Die Felsenkeller der Brauerei Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2008 von Peter Ziegler

Vom 30. Juni bis 6. Juli 2008 ermöglichte die Historische Gesellschaft Wädenswil den Besuch der Felsenkeller der ehemaligen Brauerei Wädenswil. Dies gab Anlass, der Geschichte der Brauerei und dem Bau und der Funktion der sonst nicht öffentlich zugänglichen Kellerräume nahe dem Giessen-Wasserfall nachzugehen.

DER WASSERFALL

Der Flurname «Giessen» bedeutet «fallendes Wasser». Unterhalb der Einsiedlerstrasse und dem Trassee der Südostbahn ergiesst sich das in einem Weiher gesammelte Wasser des Reidbachs – des Krummbachs (mittelhochdeutsch reid = krumm) – über eine rund zwanzig Meter hohe Felswand aus Sandstein, Mergel und Nagelfluh und sammelt sich in einem Becken am Fuss der Wand. Von da aus fliesst der Giessbach zum Giessenhorn und mündet in den Zürichsee. Bereits im 15. Jahrhundert betrieb der Bach die Räder der Giessenmüli bergseits der heutigen Seestrasse.

BRAUEREI WÄDENSWIL 1826 BIS 1990

1826 Heinrich Rusterholz kauft das Haus Grünenhof bei der Zehntentrotte in Wädenswil und wandelt die dortige Schnapsbrennerei in eine Brauerei um.1

Der rund 20 Meter hohe Wasserfall im Giessen.

1837 kauft er Land im Rothaus, um eine neue Brauerei mit zwei gewölbten Bierkellern zu errichten.
1845 wird der Kleinbetrieb vom Grünenhof in den Giessen, an den späteren Standort der Brauerei verlegt.
1856 kauft Lehrer Gottlieb Naef die Brauerei und beruft als Braumeister Michael Weber (1827–1885). Die Firma heisst nun «Naef & Weber, Bierbrauer in Wädensweil».
1858 wird der erste Felsenkeller gebaut. Bierausstoss: 6200 Hektoliter.
1864 bis 1884 werden beim Giessen-Wasserfall weitere Felsenkeller in den Berg gesprengt. Sie können mit Natureis gekühlt werden.
1866 Nach dem Ausscheiden von Gottlieb Naef übernimmt Michael Weber die Brauerei auf eigene Rechnung.
1874 Brand des Wohnhauses mit angebauter Scheune.
1875 Bau eines neuen, grossen Sudhauses mit Anlage aus Chemnitz und Dampfmaschine von Gebrüder Sulzer in Winterthur.
1876 Ausbau der Mälzerei.
1880 wird erstmals auch dunkles Bier gebraut.
1885 stirbt Michael Weber im Alter von 58 Jahren. Die Witwe Elisabeth Weber-Hauser (1842–1906) führt mit Hilfe von Braumeister Georg Bichler (späterer Schwiegersohn) das Lebenswerk ihres Mannes mit grosser Energie und Klugheit weiter, um es den beiden damals noch minderjährigen Söhnen zu erhalten. Bierausstoss: 24 331 Hektoliter.
1886 Die Brauerei heisst neu «Gebrüder Weber, Michael Webers Nachfolger».
1887 wird die erste Eismaschine in Betrieb genommen.
1888 bis 1890 Bau des Tunnels, der die Brauerei mit dem Felsenkeller verbindet.
1889 übernehmen die Söhne Franz und Fritz Weber die Geschäftsleitung. Die Firma heisst jetzt «Brauerei Wädenswil, Gebr. Weber.»
1892 Einführung des Flaschenbiers. Zweite Eismaschine in Betrieb.
1893 Stapellauf des Schleppdampfers Gambrinus und teilweise Umstellung der Spedition auf den Schiffsbetrieb. Errichtung von Seedepots in Zürich-Wollishofen, Männedorf, Rapperswil und Lachen.
1895 Das neue Elektrizitätswerk an der Sihl liefert der Brauerei Strom für Kraft und Licht.

Michael Weber (1827-1885).

Elisabeth Weber-Hauser (1842-1906).

1896 Bau der Villa Weber an der Einsiedlerstrasse 9 durch Architekt Karl Schweizer.
1900 Die Brauerei Wädenswil liefert Bier sogar nach Como, Luino, Mailand und Abessinien.
1905 Erwerb der Aktienbrauerei Richterswil.
1911 erreicht der Absatz trotz schärfster Konkurrenz 106 000 Hektoliter Bier.

