Wädenswiler Chronik 1. Juli 1961 bis 1. Mai 1963

Quelle: Jahrbuch vom Zürichsee, Stäfa 1963 von Peter Ziegler

 

Vom Bauerndorf zur Industriegemeinde

Wädenswil zählte um 1780 rund 3700 Einwohner und war ein stolzes und verhältnismässig auch reiches Dorf. Noch dominierte das bäuerliche Element. Ärmeren Schichten verhalf die Nebenbeschäftigung mit der Heimarbeit (Baumwollweberei und -spinnerei) zum täglichen Brot. Bereits waren findige und schlaue Exportkaufleute am Werk, welche die absolutistische Politik der Zürcher Regierung geschickt zu umgehen wussten und aus der Gemeinde Vieh, Käse, Baumwolltücher und Leder ausführten. Berühmte Ofenmacher und Petschaftstecher trugen Wädenswils Ruhm in fast alle Teile des Abendlandes.
Sitten und kirchliche Normen prägten das tägliche Leben. Für individuelles Verhalten blieb wenig Spielraum. Verschiedene Bräuche sorgten indessen für das gemeinschaftliche und gesellige, fröhliche Leben. Man ergötzte sich am Lied, an der einfachen Erzählung, am Tanz. Die Häuser waren übervölkert, denn vielfach wohnten bis drei Generationen unter einem Dach. Mit aller Energie sorgten die Dorfgenossen dafür, dass keine unerwünschten Elemente in die festgeschlossene Dorfgemeinschaft einzogen und der überlieferten Privilegien teilhaftig werden konnten. Ein prohibitiv wirkendes, hohes Einzugsgeld hielt die Zuzüger möglichst fern. Zwischen den sozialen Schichten gab es große Abstände. Spannungen waren an der Tagesordnung. Ein selbständiger Bauer oder Handwerksmeister stand haushoch über einem Tauner oder Taglöhner.
Das bunte und einfache, allerdings auch mühselige und zum Teil sogar äusserst schwierige Leben wurde im 18. Jahrhundert durch die industrielle und technische Revolution geändert. Die Anstösse hierzu gingen teilweise von den Tüchlern und Fabrikanten aus, welche immer wieder mit den städtischen Märkten und neuen ökonomischen Formen in Kontakt gekommen waren. Während die Bauern und Handwerker noch lange am Altüberlieferten festhielten, zog die Aufklärung auch in Wädenswil die geistig Regsamen in ihren Bann. Um 1790 wurde hier Minna von Barnhelm aufgeführt, und fünf Jahre später reiste der Engländer Norman durchs Dorf und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass es in Wädenswil Konzerte mit einem vollständigen Orchester gebe.
Die Industrialisierung bewirkte ebenfalls Änderungen. Die Heimarbeiter des 18. Jahrhunderts und noch viel mehr die Arbeiter des 19. Jahrhunderts lösten sich von Grund und Boden. Sie hängten, wie ein Eidgenosse sagte, «ihr Leben an den Baumwollfaden, den sie spinnen oder weben, und gewinnen dadurch mehr Freiheit, um ihr Leben nach eigenem Willen zu gestalten». Die liberalen Verfassungs- und Wirtschaftsreformen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Demokratisierung im politischen Bereich lind der Abbau der absolutistischen Schranken und ständischen Vorrechte erleichterten den Wandlungsprozess, und so wurde Wädenswil zusammen mit Hunderten von andern Schweizer Dörfern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus einem Bauerndorf zum Industrieflecken.

Bevölkerungsentwicklung zwischen 1850 und 1963

In der Zeit zwischen 1850 und 1960 hat sich die Einwohnerzahl der Gemeinde Wädenswil verdoppelt, indem sie von 5617 auf 11‘677 angestiegen ist. Während der ersten neunzig Jahre verlief die Entwicklung eher langsam und recht gleichmässig. Die Zunahme betrug im Jahresmittel ¾ Prozent und war eher auf den Geburtenüberschuss als auf einen Wanderungsgewinn zurückzuführen. Im Jahre 1945 setzte für die Gemeinde Wädenswil eine neue Entwicklung ein. Es liess sich eine Beschleunigung der Zunahme feststellen, welche seit 1960 einen sprunghaften Anstieg erlebt. Ende 1960 zählte man 11‘677 Einwohner; am 31. Dezember 1961 waren es bereits 12‘265, was einem Zuwachs um 588 entspricht. Im ersten Vierteljahr 1962 stieg diese Zahl um weitere 285 auf 12‘550 Einwohner, und Ende Oktober 1962 zählte Wädenswil abermals 730 Bewohner mehr, womit die Bevölkerungszahl 13‘280 erreicht hatte. In den ersten zehn Monaten des Jahres 1962 erhöhte sich damit die Einwohnerzahl um 1015, was einen noch nie gekannten Rekord darstellt. Seit Ende 1945 ist eine Vermehrung um rund 37 Prozent festzustellen oder rund 2,23 Prozent im Jahresmittel.
Während der prozentuale Anteil der Sektionen Stocken und Langrüti an der Gesamtbevölkerung seit 1941 eher abgenommen hat − so in der Stocken von 5,6 auf 4,3 und in der Langrüti von 6,2 auf 5,2 Prozent − ist anderseits eine starke Verlagerung der Wohnbevölkerung nach der Au festzustellen. Im Jahre 1941 machten die 700 Einwohner der Au 7,4 Prozent der ganzen Gemeindebevölkerung aus; 1961 stellten die 1244 Einwohner der Sektion Ort bereits 10,6 Prozent. Von den im Jahre 1962 Zugezogenen fallen 330 Personen, also rund ein Drittel, auf die Au. − Immerhin beherbergt der eigentliche Dorfkern auch heute noch 79,5 Prozent der Gesamtbevölkerung (1941: 81 Prozent).
Auch die Struktur der Bevölkerung hat sich gewandelt. Im Jahre 1910 machten die 1359 Ausländer bereits 15 Prozent der Bevölkerung aus. Schon damals sprach man von den Problemen der Überfremdung. Bis zum Jahre 1920 sank der Anteil an Ausländern als Folge des Ersten Weltkriegs auf 12 Prozent. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein eigentlicher Tiefstand erreicht, der für das Jahr 1950 mit 651 oder 6 Prozent der Gesamtbevölkerung angegeben ist. Dann bewirkte die Hochkonjunktur einen sprunghaften Anstieg auf 1710 (= 15 Prozent). Ende Oktober 1962 war mit 2700 Ausländern (= 21 Prozent) ein neuer Höchststand erreicht.
Die hohen Ausländerzahlen bewirkten eine Verlagerung bei den Konfessionen. Der Anteil der Katholiken stieg von 23 Prozent im Jahre 1910 auf 25 Prozent im Jahre 1920 und erhöhte sich bis 1960 auf 34 Prozent. Ende Oktober 1962 zählte man 5230 Katholiken und Andersgläubige (= 42 Prozent), denen 8050 Angehörige der Landeskirche gegenüberstanden.
 

