175 Jahre Sparkasse Wädenswil, 1816–1991

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1991 von Peter Ziegler

Die Gründung

Im Hungerjahr 1816 beschlossen die Mitglieder der Donnerstag-Gesellschaft Wädenswil, im Kampf gegen die Armut eine «Ersparungs-Cassa» zu gründen. Unter dem Präsidium des Pfarrers Paul Philipp Bruch (1767–1818) fanden sich 17 führende Männer der damaligen Wädenswiler Wirtschaft und Politik zusammen.
Organisation, Einrichtung und Statuten wurden in der Gemeinde durch ein Flugblatt bekanntgemacht; ausserdem hielt Pfarrer Bruch am 26. April 1816 eine «passende» Predigt, in welcher er sein von ihm präsidiertes neues Kreditinstitut empfahl. Ein Geschäftslokal gab es nicht; die Sparer brachten ihr Scherflein in das Haus eines Einnehmers. Als Ausweis für die Einzahlung erhielt der Kunde einen Empfangsschein; das Sparkassabüchlein war noch unbekannt. Ende Januar wurden die Empfangsscheine jeweils gegen einen «Generalgutschein» ausgetauscht, auf dem auch der Zins, anfänglich 4 Prozent, vermerkt war.
Die Neugründung sollte vor allem «Hilfsquelle für die unterbemittelte Klasse» sein. Nach einem Jahr zählte die Sparkasse bereits hundert Einleger, darunter sieben Fabrikarbeiter, vierzehn Knechte und Mägde sowie sieben Kinder. 1821 gab es schon 292 Einleger. Davon stammten 265 aus der eigenen Gemeinde, 65 waren Kantonsbürger, und 22 wohnten in anderen Kantonen. Ursprünglich erhielten nur die Bürger von Wädenswil einen Kredit; ab Herbst 1817 berücksichtigte man auch Interessenten aus den Nachbargemeinden.

Pfarrer Paul Philipp Bruch, 1767-1818, Gründungspräsident der Sparkasse Wädenswil. Porträt aus dem Jahre 1816.

Beschwerlicher Aufstieg

Der Aufstieg der Sparkasse in den ersten fünfzig Jahren war dornenvoll. Nicht alles ging nach Wunsch. 1834 fiel der Sparkasse aus einem Konkurs das Badhaus zu, das spätere Haus «Bierquelle» (Seestrasse 41). Da sich kein Käufer fand, übernahm man das Haus, verpachtete es und hielt hier fortan die Sitzungen ab. Dies vorzüglich bei Vollmond, um wegen der schlechten Strassenbeleuchtung keine Unfälle zu provozieren. Bis 1836 war die Donnerstag-Gesellschaft identisch mit der Sparkasse, dann löste sich erstere auf. Während man am Donnerstag als Sitzungstermin festhielt, löste man sich von der Bindung zur Kirche. Bis 1841 waren die Jahresrechnungen jeweils vom Pfarrer im Gottesdienst bekanntgegeben worden. Im Mai 1842 wurde die Bilanz erstmals im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» publiziert.
Nachdem 1840 der Kassier Gelder veruntreut hatte, musste die Sparkasse 1852 einen weiteren Verlust hinnehmen. Da der offenbar zu hoch belehnte Gasthof zur Krone einging, hatte ihn die Sparkasse auf einer Gant für 45 210 Franken zu übernehmen. Der Verkauf erwies sich als schwierig. Schliesslich war man froh, das Haus für 33 600 Franken an die Gebrüder Zinggeler verkaufen zu können. 1854 konnte der Vorstand mit der Bilanz aber wieder zufrieden sein. Um noch effizienter arbeiten zu können, beschloss er eine Reorganisation.

Fortschrittliche Gesinnung

Mit der Statutenrevision von 1854 wurde die Organisation gestrafft. Das Direktorium fiel weg, und es gab von nun an einen Vorstand von sieben Mitgliedern. Die Gesellschaft wählte Buchhalter, Kassier und Aktuar; die übrigen vier Mitglieder hatten als Einnehmer zu walten.
Die Sparkasse beteiligte sich wiederholt an in Wädenswil neu gegründeten Aktiengesellschaften: an der Sekundarschule, am Waisenhaus, der Strassenbeleuchtungsgesellschaft, an der Gasfabrik, an der Wasserversorgungsgesellschaft und an der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums von 1866 betrug die Bilanzsumme 1,6 Millionen Franken, und im Reservefonds befanden sich 85 270 Franken. Alter Tradition entsprechend, machte man in diesem Jahr recht grosszügige Vergabungen.
Mit der Statutenrevision von 1870 verschwanden die Einnehmer, und an ihre Stelle traten zwei hauptamtliche Verwalter. Dem einen unterstand der Kreditoren- oder Einlegerverkehr, dem andern der Kapital- oder Hypothekar-Sektor.
Das neue Schweizerische Obligationenrecht und eine Verordnung betreffend das Handelsregister verlangten eine genaue Umschreibung von Struktur und Ziel. Die Statuten von 1892 brachten sie. Für allfällige Schulden der «Sparkassa-Gesellschaft Wädensweil» haftete fortan allein das Gesellschaftsvermögen. Nach dem verlustreichen Verkauf von SOB-Papieren wurden jetzt meist Staatsobligationen des Kantons Zürich, Kassascheine der Eidgenossenschaft und Anleihen der Gemeinde Wädenswil erworben.
 