Brauerei Wädenswil im Jahre 1919.

1923 stirbt Franz Weber (1867–1923).
1924 führen die Erben von Franz Weber-Hauser die Brauerei als Kollektivgesellschaft Brauerei Wädenswil, Weber & Cie. weiter. Als Vertreter der dritten Generation folgt Dr. Walter Weber-Bürki seinem Vater als Geschäftsleiter nach.
1929 Erwerb der Mineralquelle Elm und Vermarktung von Elmer Citro.
1931 Höhepunkt des Bierabsatzes: 135’692 Hektoliter.
1938 wird die Kollektivgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt.
1952 tritt Paul Weber, der Sohn von Dr. Walter Weber, als Vertreter der vierten Generation in die Firma ein.
1955 stirbt Seniorchef Fritz Weber-Lehnert im Alter von 85 Jahren. Als sein Nachfolger übernimmt Dr. Dietrich Iselin die technische Geschäftsleitung.
1956 Die Brauerei ist seit hundert Jahren im Besitz der Familie Weber.
1964 erreicht der Bierumsatz erstmals 200 000 Hektoliter.
1966 Stapellauf des Transportschiffs Wadin.
1967 stirbt der Seniorchef Dr. Walter Weber. Paul Weber übernimmt die kaufmännische Leitung.
1969 Bau eines Geleiseanschluss für Malztransporte beim Übergang Boller der Südostbahn.
1970 wird die Kommanditgesellschaft Brauerei Wädenswil, Weber & Cie., in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im gleichen Jahr schliesst sich die «Brauerei Wädenswil, Weber AG» mit vier andern Brauereien zur «Sibra Holding AG Fribourg» zusammen.
1973 Sibra lanciert die gemeinsame Marke «Cardinal».
1975 Abschied vom letzten Bierfuhrwerk. Um 1900 hatte man 120 Pferde, 1925 noch 26 und 1938 sieben Pferde.
1990 wird die Sibra Holding an die Feldschlösschen-Gruppe verkauft. Dies bedeutet das Ende der Bierproduktion in der Brauerei Wädenswil.
2003 werden die meisten Brauereigebäude abgebrochen. An ihrer Stelle entsteht zwischen Seestrasse und Einsiedlerstrasse die Wohnsiedlung «Lagomio».

BIERHERSTELLUNG

Die Herstellung des Bier erfolgte über verschiedene Stationen.2 Eine davon war der Felsen- oder Lagerkeller.
Das aus dem Malzsilo zur Schrotmühle beförderte Malz wird unter Zusatz von Brauwasser geschroten und anschliessend im Sudhaus bei verschiedenen Temperaturstufen gemaischt. Dabei wandeln die im Malz befindlichen Enzyme die Stärke in Malzzucker um. Die unlöslichen Schrotbestandteile werden im Läuterbottich herausgefiltert und die wässrige, zuckerhaltige Flüssigkeit, die Würze, fliesst zur Würzpfanne, wo der Hopfen zugesetzt wird. Die gehopfte Würze gelangt dann in den Kühlraum, wo sie auf 6 Grad Celsius abgekühlt wird und sich der ausgekochte Hopfen und der Heisstrub absetzen. Anschliessend wird die blanke Würze mittels Kühlapparat auf 6 Grad Celsius abgekühlt. Die kalte Würze gelangt hernach in den Gärkeller, wo ihr die Bierhefe zudosiert wird. Nach 7 bis 8 Tagen ist die Hauptgärung abgeschlossen und das Jungbier, das noch einen Teil Hefe enthält, kommt zur Nachgärung in den Lager- oder Felsenkeller. Nach der Lagerung wird das Bier filtriert und in Fässer, Flaschen oder Container abgefüllt.