Bäuerliches Wädenswil

Im Jahrzehnt 1950 bis 1960 ist der landwirtschaftliche Anteil der Wädenswiler Bevölkerung von 8 auf 5,6 Prozent gesunken. Dennoch hat die Landwirtschaft in unserer Gemeinde auch heute noch grosse Bedeutung. Mit 1299 Hektaren offenem Kulturland konnte Wädenswil im Jahre 1960 die grösste Anbaufläche aller Gemeinden des Bezirkes Horgen ausweisen. Und mit seinen rund 160 Bauernhöfen zählt es mehr landwirtschaftliche Betriebe als manches kleine Bauerndorf des Kantons Zürich. Die Viehzählung von 1961 ermittelte 2839 Stück Rindvieh (1955: 2409) und 94 Pferde (1955: 122). Im Herbst 1961 wurden in der Gemeinde Wädenswil 35955 Obstbäume gezählt.
Weit über die Grenzen des Kantons Zürich hinaus ist Wädenswil bekannt als Sitz der Eidgenössischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, welche seit dem 5. Juni 1961 unter der Direktion von Dr. sc. techn. Robert Fritzsche steht. - Die Schweizerische Obst- und Weinfachschule Wädenswil (gegründet 1942), eine vollausgebaute Mittelschule mit fünfsemestrigem Lehrplan und einem Abschlussdiplom für Techniker, ist die einzige ihrer Art in Europa. - Die landwirtschaftliche Winterschule der Bezirke Horgen und Meilen, welche im Jahre 1912 in Wädenswil gegründet worden war, konnte auf 50-jährige erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Die Schule war ursprünglich im alten Freischulhaus bei der Kirche untergebracht, dann in den Fabrikräumen der Seidenweberei Gessner und noch später im Dachstock des alten Eidmattschulhauses. 1946 konnte der Schulbetrieb Grüental zur Bewirtschaftung übernommen und 1954 vollends gekauft werden. Hier entstand in der Folge mit finanzieller Hilfe der Gemeinde und des Kantons ein zweckmässiges Schulgebäude mit Internatsräumen.

Die Gemeinde plant und löst grosse Bauvorhaben

Der rasche Bevölkerungszuwachs hat die Gemeinde, die Schule und die Kirche vor grosse Bauaufgaben gestellt. Manches befindet sich heute noch im Stadium der Planung, anderes ist in Angriff genommen oder gar schon glücklich vollendet worden: Am 30. Juni 1962 konnten zwei Bauwerke eingeweiht werden, deren Erstellung in der Urnenabstimmung vom 24. Mai 1959 beschlossen worden war: die Strassenbrücke im Mittelort/Au und die Personenunterführung zum Bahnhofplatz Wädenswil. Durch Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Staat, Industrie und Privaten sind zwei praktische, grosszügige, architektonisch schöne Werke entstanden, welche einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit auf der Seestrasse leisten.
Unterführung zum Bahnhof Wädenswil im Bau, 1960.

Die Überführung in der Au
ersetzt einen gefährlichen SBB-Niveauübergang und gestattet die kreuzungsfreie Zufahrt zum Mittelort und zur Halbinsel Au. Die vom Ingenieurbüro I-I. Eichenberger in Zürich erstellte Brücke dient aber auch dem Werkverkehr der Firma Standard, und sie wird mit der rasch voranschreitenden Überbauung im Mittelort und mit der zu schaffenden Verbindungsstrasse von der Au zum Anschlusswerk der Nationalstraße N3 im Neubüel noch mehr Bedeutung erhalten. Das Überführungsbauwerk besteht aus einer 117 Meter langen Hauptbrücke aus Beton, welche die Seestrasse und die Bahngeleise in elegantem Bogen überspannt. Sie findet Richtung Halbinsel Au ihre Fortsetzung in einem Erddamm, bergseits mündet sie in die Austrasse aus und in die Rampe Süd, welche wieder die Verbindung mit der Seestrasse herstellt. Damit der Linksabbiegerverkehr auf der Seestrasse unterbunden werden konnte, wurde auf der Wädenswiler Seite zwischen Strassen- und Bahngebiet eine parallel zu den Geleisen verlaufende Rampe an die Brücke angehängt. Die Fundation der Brücke im Mittelort gestaltete sich äusserst schwierig, da der Boden zwischen der Halbinsel Au und der Seestrasse nebst Auffüllungen aus See- und Moorablagerungen bestand. Es mussten daher 42 Pfähle in den Grund getrieben werden, was die Baute wesentlich verteuerte. Gleichzeitig mit dem Bau der Brücke wurde in diesem Abschnitt auch die Seestrasse korrigiert und im Kreuzungsbereich auf vier Spuren ausgebaut. Die Kosten für das Bauwerk in der Au beliefen sich auf rund 1,7 Millionen Franken, woran der Kanton, die Schweizerischen Bundesbahnen, das Au-Konsortium und die Familien Weber und von Schulthess namhafte Beiträge leisteten.
Au-Brücke, eingeweiht 1962.
 
Die Unterführung zwischen Gerbestrasse und Bahnhofplatz
in Wädenswil dient dem Fussgänger und vorab den Benützern der Eisenbahn und Schiffe, welche nun nicht mehr die verkehrsreiche Seestrasse überqueren müssen, um zum Bahnhof zu gelangen. Von der Gerbestrasse her erreicht man die Unterführung über eine 22 m lange, 4½ m breite, stufenlose Rampe von 16 Prozent Gefälle; aus Richtung Zürich über eine 6½ m lange Treppe bergseits der Seestrasse. Mit leicht abgeknicktem Grundriss zieht sich die Unterführung unter der Seestrasse und dem Bahnhofplatz hindurch zur seit 1931 bestehenden SBB-Unterführung. Eine 16 Meter lange und drei Meter breite Rampe führt vor dem «Kronen»-Block auf den Bahnhofplatz hinauf. Die Wände der Unterführung tragen eine Tranciato-Verkleidung. Schaukästen, Telefonkabinen und Automaten gestalten den neuen Weg für den Fussgänger anziehender.
Unterführung zum Bahnhof Wädenswil, eingeweiht 1962.

In der Urnenabstimmung vom 22. Oktober 1961 haben die Stimmberechtigten der Gemeinde Wädenswil einen Bruttokredit von 1‘330‘000 Franken bewilligt für den

Bau einer Doppelturnhalle in der Eidmatt
Die Bauarbeiten sind im Sommer 1962 eingeleitet worden mit dem Abbruch des aus dem Jahre 1871 stammenden Turnschopfes, der schon lange auch den minimalsten hygienischen Anforderungen nicht mehr genügt hatte. Noch vor Einbruch des Winters konnte die 14 x 25 x 6 Meter messende Doppelturnhalle unter Dach gebracht werden. Sie soll im Herbst 1963 bezogen werden. Die obere Halle wird durch eine Fensterfront gegen Süden, die untere durch eine Fensterfront gegen das alte Eidmattschulhaus natürlich belichtet. In einem dreigeschossigen Anbau auf der Südostseite werden zwei Geräteräume von je 60 m2 Grundfläche und ein Veloeinstellraum untergebracht. Der 20 Meter lange Nebentrakt an der nördlichen Hallenecke weist ebenfalls drei Geschosse auf, von denen gegen die Kirche nur eines sichtbar ist. Dieser Trakt wird zwei Duschräume, die Garderoben, Toiletten, zwei Lehrerzimmer, einen Materialeinstellraum und einen Putzraum enthalten. Das ganze Untergeschoss ist so ausgebaut worden, dass es im Kriegsfalle als Sanitätsposten eingerichtet werden könnte. Ein Raum im Erdgeschoss wird der Lesegesellschaft Wädenswil als Bibliothekzimmer zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig mit dem Bau der Turnhalle Eidmatt II begann man auch mit den Planierungsarbeiten für die künftige

