Die Wädenswiler Mammutbäume

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1983 von Fritz Schwarzenbach

In Wädenswil stehen einige Mammutbäume – Abkömmliche jener Nadelbäume, die in ihrer kalifornischen Heimat bis über 100 Meter hoch und in einzelnen Exemplaren mehrere tausend Jahre alt werden. Am bekanntesten sind wohl die beiden im Hof der Eidgenössischen Forschungsanstalt, und der auf dem Plätzchen zwischen Zuger- und Gerbestrasse. Diese Bäume gehören zu einer recht alten Pflanzengruppe, kannte doch der Glarner Naturforscher Oswald Heer (1805-1883) aufgrund von Versteinerungen 26 verwandte Arten, die zum grossen Teil schon im Erdmittelalter (Jurazeit) vor 160 Millionen Jahren lebten. In der frühen Neuzeit (Miozän) vor 60 Millionen Jahren fanden sich Wälder in Nordamerika, Europa, Asien und Australien. Nach den Eiszeiten blieben nur drei Arten am Leben, zwei in Kalifornien und eine in China.
Der Küstenmammutbaum Sequoia sempervirens war schon um 1769 den spanischen Franziskanermissionaren bekannt, die von Mexiko der Westküste nach nordwärts bin in die Gegend des heutigen San Francisco zogen. Sie nannten sie Rotholz, der Name blieb als Redwood bis heute erhalten. Die meisten Bäume dieser Art erreichen Höhen von 90 bis 100 Meter, der höchste 120 Meter. Die Stämme haben am Grunde dreieinhalb bis sechs Meter Dicke. Steht man am Fuss dieser Riesen, gleitet der Blick dem Stamm nach aufwärts bis zu den erst in 40 Meter Höhe beginnenden Ästen und hinauf zu den Wipfeln, die den Wädenswiler Kirchturm (64 m) weit überragen, so fühlt man sich klein, vor allem wenn man sie mit neben ihnen stehenden Menschen vergleicht. Das Holz ist widerstandsfähig gegen tierische und pflanzliche Schädlinge, ein ausgezeichnetes Bauholz. Aus einem einzigen Stamm des Küstenmammutbaumes lassen sich zwei Häuser mit fünf Zimmern bauen.
Oswald Heer berichtete 1880 in einem Vortrag über den Ursprung der lateinischen Bezeichnung Sequoia. Der Wiener Botaniker Stephan Endlicher war 1846 mit einer Zusammenstellung der Nadelbäume der Erde beschäftigt. Der junge Glarner Naturforscher Johann Jakob Tschudi (1818-1889) weilte in jener Zeit in Wien, und als Endlicher einen Namen für die Mammutbäume suchte, machte ihn Tschudi auf einen Indianer vom Stamm der Cherokesen namens Sequo Yah (1760-1843) aufmerksam, der, obschon er nie mit der westlichen Kultur in Berührung gekommen war, um 1800 ein Silbenalphabet für die Indianersprachen schuf, das 86 Zeichen zählte und lange in Gebrauch war. Nach dessen Namen entstand nun in leicht abgeänderter Form die Bezeichnung Sequoia, die sich gegenüber der in England verwendeten «Wellingtonia» durchsetzte.
Verbreitungskarte der nordamerikanischen Mammutbäume in Kalifornien (aus Kammermeyer)

