Umbau des Bahnhofs in der Au

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1988 von Kurt Schreiber

Schon seit längerer Zeit – wenn auch mit Unterbrüchen – hat ein Verwandlungsprozess eingesetzt. Bereits 1980 wurde das noch aus der Nordostbahnzeit stammende, über 100 Jahre alte und heimelige Stationsgebäude abgebrochen, um einem neuzeitlichen Gebäude platz zu machen.
Sonst aber blieb alles beim alten, nur das alte Stellwerk mochte nicht mehr so recht zum modernen Empfangsgebäude passen. Eingeweihten war aber klar, dass es früher oder später ebenfalls weichen musste. Der eigentliche Baubeginn im Bahnhof Au zeichnete sich vor etwa zwei Jahren ab, als neben dem Güterschuppen ein Güterwagen abgestellt wurde, der quer zu den Geleisen stand und als Materialmagazin diente. So begannen die eigentlichen Arbeiten mit der Neuanlage der Oberleitung. Neu, in kürzeren Abständen angeordnete Masten ersetzten die bisherigen. Tragseil und Fahrleitung sind verspannt, was höhere Geschwindigkeiten ermöglicht. Anschliessend legten Baudetachemente der SBB neue Geleise und montierten neue Signale, die jedes Durchfahrtsgeleise in beiden Richtungen absichern. Anstelle der Weichenlaternen zeigen nun Zwergsignale die Stellung der Weichen an.

Das Ende der Semaphore und Spannböcke

Damit haben die Semaphore am Bahnhof Au seit dem Frühlingsanfang 1988 ausgedient. Semaphore – oder auch Flügelsignale genannt – zeigten dem Lokomotivführer mit der Stellung des Flügels an, ob die Strecke frei ist. Wen ja, wies der Flügel schräg nach oben, wenn nein, so war er im rechten Winkel zum Mast angeordnet. Sollte die Fahrt über ablenkende Weichen führen, zeigten dies gar zwei Flügel schräg nach oben an. Des Nachts leuchtete eine Lampe entsprechend der Semaphorstellung: Grün für freie Fahrt, rot für Halt und orange für Ablenkung.
Angetrieben wurden diese Semaphore durch Drahtzüge, die über Spannböcke und kleine Rollenständer zum Stellwerk führten Die Spannböcke hatten die unterschiedlichen Spannungen der Drähte infolge Temperaturschwankungen auszugleichen, ausserdem hielten sie Signal oder Weiche in der zuletzt gewählten Stellung fest – besonders wichtig bei Störungen. Die wie Hammerwerke aussehenden Spannblöcke sorgten damit für einwandfreies Funktionieren der Weichen oder Signale über grössere Distanzen.

Stellwerk einst und jetzt

Mit dem erwähnten Drahtzugsystem – bedient im Stellwerk mit Muskelkraft – sind bei jeder Zugsfahrt zuerst die Weichen zu stellen – jedes Mal eine Hebewirkung, die einer Last von mehr als 30 Kilogramm entspricht – anschliessend ist die durch Weichenstellung entstandene Fahrstrasse zu verriegeln. Dies sichert die gewählte Fahrstrasse für die vorgesehene Zugdurchfahrt. Erst jetzt lässt sich der Semaphor – wieder durch Muskelkraft – auf «Fahrt» stellen. Die Weichen können erst dann wieder umgelegt werden, wenn der Zug das Signal passiert hat.
Das Stellwerk des Bahnhofs Au wurde 1925 von der Schweizerischen Stellwerkfabrik in Wallisellen gebaut und im Laufe der Zeit immer wieder den sicherheitstechnischen Bedürfnissen angepasst. Auch das neue Stellwerk des Typs «Integra Domino 67» kommt aus Wallisellen. Es wird die erwähnten Funktionen ebenfalls ausführen, und zwar durch einen Knopfdruck der Start- und Zieltaste auf dem Gleisbildstellwerk. Dies bewirkt automatisch die richtige Stellung der Weichen, die Absicherung der Fahrstrasse, die nach Durchfahrt des Zuges wieder aufgelöst wird. Das Stellwerk lässt sich auf automatischen Betrieb umschalten, was bewirkt, dass die Signale und Weichen von Zürich aus fern- oder durch die Züge selbst angesteuert werden.
Der 1980 abgebrochene Bahnhof Au.
Seit Ende August 1988 Vergangenheit: Bahnhofvorstand Arthur Alder fertigt einen Zug mit der Kelle ab.