DIE FELSENKELLER

Bauetappe 1858 bis 1884
Über dem Eingang in die Felsenkeller neben dem Giessen-Wasserfall weist eine in den Fels gehauene Tafel auf die Entstehung der Keller hin: 1858 angefangen, 1884 vollendet. Die Initialen M und W gelten Michael Weber, dem damaligen Besitzer der Brauerei. Der Davidstern – das mittelalterliche Emblem der Mälzer und Bierbrauer – und Bierfässchen illustrieren das Schriftband.
Der aus Württemberg stammende und mit dem Bierbrauen vertraute Michael Weber war ein fortschrittlich gesinnter Unternehmer. Als einer der Ersten in der Schweiz entschloss er sich 1858 zur Anlage eines Felsenkellers. Damit die Arbeiten zügig vorangetrieben werden konnten, erteilte der Gemeinderat Wädenswil den Herren Naef & Weber die Erlaubnis, «zur Vollendung des Bierkellers Tag und Nacht arbeiten zu lassen».3
Bereits 1864 genügte der erste Keller zur Lagerung der stark angestiegenen Bierproduktion nicht mehr. Der Baumeister Johann Cavallasca (1831–1897) in Baar erhielt den Auftrag, bei der «Teufelskanzel» nahe dem Giessen-Wasserfall einen weiteren Bierkeller in den Sandsteinfelsen zu sprengen. Erhalten ist die Rechnung des Unternehmers über diese zwischen Oktober 1866 und Martini 1867 ausgeführte «Felsenkellerbaute».4 Die Sprengarbeiten und die neuen Lager- und Scheidmauern kamen auf 5100 Franken zu stehen.5 Den Arbeitern, die im Felsenkeller die Steine sprengten, gewährte der Bierbrauer Michael Weber ein Trinkgeld von total fünf Franken.
Die Brauerei von Michael Weber hatte gute Zeiten. Bereits vor 1870 konnte man keine neuen Kunden mehr annehmen. «Die Nachfrage nach meinem Bier ist so stark gestiegen», schrieb der Brauer, «dass ich kaum imstande bin, meine täglichen Kunden zu befriedigen.»6 Vorübergehend liess Weber Bier von andern Brauereien kommen. Dann entschloss er sich, seinen Lagerkeller abermals zu erweitern. Wiederum erhielt Baumeister Johann Cavallasca in Baar den Auftrag. 1870/71 sprengte er weiteren Kellerraum in den Felsen beim Giessen-Wasserfall. Die herausgebrochenen Steine verkaufte man «en bloc» an die Bauunternehmer der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn, welche damals das Bahntrassee, Brücken und Tunnels erstellte.7
Ein weiterer Kellerausbau wurde 1884 abgeschlossen, wie die Tafel über dem Eingang in den Felsenkeller festhält. Wiederum war Baumeister Cavallasca zum Zug gekommen. In den 1870er Jahren hatte er sich übrigens in Wädenswil niedergelassen und hier ein Zweiggeschäft eröffnet. 1877 übertrug ihm die «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft Wädensweil» den Bau des Reservoirs Bühl.
 
Kühlung mit Natureis
Im Endausbau lagen die drei Etagen hohen Felsenkeller der Brauerei unter dem Trassee der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn (Südostbahn) und der Einsiedlerstrasse und erstreckten sich bis unter die Grundstücke der heutigen Liegenschaften Einsiedlerstrasse 24 und Tannstrasse 3. Am 18. April 1923 errichtete Servituten garantierten den Gebrüder Fritz und Franz Weber den Fortbestand des im Erdinnern angelegten Bierkellers, und zwar als vererbliches, übertragbares und an keine Zeitdauer gebundenes Recht.
Das Bier wurde ursprünglich in Holzfässer abgefüllt und mit Ross und Wagen zum Felsenkeller transportiert. Hier lagerten grosse Holzfässer, in Halterungen leicht vom Boden abgehoben, damit das Holz nicht faulte, wenn am Boden Wasser lag. Die Keller waren auf vier Seiten um einen zentralen Schacht angeordnet. Dieser mass im Querschnitt 26 Quadratmeter und reichte bis unter die Erdoberfläche am bergseitigen Rand der Einsiedlerstrasse. Dort war die Öffnung überdacht.8 Der Schacht diente zur Kühlung der Felsenkeller mit Natureis. Dieses wurde im Winter in den Weihern der Umgebung – im Reidbachweiher und im Sternenweiher –, aber auch im Hüttnersee, im Klöntalersee und im Mauensee bei Sursee in Stangenform gesägt und mit Ross und Wagen zum Einwurfschacht gefahren. Da das Eis nur langsam abtaute, sorgte es im Sommer für eine konstant tiefe Temperatur. Damit war die Brauerei Wädenswil als eine der ersten schon sehr früh in der Lage, auch im Sommer Bier zu brauen und auszuliefern.

Felsenkeller mit Fundamenten für Lagertanks.

Die Belegschaft der Brauerei Wädenswil vor dem Felsenkeller um 1870.

Die Belegschaft der Brauerei Wädenswil vor dem Felsenkeller um 1890.