Spielwiese Eidmatt
Auf dem ehemaligen Friedhofareal an der Oberdorfstrasse, wo 1908 zum letzten Mal bestattet worden ist, wurde Erde abgetragen und gleichzeitig hob man durch Aufschüttung das Niveau der unteren Spielwiese, so dass schliesslich ein 45 x 90 Meter messendes Areal entstand. Hier soll noch im Verlaufe des Jahres 1963 eine vorab der Schule dienende Sportanlage entstehen: Bergseits der Spielwiese und des zur 1951 erstellten Turnhalle Eidmatt I gehörenden Platzes wird sich eine Anlage für 100-Meter-Lauf und 110-Meter-Hürdenlauf anschliessen. Auf der Seite gegen die Oberdorfstrasse wird man sodann Anlagen für Weit-, Hoch- und Stabhochsprung und Kugelstossen erstellen, und hier wird man auch Reck, Barren, Stemmbalken und Klettergerüst montieren. Die ganze Sportanlage soll gegen die Oberdorfstrasse hin durch eine zur Grünanlage ausgebaute Böschungsrampe abgeschlossen werden.


In der Urnenabstimmung vom 17. Februar 1963 genehmigten die Stimmberechtigten das Projekt für den

Bau einer Kläranlage in der Rietliau
und bewilligten für die Bauausführung zu Lasten des Rechnungsverkehrs 1963 und der folgenden Jahre einen Bruttokredit von 6,5 Millionen Franken. Damit war die 1943 begonnene Phase des Planens abgeschlossen. Die Behörden konnten ein vom Ingenieurbüro Schulthess & Dolder, Wetzikon/Rüti ausgearbeitetes Projekt vorlegen, welches die neuesten technischen Entwicklungen in der Abwasserreinigung berücksichtigt und der kommenden bevölkerungsmässigen und baulichen Entwicklung der Gemeinde Rechnung trägt. Der Bauplatz in der Rietliau ist bereits erworben. Die hierfür nötigen Kredite sind in den Urnenbastimmungen vom 6. Juli 1947 und vom 1. Februar 1959 erteilt worden.
Die Dimensionen der Kläranlage berücksichtigen die mutmassliche bauliche Entwicklung der Gemeinde Wädenswil bis zum Jahre 1985 und basieren auf der Annahme, dass bei trockenem Wetter 320 Sekundenliter Wasser anfallen werden, und zwar 215 l/s häusliches und 90 l/s industrielles Abwasser sowie 15 l/s Sickerwasser. Schmutzstoffmässig wurde mit rund 2700 Einwohnern und 50‘000 Gleichwerten der Industrie, das heisst mit total 77‘000 Einwohnergleichwerten gerechnet. Das Projekt für den Bau der mechanisch-biologischen Abwasserreinigungsanlage soll bis etwa zum Jahre 1967 in folgender Weise verwirklicht werden:
Das aus den tiefer liegenden Zonen von Wädenswil und Au zufliessende Abwasser muss durch ein Hauptpumpwerk in die Kläranlage gehoben werden. Die Abwässer der höher liegenden Zonen fliessen der Anlage mit freiem Gefälle zu. Ein spezielles Regenwasserklärbecken wird bei Regenwetter das Überschusswasser fassen. Die Vorreinigung besteht aus Grobrechen, Sandfang, Feinrechen, Vorbelüftung und den beiden Vorklärbecken. Für die biologische Nachreinigung ist das Belebtschlamm-Verfahren vorgesehen, bestehend aus vier Belüftungsbeckengruppen, angebautem Maschinenhaus und zwei Nachklärbecken. Die Anlage lässt einen Reinigungseffekt von 90 bis 95 Prozent erwarten. Das gereinigte Abwasser wird durch einen rund 200 Meter langen Ablaufkanal in den See geleitet. Der anfallende Frischschlamm wird in einem zweistufigen Faulraum ausgefault. Das Maschinenhaus enthält die nötigen Diensträume und Maschinen. Für den Ausgleich zwischen Faulgasproduktion und Verbrauch ist ein spezieller Gasometer vorgesehen. An oberirdisch angeordneten Bauten sind zu nennen: der Gasometer, das Pumpenhaus, die Maschinenhäuser und die Faulräume. Alle übrigen Anlageteile befinden sich unter Niveau.
Kläranlage im Bau, eingeweiht 1968.

Im August 1962 wurde die

Schuttablagerung im Winterbergholz
ob der Halbinsel Au eingestellt. Der Wädenswiler «Güsel» wird nun, bis zur Inbetriebnahme der geplanten Kompostierungsanlage in der Kniebreche Borgen, nach Menzingen im Zugerland geführt und dort gegen eine allerdings ziemlich hohe Entschädigung in einer Kiesgrube abgelagert. Damit wurde in Wädenswil ein Zustand aus der Welt geschafft, der ständig zu berechtigten Reklamationen Anlass gegeben hatte. Vorbei ist nun die Zeit, da sich der «Anzeiger vom Zürichsee» und die «Zürichsee-Zeitung» necken konnten über «Güselhaufenbrände» an beiden Seeufern.

Der Bau der linksufrigen Höhenstrasse, der Nationalstrasse N 3
führte im Wädenswiler Berg zu bedeutenden Erdbewegungen. Im Gebiet zwischen Burstel und Hinterer Rüti wurde die Zugerstrasse verlegt und beim Neubüel auf einer 70 Meter langen und 15 Meter breiten Brücke über die im Entstehen begriffene Autobahn geführt. Beim Neubüel begann man sodann mit dem Bau des Anschlusswerkes, das wegen der Zufahrtsmöglichkeit aus der Innerschweiz und dem Zugerbiet als eines der wichtigsten gilt auf der ganzen zürcherischen Strecke dieser Nationalstraße. Als ebenfalls grösseres Bauwerk der Nationalstrasse N 3 auf Wädenswiler Gemeindegebiet sind die beiden 27 Meter langen Brücken zu erwähnen, welche die beiden getrennten Fahrbahnen bei der Gerenau über die Schönenbergstrasse führen.
In Zusammenarbeit mit der Gemeinde sieht der Kanton auch den

Ausbau der Seestrasse
vor. Zu diesem Zwecke sind bereits eine Reihe von Häusern, vor allem zwischen Zentral und Sagenrain, in kantonalen Besitz übergegangen. Im Herbst 1962 wurde bereits ein älteres, in der Nähe der Weinrebenanlage gelegenes Wohnhaus niedergerissen. Im Frühsommer 1963 erfolgte der Abbruch der Häuser «Frieden» und «Alpina», wodurch ein weiterer Engpass beseitigt werden konnte.
Neben diesen großen Strassenbau-Vorhaben wird auch der Verkürzung und der Verbesserung der Verbindungen zwischen den verschiedenen Quartieren die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Wir erinnern an die Speerstrasse, die von der Zugerstrasse über Rotweg und Baumgarten neue Baugebiete erschliessen wird und für welche Detailprojekte für die dringendsten Gebiete von Fall zu Fall ausgearbeitet werden. Im gleichen Sinne ist an die Schaffung einer Verbindung Etzelstrasse, Neudorfstraße, Gwad gedacht, und in der Au ist mit der Alten Landstrasse eine leistungsfähige Erschliessungs- und Verbindungsstrasse geschaffen, deren Ausbau auf weiteren Teilstücken noch folgen wird.
Seit jeher wurde in Wädenswil der

Planung
die grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Entsprechende Ansätze gehen bis ins Jahr 1910 zurück. Wenn es auch bisher stets bei Entwürfen blieb, dienten diese den Behörden doch immer wieder als Anhaltspunkte, so dass eine wilde Bauerei vermieden werden konnte. Eine Konsultativkommission, in welcher neben den Behörden auch sämtliche Parteien vertreten sind, befasst sich gegenwärtig mit der Bearbeitung einer im Entwurf vorliegenden Bauordnung samt Zonenplan, welche auch den Wädenswiler Berg einschliesst.