Perronumbau – Drei Stufen mehr

Kaum waren die sicherheitstechnischen Arbeiten abgeschlossen und die alten Einrichtungen abtransportiert, begann der Umbau der Perron- und Geleiseanlagen. Als erstes wurde das Durchfahrtsgeleise Richtung Chur gesperrt, in Richtung Zürich hatten die Passagiere beim Stationsgebäude einzusteigen. Um den Doppelspurbetrieb aufrecht zu erhalten, schufen die Geleise- und Weichenmonteure provisorische Schienenverbindungen. Diese Anpassungsarbeiten hatten des Nachts zwischen dem letzten und ersten Zug zu erfolgen. Dann erst begann die Entfernung des alten Geleises und des alten Schotters, der nach Zweidlen in eine Deponie geführt wurde. Das Trassee des Geleises wurde saniert, der Grund ausgeebnet, darauf eine Geotextilmatte eingebracht, darüber Sand geschüttet und neuer Schotter eingebaut. Die neuen Geleise sind mit Betonschwellen ausgerüstet und liegen nun etwas höher als die alten. Der Bahnsteig liegt nun 55 Zentimeter über der Schienenoberkante, was ein bequemes Ein- und Aussteigen ermöglicht. Dafür haben die aus der Unterführung kommenden Passagiere drei Treppenstufen mehr zu erklimmen. Am westlichen Ende musste das Perrondach etwas angehoben werden, weil sich der Boden im Laufe der Jahrzehnte leicht abgesenkt hatte und weil es dem Lichtraumprofil der Doppelstockwagen angepasst war. Mitte Juni 1988 war der Umbau des Durchfahrtsgeleises Richtung Chur abgeschlossen. Nach dem gleichen Vorgehen erneuerten die Mitarbeiter der SBB und lokalen Bauunternehmungen auch das Durchfahrtsgeleise Richtung Zürich. Ende August waren diese Arbeiten abgeschlossen, und die Langsamfahrstelle im Bahnhof Au konnte endlich aufgehoben werden. Das Wartehäuschen steht wieder auf dem Perron, es wird durch eine Lautsprecheranlage ergänzt. Neu fertigen die Zugsbegleiter die Züge ab, das Abfertigungssignal erteilt nun den Abfahrtsbefehl. Damit gehört auch der Bahnhofsvorstand, der dem Lokomotivführer mit der schwenkenden Kelle den Abfahrtsbefehl erteilte, der Vergangenheit an.

So ging es früher: Handstellhebel für Signale und Weichen.
Oben: Einpassen der Begrenzungselemente für den neuen 55 Centimeter hohen Bahnsteig. Unten: Zum ersten und wohl auch letzten Mal durchfährt die BLS-Lok Ae 8/8 mit einem Sonderzug den (fast) fertig umgebauten S-Bahn-Bahnhof Au (14. August 1988).
 

Landstation Au Ade – Grüezi S-Bahn Bahnhof Au

Damit hat die alte Landstation Au endgültig ausgedient, verschwunden sind der Stellwerksvorbau mit den markanten Stellwerkhebeln, die Spannböcke, das «Ding-dong» der Bahnhofsglocken und die Semaphore, deren Flügel, plötzlich von Geisterhand gesteuert, in die Höhe gingen. Damit verschwindet ein weiterer Hauch von Nostalgie und Eisenbahnromantik.
Die S-Bahn-Komposition «Mirage» fährt an den umgebauten Perron des S-Bahn-Bahnhofs Au.

Das mag man bedauern, hingegen bleibt das Ausfahrtssemaphor Richtung Chur der Nachwelt erhalten: Es steht im Garten an der Neugutstrasse 14 in Wädenswil, wo es auch von der Strasse aus sichtbar ist.
Auf der anderen Seite ist die neue Anlage wesentlich leistungsfähiger: die Bedienung wird vereinfacht, der Zugang zu den Zügen bequemer, die Sicherheit und nicht zuletzt die Geschwindigkeit der Züge erhöht. Alle werden davon profitieren – die Au hat jetzt einen Bahnhof, der den Erfordernissen der S-Bahn angepasst ist.




Kurt Schreiber