Im «Brockhaus» aus dem Jahre 1892 wird die Kühlung von Kellern mit Natureis beschrieben.9 Die Eismenge soll im Durchschnitt der jährlichen Biermenge entsprechen. Pro Hektoliter gebrautes Bier ist im Winter ein Eisvorrat von 100 Kilogramm zu beschaffen. «Vom Lagerkeller ist der Eisraum durch eine leichte, durchbrochene Wand getrennt, durch deren Öffnungen die wärmere Luft an das Eis herantritt und, hier abgekühlt, wieder in den Keller zurückfliesst.» Damit das Schmelzwasser abfliessen kann, muss der Boden nach einer Seite geneigt sein.
Damit die Brauerei Wädenswil ständig über genügend Natureis verfügte, baute man verschiedene Eiskeller. Der erste entstand 1868, ein weiterer 1881, und von 1898 datiert das Eiskellergebäude beim Wasserfall, das später als Fasslager genutzt wurde. Ein Immobilienverzeichnis aus den 1890er Jahren erwähnt ausserdem einen Eisschopf beim Giessbach und einen Eiskeller ob der Bahn.10
 
Kühlung mit Kunsteis
Um vom Natureis unabhängiger zu sein, schaffte die Brauerei Gebrüder Weber im Juni 1887 eine Eismaschine an, die täglich 10'000 Kilogramm Kunsteis produzieren konnte.11 Geliefert wurde sie von der Firma Vaas & Littmann in Halle. Der «Brockhaus» von 1892 beschreibt, wie diese Kältemaschine funktionierte:12 In einem Kessel wird Ammoniakwasser mit Dampf erhitzt. Das Ammoniak wird aus dem Wasser ausgetrieben, in kaltem Wasser abgekühlt und unter Druck kondensiert. Beim anschliessenden Verdampfen des Ammoniaks wird der Flüssigkeit Wärme entzogen; die Temperatur sinkt auf minus 7 bis minus 9 Grad. Die kalte Flüssigkeit durchströmt Kühleinrichtungen und kann zur Eisbereitung verwendet werden. Anschliessend wird das wieder in Wasser gelöste Ammoniak in den Kessel zurückgepumpt.
Die Produktion von Natureis benötigte mehr Kraft und bedingte Anpassungen im Maschinenhaus. Im Sommer 1887 ersetzten die Gebrüder Sulzer, Winterthur, den alten Dampfkessel, und kurz darauf lieferten sie eine leistungsfähigere Dampfmaschine.13 Bereits 1892 nahm die Brauerei eine zweite Eismaschine in Betrieb.
 
Tunnel zum Felsenkeller
Bis 1890 wurde das in Holzfässer abgefüllte Bier mit Ross und Wagen zum Eingang des Felsenkellers beim Giessen-Wasserfall gefahren und dort in die Lagerfässer gepumpt. Zusammen mit Braumeister Georg Bichler-Weber verwirklichen die Gebrüder Weber in den Jahren 1888 bis 1890 ein grosses Bauprojekt: einen 380 Meter langen Stollen, der den Felsenkeller mit dem Sud- und Kühlhaus der Brauerei verband. Zum Teil wurde der Tunnel in den Sandstein- oder Nagelfluhfels gesprengt, zum Teil im Tagbau erstellt. Die Bevölkerung erfuhr von Projekt aus den Gemeinderatsverhandlungen, publiziert im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» am 22. Januar 1889: «Den Herren Gebrüder Weber zur Brauerei wurde bewilligt, für die projektierte Tunnelbaute an dem Fussweg Rothaus – Boller die nötigen Aufgrabungen vorzunehmen, unter Vorbehalt der Sicherung des Fussgängerverkehrs beziehungsweise Absperrung des Fussweges während der Baute. Ebenso wurde die Bewilligung zur Sonntagsarbeit erteilt, in der Meinung, dass während den gottesdienstlichen Stunden nicht gesprengt werden dürfe.»14
Am 1. November 1889 war die Tunnelbaute vollendet und Bauunternehmer Johann Cavallasca stellte Rechnung im Betrag von Fr. 33'227.45.15 Zur selben Zeit lagerten im Felsenkeller 2460 Hektoliter Bier.

Tunneldurchbruch zum Felsenkeller im Jahre 1889.

Der aus dem Fels gesprengte Tunnel.