Erwähnenswert ist die von der Gemeinde schon seit vielen Jahren betriebene

Baupolitik,
die als beispielhaft bezeichnet werden darf. Indem sie selbst Land erwirbt und es zu vernünftigen Preisen an Private weiterverkauft, tritt die Behörde dem spekulativen Bauen entgegen. Sie kann dadurch die Überbauung entscheidend beeinflussen, Landreserven für öffentliche Bauten sichern und landschaftlich schutzwürdige Gebiete mit einem Bauverbot belegen. Im ehemaligen Meliorationsgebiet Beichlen hat die Gemeinde in den Jahren 1962 und 1963 mehrere Grundstücke erworben. Die Gesamtplanung sieht im ehemaligen Beichlenried ein örtliches Spiel- und Sportzentrum grösseren Umfangs vor. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Richterswil soll hier auch eine gemeinsame Schiessanlage erstellt werden.
Auch auf dem Gebiet der

Wohlfahrt und Hygiene

darf sich Wädenswil absolut sehen lassen. Gegenwärtig studiert man die Erstellung einer Alterssiedlung und eines Pflegeheims. Zusammen mit dem Asylverein ist auch die Erweiterung des Krankenhauses ins Auge gefasst worden.
Von der enormen Entwicklung, die Wädenswil genommen hat und die Behörden vor immer neue Aufgaben stellt, zeugt auch die Statistik über den Wohnungsbau. An neuen Wohnungen wurden gezählt:
1. Halbjahr 1960: 72
2. Halbjahr 1960: 18
1. Halbjahr 1961: 69
2. Halbjahr 1961: 89
1. Halbjahr 1962: 142
2. Halbjahr 1962: 63
1. Halbjahr 1963: 114.

Schulwesen

Das bedeutendste Ereignis auf dem Gebiete des Schulwesens war zweifellos die Reorganisation der Oberstufe, welche in unserer Gemeinde zu hitzigen Diskussionen geführt hat. Schliesslich fasste aber die Gemeindeversammlung der Sekundarschulgemeinde Wädenswil-Schönenberg am 23. Januar 1963 doch in zustimmendem Sinne Beschluss über die Erweiterung der Sekundarschulgemeinde Wädenswil-Schönenberg zur Oberstufenschulgemeinde Wädenswil-Schönenberg-Hütten. Dies führte zu folgenden Änderungen: Auf den 1. April 1963 wurden die seit 1833 und 1836 bestehenden Sekundarschulgemeinden Wädenswil-Schönenberg und Richterswil-Hütten aufgelöst. Dafür schlossen sich die Gemeinden Wädenswil, Schönenberg und Hütten auf Beginn des Schuljahres 1963/64 neu zur Oberstufenschulgemeinde Wädenswil-Schönenberg-Hütten zusammen. Schönenberg, das der geringen Schülerzahl wegen die im Sinne des neuen Schulgesetzes verlangte Trennung in Sekundar-, Real- und Oberschule nicht vornehmen konnte, hielt die bewährte Verbindung mit Wädenswil aufrecht. Das noch kleinere Hütten gliederte sich neu ein, nachdem sich die Verkehrsverbindung von Hütten nach Wädenswil in den letzten Jahren stark verbessert hatten. Als Fernziel schwebt den Berggemeinden eine eigene dreiteilige Oberstufe vor. Wenn die Schülerzahlen dies zulassen, kann eine Abtrennung von Wädenswil erfolgen.
Die Reorganisation der Oberstufe führt in Wädenswil zwangsläufig zum
 

Bau eines Oberstufenschulhauses.

Es soll auf dem bereits der Gemeinde gehörenden Areal südöstlich des Sekundarschulhauses auf der Fuhr erstellt werden und spätestens auf Frühling 1966 bezugsbereit sein. Architekt Josef Riklin, Wädenswil, ist aus einem Projektwettbewerb als 1. Preisträger hervorgegangen und bearbeitet nun die Detailpläne für ein Gebäude samt Turnhalle mit folgendem Raumprogramm : 12 Schulzimmer, 2 Hauswirtschaftszimmer, 4 Arbeitsschulzimmer, Lehrer-, Bibliothek-, Sammlungs- und Materialzimmer, 1 Hobelwerkstatt, 1 Metallwerkstatt, 2 kombinierte Demonstrations- und Schülerübungszimmer, 1 Sammlungs- und Vorbereitungsraum, 2 Schulküchen, 1 Vorrats- und Putzraum, 1 Singsaal, 1 Zeichensaal. Die
Realschulhaus, eingeweiht 1968.
 

Primarschule Wädenswil

musste sich bereits in den vergangenen zwei Jahren nach neuen Schulräumen umsehen. In einem neuen Wohnblock in der Eichweid und in der Gulmenmatt konnte je ein Kindergartenlokal gemietet werden. Auf dem «Stampf»-Areal und beim neuen Eidmattschulhaus wurde im Sinne eines Provisoriums je ein Schulpavillon zu zwei Klassenzimmern aufgestellt. Angesichts der Entwicklung unserer Gemeinde wird die Schulpflege nicht darum herumkommen, in nächster Zeit mehrere Schulhäuser erbauen zu müssen. Die Schulhausbaukommission bereitet bereits die Erstellung eines Schulhauses Süd am oberen Gerberackerweg vor.

Kirchliches

Der Anstieg der Bevölkerungszahl bewirkte auch in der reformierten Kirchgemeinde Wädenswil verschiedene Änderungen. Die bisherige Pfarrhelferstelle wurde im Januar 1963 in eine dritte Pfarrstelle umgewandelt. Zur Entlastung der drei Pfarrer schuf man sodann das Amt eines Gemeindehelfers. Herr Emil Bänziger, der im Gottesdienst vom 24. Februar 1963 eingesetzt worden ist, übt seine Tätigkeit vorerst halbamtlich aus. Er betreut die Betagten und Chronisch kranken, macht Besuche bei neuzugezogenen Gemeindegliedern und führt Unterrichtsklassen an der Oberstufe.
Der katholische Geistliche, Hw. Pfarrer Walter Risi, feierte am 8. Juli 1962 sein silbernes Priesterjubiläum; Organist Rudolf Sidler konnte am ersten Februarsonntag 1963 sein 20-Jahr-Jubiläum als Organist der reformierten Kirchgemeinde Wädenswil begehen.
Die reformierte Kirchenpflege befasst sich ebenfalls mit zwei grossen Bauaufgaben:
 