Gutschein auf die «Ersparungs-Cassa Wädensweil», 1854.

Die Sparkasse um 1900

Um 1900 dominierten Zukunftsfreude und unbegrenzter Optimismus. Die neue Wirtschaftsgesinnung äusserte sich auch in veränderten Lebensverhältnissen; das Dorfbild wandelte sich. Zwischen 1890 und 1910 entstanden nicht weniger als 293 Häuser mit 705 Haushaltungen. Bauten wie das ehemalige Postgebäude (1896) oder der Merkur (1903/1906) zeigten städtisches Gepräge. Der «neue Geist» ergriff auch die Sparkasse. Sie gewährte viele Baukredite und weitete den Geschäftskreis stark aus. Seit 1903 verfügte man über ein «Sparkassenbüro» im Haus des Verwalters Ulrich Spalinger; später mietete man eine Wohnung im Haus des zweiten Verwalters Eduard Frick am Reblaubenweg 4 (Standort der heutigen Post). Dieses ging 1920 ins Eigentum der Sparkasse über.
 
Oben: Sparheft der Sparkasse Wädenswil, 1912. Unten:Verwaltungsgebäude der Sparkasse Wädenswil am Reblaubenweg 4, abgebrochen 1980.

Durch Kriege und Krisen

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte zu überstürzten Rückzügen von Bankguthaben. Ein Darlehen der Nationalbank half jedoch die Krisensituation meistern. In den Jahren der Nachkriegskrise 1920 bis 1925 ging die Summe der Einlagen zurück, dann aber verzeichnete die Sparkasse wieder bessere Geschäftsergebnisse.
1938 trat Verwalter Ulrich Spalinger in den Ruhestand. Eine der ersten Handlungen des Nachfolgers Willi Bertschmann bestand im Planen und Bauen eines neuen Bankgebäudes, denn das alte Haus am Reblaubenweg genügte nicht mehr. Am Plätzli, in nächster Nähe von Post und Bahn, entstand nach den Plänen von Architekt Heinrich Bräm sen. ein modern eingerichteter Neubau, der 1940 bezugsbereit war. Allen Schwierigkeiten zum Trotz entwickelte sich die Sparkasse während des Zweiten Weltkriegs dank unermüdlichem Einsatz von Vorstand und Geschäftsleitung kontinuierlich weiter: Die Bilanzsumme, die 1939 noch 33 Millionen Franken betragen hatte, stieg bis 1945 auf 37 Millionen Franken.
Verwaltungsgebäude der Sparkasse an der Seestrasse 103, erbaut 1938/39.

Neuorientierung in der Nachkriegszeit

Nach dem Krieg profitierte die Sparkasse bis in die 1960er Jahre von Konjunktur und starker Bautätigkeit. 1965 erreichte die Bilanzsumme erstmals die Hundert-Millionen-Grenze. Grosszügig beschloss der Verwaltungsrat darum zur 150-Jahr-Feier Jubiläumsgaben: 50 000 Franken für die Alterssiedlungen und 50 000 Franken für das neue Ortsmuseum Wädenswil.
Um der Spekulation auf dem Platz Wädenswil entgegenzutreten, beteiligte sich die Sparkasse an der Gründung der Immobiliengesellschaft Pro Wädenswil. Weitere zukunftsgerichtete Entscheide wurden 1962 mit der Ausweitung des Geschäftsbereichs nach Affoltern am Albis getroffen und 1970 durch die Fusion mit der 1834 gegründeten Sparkasse Richterswil-Hütten. Fortan trug das älteste Kreditinstitut auf dem Platz Wädenswil die Bezeichnung «Sparkasse Wädenswil-Richterswil-Knonaueramt». Im Knonaueramt, im Haus zur Linde in Wädenswil (1978) und in Richterswil (1978) konnten neue Agenturen eröffnet werden. Zur Verwaltung der eigenen Liegenschaften wurde 1973 die Treuhandgesellschaft Interalbis gebildet.
Haus zur «Linde», Zugerstrasse 18, Sitz der Direktion und Geschäftsstelle der Sparcassa 1816.

Im Jubiläumsjahr 1991 umfasst die Sparkasse sechs Geschäftsstellen mit 50 Mitarbeitern, mit einer Bilanzsumme von 655 Millionen Franken (1989) und einem Reservefonds von 33 Millionen Franken (1989).
Zum Spar- und Hypothekargeschäft werden heute weitere Dienstleistungen für Familie, Gewerbe und Detailhandel, Klein- und Mittelbetriebe bis hin zum Freischaffenden und Selbständigerwerbenden angeboten.




Peter Ziegler