Der Bauerngarten auf der Au

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1976 von Albert Hauser

Das Wort Garten heisst in seiner ursprünglichen Bedeutung «Zaun». Diese Vorstellung liegt uns heute fern. Doch weisen gerade die ländlichen Quellen immer wieder darauf hin, dass es einst darum ging, ein Stück Land von der genossenschaftlichen Flurnutzung auszunehmen und als Sondernutzungsgebiet zu erklären.
Im Hochmittelalter mehren sich die Angaben über den Gartenbau in unserem Land. So wird etwa in den Urkunden aus der Zeit um 1290 immer wieder vom Haus, der Hofstatt und dem dazugehörigen Garten gesprochen. Oft ist auch die Rede von Bohnen, Erbsen sowie von Bohnenzinsen. Um 1284 schuldeten die Altdorfer der Äbtissin von Zürich einen Gemüsezins. Bäuerliche Gärten gab es im 13., 14. und 15. Jahrhundert indessen nicht nur auf der Landschaft, sondern auch in den Städten, und zwar innerhalb wie ausserhalb der Mauern.
Entscheidende Anregungen erhielt der bäuerliche Garten vom italienischen Renaissancegarten. Ihn lernten schweizerische Kaufleute auf ihren Reisen in Italien kennen. Nach Hause zurückgekehrt, bauten einige von ihnen prächtige Palazzi mit den dazugehörigen Gärten. Manche Elemente des heutigen Bauerngartens gehen ebenso sehr auf den Renaissancegarten wie auf den Klostergarten zurück, nämlich die strenge Beet- und Wegeinteilung, die Einfassung mit Buchs, die Dreiteilung Gemüse, Gewürze und Blumen. Eine weitere Bereicherung brachten die Humanisten. Conrad Gessner beschreibt 1559 in seinem Buch «De hortis germaniae» bürgerliche und bäuerliche Gärten. Er war ausserdem − ähnlich wie der Luzerner Renward Cysat (1545 bis 1614) − bestrebt, neue Gemüse- und auch Blumensorten aus dem Ausland zu beziehen und zu kultivieren.
Die Gartenkenntnisse wurden vermehrt und verbreitet durch eine eigentliche Gartenliteratur. Zu nennen ist hier unter anderem «Der Pflantz-Gart» des Berners Daniel Rhagor, erschienen 1639. In dieser Garteneinleitung wird der Obst-, Kraut- und Weingarten behandelt. Um 1705 erschien in Basel die «Georgica Helvetica curiosa» von Emanuel König. Sie schildert im Einzelnen, wie der Garten anzulegen und der Boden zuzurüsten sei. Dazu kam um 1715 der «Eydgnössische Lustgarten» des Zürchers Johannes von Muralt. Dieser Autor gibt an, welche Gemüse, Gewürze und Blumen sich damals in unseren Gärten befanden: die Schwarzwurzel − sie war damals noch ziemlich selten −, sodann Borretsch, Salbei, Wallwurz, Violen, Pastinak, Artififi, Blauer Bocksbart, Kürbis, Stielmangold, Peterli, Lavendel, Estragon, Mönchsrhabarber, Fleischkraut, Tomate (neu) und das grosse Peterskraut. Von grösstem Einfluss auf die Gartenkultur war das Wirken der Ökonomen. Ihr Vorbild, der Musterbauer Keinjogg, hielt ganz besonders viel auf den Gartenbau, dem er ausserdem einen pädagogischen Zweck beimass. Im Garten konnten sich die Kinder auf den Landbau vorbereiten und ihre Erfahrungen sammeln. Wie die Wädenswiler Gärten aussahen, wissen wir aus dem Islerschen Plan von 1769.
Der 1976 angelegte Bauerngarten auf der Halbinsel Au.