Die Umgestaltung der Kirchenumgebung
hat im Sommer 1962 mit dem Verlegen von Sickerleitungen zur Entfeuchtung des Mauerwerks begonnen. Anschliessend wurden Planierungsarbeiten ausgeführt. Zwischen der Kirche und dem Alten Eidmattschulhaus entstanden ein Vorplatz und eine Rampe. Die neuen Treppen, welche vom Gessnerweg und von der Schönenbergstrasse her auf das Kirchenareal führen, konnten Anfang Dezember 1962 für den Verkehr freigegeben werden. Die Arbeiten sollen im Verlaufe des Jahres 1963 mit dem Erstellen der Wege und Grünanlagen abgeschlossen werden.
In den nächsten fünf bis sechs Jahren wird die Bevölkerung in der Au auf rund 5000 Personen anwachsen. Die Siedlung wird dadurch grösser werden als die heutigen Ortschaften Langnau, Oberrieden oder Rüschlikon. Durch den Bau eines neuen Schulhauses hat man schon 1959 der kommenden Entwicklung Rechnung getragen. Das kirchliche Leben der Au aber folgt bis heute dem des Dorfes Wädenswil. Die angestammte Bevölkerung in der Au ist mit der Wädenswiler Kirche verwachsen und durch Tradition, Gottesdienst und Amtshandlungen an die Dorfkirche gebunden. Der neuen Bevölkerung hingegen gehen diese Beziehungen mit dem Dorf, die Verbundenheit mit Geschichte und Lebensweise ab, und es fällt deshalb schwer, die neuzugezogenen Glaubensgenossen in das kirchliche Leben der Gemeinde Wädenswil einzubeziehen. Die Kirchenpflege Wädenswil befasst sich daher schon seit längerer Zeit mit dem Projekt einer
 

Kirchenbaute im Ort

Auf dem Grundstück Kat.-Nr. 2288 im Brunnenhof sollen eine Kirche mit Glockenturm und ein Kirchgemeindehaus erstellt werden. Der Kirchenraum soll bei feststehender Bestuhlung 600 Personen fassen. Im Kirchgemeindehaus gedenkt man folgendes Raumprogramm zu verwirklichen: Der Kirchgemeindesaal mit Bühne, Projektionseinrichtung und Schwerhörigen-Anlage fasst 300 Personen. Durch Einbezug von Vor- und Nebenräumen wird man die Sitzzahl um 70 Plätze vergrössern können. Eine verschiebbare Trennwand soll die Unterteilung des Saales in zwei Räume für 100 und 200 Personen ermöglichen. Das Kirchgemeindehaus soll sodann ein Unterrichtszimmer, zwei Gruppenzimmer, eine Teeküche, ein Office und einige Nebenräume enthalten. Die gesamten Baukosten werden auf etwa 4 Millionen Franken veranschlagt.
 

Kulturelles

Wädenswil hat einen Umfang und eine Grösse angenommen, die zu denken geben, weil der dörfliche Charakter, die Überschaubarkeit und das Sich-Kennen allmählich verloren gehen. Glücklicherweise setzen sich aber in Wädenswil zahlreiche private und öffentliche Institutionen für kulturelle Belange ein: für Literatur, Musik, Film und Theater. Das Jahresprogramm 1961/62 der Lesegesellschaft wurde mit einem Vortrag von Dr. Peter Sager vom Schweizerischen Ostinstitut in Bern eröffnet. Er sprach über «Ostpolitik und unsere Stellungnahme zum Kommunismus». Die vier folgenden Veranstaltungen waren dem zeitgenössischen literarischen Schaffen gewidmet. Die Lyrikerin Erika Burkhard und der Schriftsteller Kurt Guggenheim lasen aus eigenen Werken. Buchhändler Franz Arnold aus Zürich gab in einer Plauderei über Neuerscheinungen einen «literarischen tour d'horizon», und Dr. Eduard Stäuble, Baden, zog einen stilkritischen Vergleich zwischen den beiden Schweizer Dramatikern Max Frisch und Peter Dürrenmatt. Eine Fahrt auf die Ufenau, wo Benedikt Frei seine archäologischen Ausgrabungen erläuterte, eröffnete das Winterprogramm 1962/63. An Autorenabenden lasen Otto F. Walter aus einem neuen Roman und Ossip Kalenter aus seinen Satiren und Idyllen. An einem Tessiner-Abend gab Professor Galgari einen Überblick über die Geschichte und die Probleme des Tessins. − Im Winter 1961/62 sprach Prof. Karl Fehr, Frauenfeld, an fünf Kursabenden der Volkshochschule über Jeremias Gotthelf. Dr. J an Slawe, Zürich, äusserte sich im folgenden Jahr über aktuelle Probleme des Jazzlebens.
In den Abonnementskonzerten machten wiederum erste Künstler mit klassischem und zeitgenössischem Musikschaffen bekannt. Besondere Höhepunkte des Wädenswiler Musiklebens bedeuteten die beiden Aufführungen des verstärkten Wädenswiler Kirchengesangvereins, welcher im März 1963 sein 75-jähriges Bestehen gefeiert hat. Im Dezember 1961 wurde − zusammen mit dem Winterthurer Stadtorchester und den Solisten Edith Mathys, Marga Höffgen, Johannes Feierabend und Bruno Müller − Georg Friedrich Händels «Messias» aufgeführt. Als Jubiläumskonzert brachte der Kirchengesangverein, wiederum unter der Leitung von Rudolf Sidler, Bachs «Matthäuspassion» zu Gehör.
Die Kulturfilmgemeinde Wädenswil zeigte in den Wintern 1961/62 und 1962/63 die Dokumentarfilme: «Der verlorene Kontinent», «Quer durch die Antarktis», «Beim Volk der Hunzas», «So ist Japan», «Wunder und Rätsel der Sternenwelt», «Nepal», «Schwarze Haut − heisse Erde», «Amerika hat viele Gesichter», «Transafricana» und die Spielfilme «La carozza d'oro», «La fernme du boulanger», «Les belles de nuit», «Wild ist der Wind», «Fanfan la Tulipe», «Die verlorene Festung», «Der General» und «Der brave Soldat Schwejk».
Mit ihrem Passionsschauspiel «Dienst auf Golgatha» von Marcel Dornier ernteten die Freunde des Volkstheaters grossen Erfolg. Sie beeindruckten, als es im September 1962 einen Besuch bei der Laienspielgruppe St. Jakob in Wien-Schwechat zu erwidern galt, mit diesem Stück auch viele Leute in Schwechat und Wien. Im Januar 1963 führten die Freunde des Volkstheaters eine Komödie auf: das von Cäsar von Arx geschriebene Mundartstück «Vogel friss oder stirb».
Zur Erhaltung der dörflichen Eigenständigkeit trägt auch das Vereinsleben bei. Die LesegeselIschaften Langrüti und Ort wurden in Quartiervereine umbenannt. Der Quartierverein Au entwickelt in der Au, wo grosse Bauvorhaben verwirklicht werden und die Bevölkerung rasch anwächst, eine rege Tätigkeit. Die periodisch erscheinenden «Au-Aktualitäten» orientieren die Bevölkerung über aktuelle Fragen, daneben werden Vorträge gehalten; alte Bräuche leben wieder auf und neue werden eingeführt: die Bundesfeier, der Räbenlichterumzug der Au-Schuljugend, die Klausfeier und die Waldweihnachtsfeier im Winterbergholz.
Ausser dem bereits erwähnten Kirchengesangverein Wädenswil konnten noch einige andere Dorfvereine Jubiläen feiern: Der Männerturnverein, zu dessen Gründern unter anderen der nachmalige Bundesrat Walter Hauser gehört hatte, beging im Oktober 1961 die Hundertjahrfeier. Bis zum Jahre 1916 hatte sich der Verein nicht in erster Linie das Turnen zum Ziele gesetzt, sondern die Behandlung von politischen Tagesfragen. So wurden vom Vorstand die Wahlgeschäfte der Gemeinde vorbereitet, und zusammen mit dem Handwerker- und Gewerbeverein und dem Landwirtschaftlichen Verein einigte man sich jeweils auf gemeinsame Vorschläge. Am 20. Januar 1916 konstituierte sich anstelle der aufgelösten Altersriege der heutige Männerturnverein, der sich nur noch dem Turnen widmete.
Der Evangelische Verein Wädenswil konnte im Mai 1962, der Christliche Verein junger Männer in Wädenswil im November 1962 ebenfalls auf hundertjähriges Bestehen zurückblicken. Im gleichen Jahr beging der Asylverein Wädenswil, welchem die Gründung des ersten Spitals (1886), der Bau des Altersheims auf der Fuhr (1926/28) und des Krankenhauses an der Schlossbergstraße (1935) zu verdanken ist, sein 75-Jahr-Jubiläum.
Das Zürichsee-Jodler-Treffen vom 8./9. September 1962 in Wädenswil war zugleich die Feier des 25-Jahr-Jubiläums des hiesigen Jodler-Klubs. Der 1938 in aller Stille gegründete Klub nahm ab 1941 an Jodler-Treffen teil und trat an öffentlichen Abendunterhaltungen auf. Einen besonderen Höhepunkt bedeutete das Jahr 1954, das Jahr, in welchem der Klub Wädenswil mit der Durchführung des Nordostschweizerischen Jodlerfestes beauftragt wurde.
Auch die Jugendlichen schliessen sich zu Klubs und Vereinen zusammen. Zu den bestehenden Jugendorganisationen wie Kadetten, Pfadfinder, Jungwacht und kirchliche Jugendgruppen kamen im Verlaufe der letzten zwei Jahre drei neue Organisationen: der Filmklub der Jungen, der Jugendclub Wädenswil und der Tambouren-Verein Wädenswil.
 