Riesenmammutbaum im Yellowstone Park, Kalifornien.
Die Küstensequoienwälder ziehen sich in einem Streifen, der sich nirgends weiter als 50 Kilometer vom Meer ausdehnt, von südlichen San Francisco rund 700 Kilometer nach Norden. Ein kleiner Teil ist heute als Nationalpark geschützt, in den übrigen Gebieten wird das Holz genutzt. In unserer Gegend findet man diesen Mammutbaum nur vereinzelt, ein grösseres Exemplar steht in der Seeanlage in Zürich in der Nähe des Eingangs vom Bahnhof Enge, eine Hängeform im Grünenbergpark in Wädenswil.
Nachdem schon Reisende 20 Jahre früher von Riesenbäumen in der Sierra Nevada berichtet hatten, erfuhr man erst 1853 näheres, als William Lobb im Auftrag einer englischen Samenfirma Kalifornien bereiste und Samen und junge Pflanzen des Riesenmammutbaumes nach Europa sandte. Rasch wurden in Europa und den Vereinigten Staaten Säumlinge verbreitet. Der Baum erhielt den Namen Sequoia gigantes, 1939 beschrieb ihn der Amerikaner John Theodor Buchholz als eigene Gattung mit dem Namen Sequoiadendron giganteum, eine Bezeichnung, die heute allgemein gültig ist. Die beiden Bäume im Hof des Schlosses stammen wohl aus den 1850er Jahren. Zwar erreichen die Mammutbäume in der Sierra nicht ganz die Höhe der Küstensequoia, der höchste wurde mit 103 gemessen, die meisten mit 80 bis 90 Metern. Die Durchmesser in Brusthöhe betragen 9 bis 12 Meter, wobei die Borke 30 bis 60 Zentimeter misst. Das Holz soll für Bauzwecke weniger gut geeignet sein; es ist lockerer. Doch teilte mir Förster Werner von der forstlichen Forschungsanstalt in Birmensdorf mit, dass im Kanton Aargau ein durch den Sturm gefällter Stamm ein sehr schönes Getäfer für ein Restaurant lieferte.
Für die neun grossen Wädenswiler Bäume hat Herr Werner folgende Masse bestimmt:
  Umfang  
  Höhe Boden in 1,5 m Gepflanzt
  m m Höhe vor Jahren
Schlosshof nördlicher Baum 36 9,6 6,53 125-130
Schlosshof südlicher Baum, Blitzschaden 29 8,58 6,12 125-130
Garten im Boller, Blitzschaden 24 7,12 5,46 ?
Walfischanlage 35 7,42 4,88 ?
Garten W. Schöberlein 36 6,82 4,93 68-73
Gerbestrasse 35 7,95 5,32 ?
Park Treichler, Neuhof 35 8,32 6,16 zirka 115
Grünenbergpark 33 7,00 5,07 zirka 70
Bollerliegenschaft Au 32 7,18 5,07 zirka 70
Mammutbaum an der Gerbestrasse und im Park Neuhof.

Wahrscheinlich wurden Bäume im Alter von vier bis acht Jahren gepflanzt, so ist das heutige Alter entsprechend höher anzusetzen als die Pflanzzeit.
Eine ansehnliche Zahl Mammutbäume stehen in Horgen. Nach den Aussagen von Carl Trüb sen. wurden die meisten Bäume um die Jahrhundertwende gepflanzt.
Es hat den Anschein, dass die Höhe um 35 Meter ein gewisses Maximum darstellt, dass der spätere Zuwachs vor allem ein Dickenwachstum ist wie die drei ältesten Bäume in der Zusammenstellung zeigen, die in Brusthöhe rund zwei Meter Durchmesser haben. Dies bestätigt auch ein Vergleich der Umfangsmessungen, die Dr. Hans Anliker 1967 durchführte, mit den heutigen, mass der nördliche der Bäume im Schlosshof doch damals an der Basis 9,20 Meter in 1,5 Meter Höhe 8,49 Meter, der südliche 8,29 Meter und 5,92 Meter. Wie sich die Mammutbäume bei uns weiterentwickeln werden ist ungewiss. Ob ihr Längenwachstum doch noch weitergehen wird, ob sie noch einige hundert Jahre leben werden oder gar tausend Jahre – der älteste gefällte in der Sierra wies 4000 Jahrringe auf - , lässt sich nicht voraussagen.
Und noch zur dritten Überlebenden der Eiszeit, der in China lebenden Metasequoia glyptostroboides. In ihrer Heimat erreicht sie 30 bis 35 Meter Höhe. In Wädenswil finden wir sie in Exemplaren von 10 bis 12 Metern Höhe und einem Alter von etwas über 20 Jahren in der Eidgenössischen Forschungsanstalt, vor dem Eingang zum Sekundarschulhaus bei der Plastik eines Knaben und in den Gärten von Dr. Fritz Kobel und Rudolf Bachmann an der Tobelrainstrasse.
Nun bleibt mir noch der Dank an alle, die mir bei dieser Arbeit geholfen haben, vor allem den Besitzern der Gärten, in denen diese Bäume stehen, Herrn Werner für die Messungen, Herrn Steck von der Forschungsanstalt, der mir die Angaben von Dr. Anliker vermittelte, Herrn Dr. Fritz Kobel für seine Mitteilungen über Metasequoia.
 




Dr. Fritz Schwarzenbach


Literatur

Hans F. Kammeyer: Mammutbäume. A. Ziemsenverlag Dresden, 1960.
James Clifford Shirley: The Redwoods of Coast and Sierra. University of California Press Berkley, 1937.
Oswald Heer: Über die Sequoien, 1880.
J.R. Hildebrand: Californias Coastal Redwood Realm. The National Geographic Magazin Februar 1939.