Dort wo der Tunnel nicht durch hartes Gestein führte, wurden Wände und Decke sorgfältig gemauert. Das Gleis für die beim Bau benötigte Stollenbahn wurde belassen und ermögliche Waren- und Personentransporte mit Karren. Durch im Stollen verlegte Kupferleitungen konnte das Jungbier in den Felsenkeller gepumpt und vor dort zurück zur Abfüllanlage geleitet werden. Leitungen ab Maschinenhaus bedienten später auch das Kühlsystem der Keller und führten elektrische Energie zu.
Der 1890 eingeweihte Tunnel zum Felsenkeller war der besondere Stolz der Brauereibesitzer. Verständlich, dass der Bau mit der Kamera festgehalten wurde. Auch die Presse berichtete darüber, so der «Tages-Anzeiger» im Herbst 1900:16 «Unsere letzte Visite gilt dem Felsenkeller, dem berechtigten Stolz der Brauerei. Ein 300 Meter langer Tunnel führt uns in die grossartigen Kelleranlagen, die freilich eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges sind. Der Felsenkeller, wie er seinesgleichen sucht, ist nicht ein Werk von heute auf morgen, sondern dasjenige jahrzehntelanger sukzessiver Arbeit. Der Bau wurde schon im Jahre 1858 vom Vater der jetzigen Besitzer und Begründer der Brauerei begonnen und erst 1884 in seiner jetzigen Gestaltung vollendet. Die Vergrösserung erfolgte sukzessive mit der Ausdehnung und dem Aufschwung der Brauerei. Der ausgedehnte Sandsteinfelsen machte die Anlage eines Bierkellers, der trocken sein muss, besonders geeignet, und so wurde dieses Steingebilde unterminiert und ausgesprengt. In gewaltigen Fässern, die allein ein schönes Vermögen repräsentieren, sind vielleicht 30 000 Hektoliter durchaus trocken, was die Ausreife des Bieres ausserordentlich günstig beeinflusst.»

Spätere Veränderungen im Felsenkeller
Die im Staatsarchiv Zürich deponierten Akten der 1990 aufgelösten Brauerei Wädenswil geben nur spärliche Hinweise auf spätere Veränderungen im Felsenkeller.17
 
1924
Die Firma Sulzer installiert einen neuen Eiskompressor.

1926 bis 1932
Grosse Umbauten im Felsenkeller, Erschliessung der oberen Geschosse durch ein Treppenhaus. Nach dem Einbau einer Beton-Konstruktion im ehemaligen Eisschacht kann auch dieser Raum zum Lagern von Bier benützt werden.
 
1926
Umfangreiche bauliche Veränderungen im Felsenkeller für die Erstellung moderner Lagergefässe aus Eisenbeton nach System des Schweizer Unternehmens Borsari.

Einst eine wichtige Innovation.

Im zentralen Eisschacht wurde um 1930 zur Lagerung von Fässern eine Betonkonstruktion eingebaut.

1929/30
Einbau eines grossen Tanks System Rostock & Bärlocher.
 
1940–1945
Während des Weltkriegs werden weniger geeignete Gefässe aus dem Felsenkeller entfernt und verkauft. Die Lagerkapazität sinkt dadurch von 52 000 Hektolitern auf 40 000 Hektoliter.18
 
1953
Für den Felsenkeller werden 16 Aluminiumtanks angeschafft. Diese ersetzen 16 alte Ringlagertanks.19
 

Email-Tanks im Felsenkeller.

Aluminium-Tanks im Felsenkeller.

Felsenkeller mit Halterung für liegende Fässer und Kühlvorrichtungen an den Wänden.

1956/57
Im Felsenkeller werden neue Tanks mit einem gesamten Fassungsvermögen von 5400 Hektolitern montiert. Die Kapazität des Felsenkellers wird dadurch auf 43 390 Hektoliter erhöht. Der mit einer modernen Kühlanlage versehene Felsenkeller gilt als bester Keller der Brauerei.20

1957
Der an der Einsiedlerstrasse gelegene, zum Bierkeller führende überdachte Schacht, in den einst das zum Kühlen benötigte Natureis eingeworfen wurde, wird längst nicht mehr benützt. Die Brauerei verkauft das 26 Quadratmeter messende Grundstück an die Tuchfabrik Wädenswil AG, in deren Areal es liegt. Das Dach wird abgebrochen, der Schacht abgedeckt und die Lücke in der Umfassungsmauer entlang der Einsiedlerstrasse zwischen den Liegenschaften Tannstrasse 3 und Einsiedlerstrasse 24 geschlossen.21
 

Blick vom Treppenhaus gegen den einstigen Eisschacht und Lagerraum.