Lebendiges und sterbenden Brauchtum

Wädenswil kennt noch, mehr oder weniger ausgeprägt, folgende Bräuche des Jahreslaufs: Fasnacht, Bundesfeier, Chilbi, Samichlaus-Brauch sowie Silvester und Neujahr.

Fasnacht
Der Brauch der Fasnacht ist am stärksten im Rückgang begriffen. Am 27. Februar 1963 wird im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» festgestellt: «Unseres Wissens waren es lediglich einige in der Fussgängerunterführung zum Bahnhofplatz abgebrannte Knallkörper, die noch an die frühere Tradition des Kinderfasnachtstages erinnerten. Sonst war dieser Dienstag ein Tag wie jeder andere. Die Kinder gingen zur Schule. Keine Musik erklang, kein Böögg war zu sehen und kein widernatürlicher Lärm zu vernehmen. Lange schien es, als ob es der Alten Fasnacht ähnlich ergehen würde. All die Organisationen, die sich der Belebung der Dorffasnacht angenommen hatten, sind aus dem Winterschlaf nicht wieder erwacht. Aus begreiflichen Gründen übrigens, denn es gibt wohl kaum etwas Undankbareres, als mit der Wädenswiler Fasnacht Versuche am untauglichen Objekt unternehmen zu wollen.» Um den Kindern eine Freude zu bereiten, organisierten Mitglieder des Bäckerei-Konditorei-Personalverbandes Wädenswil-Richterswil einen kostümierten Kinderumzug und einen Kinderball mit freiem Eintritt. Aus Material, das die Meister kostenlos zur Verfügung gestellt hatten, buken die Bäcker- und Konditoren-Gesellen Fasnachts-Chüechli, die gratis an die Kinder abgegeben wurden. Die Wädenswiler Wirte stifteten den heissen Tee. − Für die Erwachsenen veranstalteten die Bäcker- und Konditoren-Gesellen im «Engel»-Saal erstmals den Bäcker-Maskenball, so dass Wädenswil an der Fasnacht 1963 neben dem traditionellen Harmonieball einen zweiten Maskenball hatte.

Bundesfeier
Die Durchführung der Bundesfeier, mit welcher seit Jahren der Verkehrsverein beauftragt ist, gestaltet sich ebenfalls immer schwieriger. Es bereitet große Mühe, einen Referenten zu finden. Und da sich Sänger und Musiker zu dieser Zeit häufig in den Ferien befinden, müssen immer mehr Vereine von einer Mitwirkung an der Bundesfeier absehen. Dieses Jahr will daher der Verkehrsverein eine neue Art von Bundesfeier aufziehen. Sie beschränkt sich auf einen Sternmarsch der Jugend von den Quartieren nach dem Seeplatz, angeführt von Mitgliedern der Harmonie, des Handharmonika-Klubs und des Tamburen-Vereins. Auf dem Seeplatz sollen Lieder gesungen werden, man wird den Bundesbrief verlesen, ein Augustfeuer entfachen und Feuerwerk abbrennen. Die traditionelle Augustrede fällt dieses Jahr weg.

Chilbi
Ein eigentliches Volksfest ist die Kirchweih am Sonntag nach Sankt Bernhard. Sie ist immer noch die grösste Chilbi am See. Die Reitschulen und Buden auf lern Seeplatz, dem Bahnhof- und Postplatz bilden auch für viele Auswärtige einen grossen Anziehungspunkt. Die Gaststätten haben an diesen Tagen Hochbetrieb. Der gut rentierende Chilbibetrieb ist der beste Garant für das Weiterbestehen dieses Brauches.
Chilbi.

Samichlaus
Wenn der treue «Marroni-Toni» aus dem Tessiner Dörfchen Semione auf dem Postplatz seinen Marronistand aufstellt, ist der Herbst schon ziemlich weit fortgeschritten, und der 6. Dezember naht. An diesem Tag hält auch in Wädenswü St.Nikoaus Einzug. Über den Klaustag 1962 berichtete die Lokalzeitung: «Alter Tradition gemäss traf St. Niklaus mit Knecht Ruprecht, dem Eselchen und sechs weiteren Helfern auf dem Gasiplatz ein. Der Samichlaus in seiner leuchtend roten Montur entlockte mancher Kinderseele ein bewunderndes «Ah» und «Oh». Als er dann aber zu sprechen anhob, kuschelte sich doch manches der Kleineren ängstlich in den Mantel der begleitenden Mutter. Es ist ja immer das gleiche: Vorher grosse Töne, und wenn es dann soweit ist, dann kommt doch die Angst, die Erinnerung an unzählige Unartigkeiten während des Jahres und auch noch in den letzten Tagen. Wenn nun der Samichlaus davon weiss? Was dann? Die heimliche Furcht vor dem Samichlaus ist in all den Jahrzehnten gleichgeblieben, ein beredtes Zeichen dafür, dass sich die heutige Jugend gegenüber der früheren doch nicht allzusehr zu ihrem Nachteil verändert hat, wenn man ihr Gelegenheit gibt, die althergebrachten Bräuche auch heute noch mitzuerleben. Dazu braucht es Leute, die sich in der heutigen gehetzten Zeit die Mühe und Arbeit nehmen, sich für die Erhaltung des alten Brauchtums einzusetzen. In diesem Sinne können wir Sankt Niklaus und seinen Helfern nicht genug dankbar sein, welche die Kinder trotz bissiger Kälte ihre Sprüchlein hersagen liessen und sie dafür mit mancherlei Süssigkeiten belohnten. - In mancher Stube warteten hernach unsere Kleinen auf das Bimmeln der Glocken, die ankündigten, dass der Samichlaus auch dieses Jahr unterwegs war, um die Braven zu beschenken, die Unartigen zu ermahnen und die ganz Bösen vielleicht sogar in den Sack zu stecken.»
Chlauseinzug.

