichtlicheren Streckenführungen, die besser angeschriebenen Wagen, das raschere Abfertigungssystem dank neuen Abonnementen fand breite Zustimmung bei den Busbenützern. Für die vorerst ausgefallenen Spätverbindungen wird in Zukunft zweifellos noch Ersatz geschaffen werden müssen. Dass auch für die Fahrpläne selbst eine wesentlich leichter lesbare Form gefunden wurde und auch das Streckennetz schematisiert Darstellung fand, ist ebenfalls sehr begrüsst worden. Weniger erfreulich war gleichzeitig die Anhebung der Taxen, eine Massnahme, die sich aber angesichts des grossen Defizits und auch in konsequenter Anwendung des Verursacherprinzips einfach aufdrängte.
Zusammenfassend lässt sich bestimmt sagen, dass der Fahrplanwechsel 1977 für alle jene, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen bleiben, echte Verbesserungen gebracht hat, und zwar sowohl im Ortsverkehr als auch im Agglomerationsverkehr. Im Vorortsverkehr mit Zürich ist das öffentliche Verkehrsmittel aber auch für den Autobenützer dank der raschen Verbindungen mit den neuen Eilzügen zu einer Alternative geworden. Die Zukunft wird zeigen, ob das bessere Angebot, jahrelang herbeigewünscht, nun, da es in recht erfreulichem Masse verwirklicht werden konnte, auch tatsächlich benützt wird!





Paul Huggel