Eine grosse Bedeutung wurde dem bäuerlichen Garten im 19. Jahrhundert beigemessen. Nach dem Urteil von Gerold Meyer von Knonau erreichte der Gartenbau im Kanton Zürich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine verhältnismässig hohe Stufe. Grosse Fortschritte habe überall die Blumenkultur gemacht: «Durchreisende Ausländer werden von den mit Blumen und Gemüse besetzten Gärten, ohne welche am Zürcher See beinahe kein Haus ist, und wo die Frauen und Mädchen wahre Gärtner sind, oft sehr angezogen.»
Der Bauerngarten des 20. Jahrhunderts ist von zwei Strömungen gekennzeichnet: Neue Pflanzensorten und eine rationelle Betriebsführung drängen auf Umwandlung und Verwandlung, oft sogar Aufgabe des Gartens. Mancher Garten ist auch der Strassenverbreiterung zum Opfer gefallen. In recht vielen Fällen hat die intensive Mitarbeit der Bäuerin im Betrieb zu einer Reduktion der Gartenarbeit geführt. Auf der anderen Seite sind erhaltende Kräfte am Werk. Zahlreiche Bauernfamilien wissen, dass der Garten wie das Haus zur bäuerlichen Kultur gehört und dass er nicht nur eine nützliche, sondern auch eine ästhetische Funktion zu erfüllen hat. 1975 gab es in der Schweiz noch Hunderte von klassischen und traditionellen Bauerngärten. Besonders zahlreich sind sie im Emmental anzutreffen. Aber auch im Kanton Zürich kennt man noch einige schöne klassische Bauerngärten. Zu ihnen gehört u. a. der Garten Zuppinger in Wädenswil.
Das äussere Bild der traditionellen klassischen Bauerngärten ist gleich geblieben, das heisst, der Garten ist durch ein kreuzförmiges Wegnetz grob eingeteilt. In der Mitte kommt in sehr vielen Fällen eine Rondelle hinzu, ein Element, das schon in römischen wie auch in den Renaissance- und Barock-Gärten anzutreffen ist. Die Beete sind mit Buchs eingefasst und die Wege entweder bekiest oder mit Gerberlohe beziehungsweise Sägereischnitzeln bedeckt. Dieser Belag hat nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine nützliche Funktion. In solchen Gärten ist keine Schneckenplage anzutreffen, weil die Schnecken dieses Hindernis nicht überwinden können.
Es ist recht erfreulich, dass es immer noch viele Bäuerinnen und Bauern gibt, die den Wert des alten Bauerngartens kennen, die wissen, dass er ein Stück bäuerlicher Kultur ist. Wie wird die Zukunft aussehen? Werden die nächsten Generationen es ebenso halten? Um den Gedanken wachzuhalten, wurde im Frühling 1976 der Bauerngarten auf der Au eingerichtet. Er soll Modell sein und Garant dafür, dass dieses Kulturgut nicht verlorengeht.
Er entspricht in der Einteilung (Wegkreuz), der Einzäunung (Scheienhag) und der Bepflanzung dem traditionellen Bauerngarten mit Heil- und Gewürzpflanzen, Blumen und Gemüse. Die mit * bezeichneten Pflanzen waren schon im alten Zürcher Bauerngarten von 1840 vorhanden.

Buchshecken begrenzen die Beete.

Blumen

Im alten Bauerngarten dominierten die Rosen (u.a. die Rosa centifolia) sowie die Lilien. Später kamen hinzu: Garbe (Achillea filipendula L.) *, Steinnelke, Laternli, Lampionblume (Physalis franchetii L.) *, Nelke *, Leberblümchen (Hepetica) *, Steinkraut (auch Bauernsenf, Alyssum) *, Schleifenblume (Iberis L.) *, Blaukissen (Aubrietia), Astern (Aster novibelgii und Aster frikartii), Freiland- Winteraster (Chrysanthemum indicum), Lilie (Iris) *, Spornblume (Centranthus), Wolfsbohne (Lupine) *, Rittersporn *, Tränendes Herz (Dicentra Spectabilis L.) *, Trol blume *, Akelei *, Fingerhut *, Eisenhut *, Kugelprimel (Primula denticulata Sm.), Schlüsselblume (Primula veris L.) *, Sternblume (Bergenia) *, Glockenblume (Campanula persicifolia L.)*, Phlox, Pfingstrose*. Zu den alten Schlingpflanzen gehörte das Geissblatt*.
Schon im Bauerngarten von 1840 gab es Gemüse: Rosenkohl *, Kabis *, Wirz *, Kohlraben *, Blumenkohl *, Mangold * , Schnittmangold, Karotte *, Zichorie *, Höckerli *, Sellerie *, Lauch *, Tomate *.
An Beeren und Nutzstielpflanzen waren vorhanden: Johannisbeere *, Stachelbeere *, Rhabarber * .




Prof. Dr. Albert Hauser