Silvester
Mit beispielhafter Pünktlichkeit ertönte auch am Silvester 1962 um fünf Uhr morgens, zur polizeilich bewilligten Zeit, der traditionelle Lärm. Nichts hat sich in all den Jahren an den «Instrumenten» des Silvesters geändert: Immer sind es Pfannendeckel, Kuhglocken, Hörner, Trommeln oder Büchsen. In der Dunkelheit aufglimmende kleine Pünktchen verrieten ziemlich oft, dass sich die Jugend am Silvestermorgen mehr und mehr auch in ihren ersten Rauchversuchen übt. Dies war schon früher so, nur tat man's mehr im Versteckten, und man warf die Zigaretten oder Nielen erschreckt weg, wenn Erwachsene des Weges kamen. Solche Hemmungen kennt die heutige Jugend offenbar weniger oder nicht. Wenn sie im gleichen Maße auch im späteren Leben mehr Offenheit an den Tag legt, dann können wir sie beglückwünschen. Freuen wir uns, dass sie den alten Brauch des Silvesterns hochhält, sogar bei unfreundlichem Wetter.
Der Übergang vom alten zum neuen Jahr vollzieht sich in Wädenswil schon seit vielen Jahren im gleichen Rahmen. Am Silvester-Nachmittag herrscht in den verschiedenen Gaststätten reges Leben. Zumeist sind es die Belegschaften der ortsansässigen Betriebe, welche zusammensitzen, um auf gute Zusammenarbeit im neuen Jahr anzustossen. Gegen Abend kehrt dann die bekannte Stille ein. Der Grossteil feiert den Augenblick der Jahreswende zu Hause, im Anschluss an den Besuch des traditionellen Silvester-Gottesdienstes.

Für die Tierfreunde

Storch
Am 28. Juli 1961 liess sich auf dem Giebel des Bauernhauses der Familien Höhn und Haab im Burstel ein ausgewachsener Storch nieder. Einem Landwirt, der auf einer benachbarten Wiese Jauche führte, näherte sich der Nahrung suchende Storch bis auf fünf Meter. Dann kehrte er aufs Dach des Riegelhauses zurück und verharrte dort vom Nachmittag bis in die späte Nacht hinein. Am folgenden Morgen früh wurde der Storch nicht mehr gesehen.
 
Möwen
Am 30. März 1962 berichtete das in Wien erscheinende «Kleine Volksblatt» unter dem Titel «Die Zürcher Möwen sind Speisewagengäste» folgende Tiergeschichte aus Wädenswil: «Wie man in Wädenswil feststellen konnte, haben sich die Möwen des Zürichsees dem Fahrplan der Schweizerischen Bundesbahn angepasst. Regelmässig gegen zehn Uhr vormittags und vier Uhr nachmittags treffen sie in grosser Zahl im Bahnhof Wädenswil ein, um zwei internationale Schnellzüge zu erwarten. Wahrscheinlich nach dem Motto: «Eine Möwe sagt's der anderen», haben sie herausgefunden, dass die beiden Züge Speisewagen mitführen und die Köche gerne mit Speiseresten «herausrücken».
War zuerst eine kleine Möwengruppe dort Stammgast, so ist jetzt oft ein 150 Möwen starkes Geschwader unterwegs, das mit lautem Gekrächze die roten Speisewagen erwartet. Als erstaunlich wird von Tierliebhabern vermerkt, dass die Möwen sich genau auf den Fahrplan eingestellt haben und dass sie die beiden Züge sofort finden, obwohl durch Wädenswil täglich weit über hundert Züge fahren.»
 
Schwäne
Die bissige Kälte brachte Mitte Januar 1963 die Schwäne in grosse Not. Auf alle möglichen Arten suchten Tierfreunde eine sich anbahnende Tragödie am Seeplatz zu verhindern. Man deckte den Boden mit Stroh ab, und sogar mit warmer, eigens gekochter Speise rückte man an. Als man sich schliesslich nicht mehr zu helfen wusste, setzte man sich mit der Gemeinderatskanzlei in Verbindung. Auch dort war natürlich vorerst guter Rat teuer. Dass es nicht viel nützen würde, eine Baute zu errichten, an die sich die Tiere in keiner Weise gewöhnt hätten, war von Anfang an klar. Schliesslich entschloss man sich zu einer Rückfrage bei der Vogelwarte Sempach, wo man einen Ausweg wusste. Funktionäre des Bauamtes und der Gemeindepolizei fingen die halb verfrorenen Tiere ein und brachten sie in die gemeindeeigene Scheune auf Felsen. Vom Pächter verabreichte Nahrung lehnten die Schwäne aber strikte ab. Erst von ihrer rasch herbeigerufenen Freundin, die sie schon am Seeplatz betreut hatte, liessen sich die Tiere auch in der neuen Umgebung füttern.

Landschaftsschutz im Gebiet der Halbinsel Au

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Halbinsel Au zürcherischer Staatsbesitz. Die 1830 zur Macht gelangte radikal gesinnte Regierung war dann bestrebt, möglichst viele Staatsdomänen zu veräussern. Auch die Au mit dem damals noch 46 Jucharten grossen Eichenwald und dem Rebberg am Südhang wurde verkauft. Die beiden neuen Besitzer, Konrad Stünzi von Horgen und Heinrich Leuthold von Oberrieden, rodeten den Eichenwald und leiteten so einen gewinnbringenden Handel in die Wege. Mit Bedauern stellte ein Zeitgenosse, der Historiker Gerold Meyer von Knonau, fest, dass die Halbinsel dadurch «in einen geschorenen Pudel» verwandelt worden sei.
Eine neue Zeit hatte begonnen! 1865/66 erstellten die Brüder Arnold und Heinrich Leuthold auf der Kuppe des Hügels ein Gasthaus und betrieben eine Bauernwirtschaft. Mit dem Aufschwung der Dampfschifffahrt auf dem Zürichsee nahm der Ausflugsverkehr nach der Halbinsel Au rasch zu.
Landgasthof Halbinsel Au, eingeweiht 1959.