Ehemaliger Ausgang ins Brauerei-Areal, heute geschlossen und mit Erde hinterfüllt.

Tunnel mit Geleisen und Transportwagen, 2008.

1960
Zur Erhöhung der Lagerkapazität um zirka 6000 Hektoliter werden die Gewölbe des Felsenkellers ausgeweitet und die Oberfläche überarbeitet. Insgesamt können nun 48 000 Hektoliter Bier gelagert werden. Verbesserung der Beleuchtung durch die Installation von Neonröhren.22
 
1962
Da sich die Betontanks im Felsenkeller nicht bewährt haben, sollen sie abgebrochen und durch Aluminiumtanks ersetzt werden, die gleichzeitig die Lagerkapazität erhöhen.23
 
1963
An der Sitzung vom 5. September ist zu erfahren, der Abbruch der alten Betontanks, der Ebonblocks, sei vollendet worden. Der Einbau der neuen Tanks soll nach Neujahr 1964 erfolgen. Ende August 1964 sind die Arbeiten abgeschlossen.24

1971
Einem Bericht im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» sind folgende Informationen über den Felsenkeller zu entnehmen: «Während das Bier früher in altehrwürdigen Eichenfässern lagerte, so ist der Keller jetzt mit 69 modernen Aluminiumtanks ausgelegt, die ein Fassungsvermögen von 15 522 Hektolitern aufweisen. Die Kühlung erfolgt durch die Kompressoren im Maschinenhaus.»25
 

1990er Jahre bis 2008
Nach der Schliessung der Brauerei im Jahre 1990 werden die Felsenkeller nicht mehr benützt und mit dem gesamten Areal verkauft. Die Aluminiumtanks werden abgebrochen, nur die gemauerten Fundamente der Auflager bleiben erhalten. Ein Teil des Kellers wird einem Käsehändler als Lagerraum vermietet.
Im Zusammenhang mit den Neubauten «Lagomio» auf dem Brauereiareal wird das Haus Schmidgass 6 mit dem seeseitigen Zugang zum Tunnel abgebrochen. Ein Teil des Stollens stürzt ein. In den Felsenkellern nimmt die Feuchtigkeit zu; Leitungen, Röhren und Schalter rosten. Es ist zu hoffen, dass für den Fortbestand der Felsenkeller, die von der Denkmalpflege als industrie-archäologisch bedeutend eingestuft worden sind, bald eine allseits befriedigende Lösung gefunden wird.

Die Leitungen rosten.




Peter Ziegler


ANMERKUNGEN

1 StAZH, W I 53.24.
2 StAZH, W I 53.27.
3 Albert Hauser, Aus der Geschichte der Brauerei Weber in Wädenswil, Wädenswil 1957, S. 15. – Stadtarchiv Wädenswil, Gemeinderatsprotokoll 1858, S. 132.
4 StAZH, W I 53.20.
5 Preis für 1 Pfund Emmentaler: 72 Rappen, für 1 Kilogramm Brot 44 Rappen.
6 Albert Hauser, S. 20.
7 Albert Hauser, S. 24.
8 StAZH, W I 53.20. Immobilienverzeichnis aus den 1890er Jahren, S. 31.
9 Brockhaus, Bd. 5, Leipzig 1892, S. 949/950.
10 StAZH, W I 53.20.
11 Albert Hauser, S. 36.
12 Brockhaus, Bd. 5, Leipzig 1892, S. 952/953.
13 Albert Hauser, S. 36.
14 «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», Nr. 9 vom 22. Januar 1889.
15 StAZH, W I 53.20, Rechnung S. 3.
16 «Tages-Anzeiger», 27. Oktober 1900.
17 StAZH, W I 53.19, Jahresberichte.
18 StAZH, W I 53.12.3. Protokoll vom 8.12.1956.
19 StAZH, W I 53.12.2. Protokoll vom 12.12.1953. – StAZH, W I 53.14. Sitzung Ausschuss vom 12.10.1953.
20 StAZH, W I 53.24. Ansprache Dr. Dieter Iselin, 7. und 11. Mai 1957. – StAZH, W I 53.12.3. Protokoll vom 8.12.1956.
21 StAZH, W I 53.83, S. 31.
22 StAZH, W I 53.14. ProtokolleAusschuss vom 12.8.1959, 3.3.1960, 21.4.1960.
23 StAZH, W I 53.12.3. Protokoll vom 8.12.1962.
24 StAZH, W I 53.15.
25 «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 25.5.1971. – StAZH, W I 53.25.