 
Das Jahr 1911 brachte eine Wendung. Der Besitzer der Mittleren Au war in Zahlungsschwierigkeiten geraten, und am 7. April 1911 hätten Haus und Hof auf öffentlicher Gant versteigert werden sollen. Es meldeten sich viele Interessenten, die den Auhügel in spekulativer Absicht erwerben wollten, um ihn zu zerstückeln oder in Privatbesitz überzuführen. Das konnte glücklicherweise verhindert werden. Unter der initiativen Führung von Herrn Fritz Weber-Lehnert wurde ein Konsortium gebildet, das im Frühjahr 1911 den mittleren Teil des Au-Hügels − es waren etwa 15 ha Land mit dem Gasthof − für 170‘000 Franken erwarb. Die Mitglieder dieses Konsortiums verpflichteten sich, auf jeden privaten Nutzen zu verzichten, indem sie in ihren Statuten festlegten, dass kein Land verkauft werden dürfe und dass das prächtige Grundstück unüberbaut der Öffentlichkeit erhalten bleiben solle.
Gedenkstein für den Gründer des Au-Konsortiums: Fritz-Weber-Lehnert.
Dieser grosszügigen und weitsichtigen Tat jener Männer, die das Au-Konsortium gründeten, aber auch den andern Grundeigentümern am Ost- und Westhang des Au-Hügels ist es zu verdanken, dass die Halbinsel als Grünzone am Ufer des Zürichsees in ihrer ganzen Schönheit erhalten blieb.
Im Frühling 1961 äusserten Herr und Frau Dr. Boller-Bär die Absicht, den grösseren Teil ihres Grundbesitzes auf der Vorderen Au zu verkaufen. Dankbar dafür, dass die Verkäufer ihr Eigentum zu günstigem Preis der Öffentlichkeit veräussern wollten, nahm der Gemeinderat Wädenswil in Verbindung mit dem Kanton sowie der Schweizerischen Obst- und Weinfachschule, als Landpächterin, aber auch dem Au-Konsortium, sogleich die gebotenen Unterhandlungen auf. Diese führten rasch zu vollem Erfolg. − Der Gemeinderat war sich von Anfang an bewusst, dass der umfangreiche Landkauf (40‘000 m2) nur mit kräftiger finanzieller Hilfe des Kantons getätigt werden könne. In seiner Sitzung vom 4. Dezember 1961 bewilligte der Kantonsrat einen Kredit von 740‘000 Franken zum Landschaftsschutz auf der Halbinsel Au. 125‘952 Franken entfielen auf die käufliche Übernahme der 10‘496 m2 grossen Auried-Parzelle. Der Restbetrag von 611‘856 Franken war als Beitrag an die Erwerbskosten der Gemeinde gedacht. An den durch die Gemeinde Wädenswil zu tätigenden Landkaufleistete das Au-Konsortium einen Beitrag von 50‘000 Franken. Damit verblieb der Gemeinde eine aufgerundete Kaufsumme von 734‘00 Franken. Dieser Kredit wurde in der Urnenabstimmung vom 21. Januar 1962 mit grossem Mehr, nämlich mit 1308 Ja gegen 294 Nein, erteilt.
Im Kaufvertrag wurde der Gemeinde Wädenswil auf die Restliegenschaft Boller-Bär ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Es betrifft einen etwa hundert Meter breiten Uferstreifen, der sich über 275 Meter des Zürichsees entlang erstreckt. Damit ist bergaufwärts vom See bis zum Seeweg oberhalb der Liegenschaft «Auried » ein Landstreifen von fast 400 Metern Breite vor jeglicher Überbauung geschützt.

Hoch Etzel

Mit Freude darf vermerkt werden, dass die Initiative zum Erwerb des Hoch-Etzels von Wädenswiler Mitgliedern des Schweizerischen Alpenklubs (Sektion Hoher Ron) ausgegangen ist. Den finanziellen Grundstock legten drei Wädenswiler Fabrikanten, welche unmittelbar nach dem ersten Aufruf zusammen einen Anteilschein von 100‘000 Franken zeichneten. Ihnen schlossen sich bis Mitte Dezember 1962 weitere 633 Genossenschafter aus der ganzen Schweiz an. Diese insgesamt 636 Genossenschafter zeichneten total 895‘000 Franken. Am 15. Dezember 1962 fand im Hotel Engel in Wädenswil die Gründungsversammlung der Genossenschaft Hoch-Etzel statt, welche Statthalter Rudolf Bachmann, Wädenswil, zum Präsidenten wählte. Der Genossenschaft Hoch-Etzel, welche heute über ein Aktienkapital von mehr als einer Million Franken verfügt, ist es zu verdanken, dass der Etzel in der bisherigen Gestalt erhalten werden kann und nicht der Spekulation zum Opfer gefallen ist. Für den Ausflugsverkehr, der im Sommer besonders stark ist, soll ein einfaches neues Gasthaus erstellt werden.

Archäologische Ausgrabungen auf dem Kirchhügel Wädenswil

Im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Wädenswiler Kirchenumgebung konnten auf dem Kirchhügel archäologische Sondierungen durchgeführt werden. Sie standen vom 1. August bis 15. Oktober 1962 unter der Leitung des Berichterstatters und vom 15. Oktober bis 30. Oktober 1962 unter der Aufsicht des Kantonalen Denkmalpflegers, Dr. Walter Drack. Die Ausgrabungen haben erfreuliche Resultate erbracht. Besonders überraschend war der Fund von römischen Ziegelfragmenten und von zwei römischen Terra-Sigillata-Scherben, denn Römerfunde sind am linken Zürichseeufer bis heute selten. Für das Dorfgebiet von Wädenswil hatte man vor der Ausgrabung 1962 keine Anhaltspunkte für so frühe Besiedlung. Die beiden verzierten Fragmente von rot-glasiertem Tafelgeschirr lassen sich ins Ende des 1. oder in den Anfang des 2. nachchristlichen Jahrhunderts datieren. Leider gelang es nicht, auf dem Kirchhügel römisches Mauerwerk freizulegen. Dr. Drack vermutet römische Ruinen unter der heutigen Kirche (wo bei der Innenrenovation im Jahre 1950/51 leider keine Grabungen durchgeführt worden sind oder an einem noch nicht bekannten Ort in nächster Nähe des Kirchhügels.
Auf der Turmseite und zwischen Kirche und Pfarrhaus kamen gemörtelte Bollensteinmauern zum Vorschein, welche der romanischen Kirche angehören. Dieser wohl aus dem 12. Jahrhundert stammende Bau war nach Osten orientiert und hatte − wie die Kirchen von Rüti, Knonau oder Mettmenstetten − einen gerade abgeschlossenen Chor. Die mittelalterliche Kirchenanlage war von einer aussen verputzten Kirchhofmauer eingefriedigt, welche am Rande des Plateaus verlief, wodurch das Areal maximal ausgenützt wurde. Diese Begrenzung hat man bis zum Bau des gegenwärtigen Gotteshauses im Jahre 1764 unverändert beibehalten. Das 1759 erstellte heutige Pfarrhaus ist mit der Südwestwand auf der nördlichen Kirchhofmauer fundiert. Im 15. Jahrhundert wurden zwischen Kirche und südöstlicher Friedhofmauer zwei an diese Umfassungsmauer angelehnte Bauten errichtet: eine Friedhofkapelle und ein nordöstlich daran anschliessendes, etwas tiefer liegendes Beinhaus. Beide Bauten, deren Grundrisse freigelegt worden sind, waren mit Mörtelböden ausgestattet. In der Kapelle stand ein einfacher Altar. In den Jahren 1637/38 wurde das romanische Gotteshaus, wie auch urkundlich nachgewiesen werden kann, erweitert. In diesem Zusammenhang errichtete man eine neue Westwand, rund zwei Meter ausserhalb der offenbar verwitterten und baufälligen alten Kirchenmauer.
Ausgrabungen auf dem Kirchhügel, 1962.

Das Areal innerhalb der Umfassungsmauern diente als Kirchhof. Bei den Aushubarbeiten konnten bis drei übereinanderliegende Gräberhorizonte festgestellt werden. Auf dem Platze seeseits der Kirche, wo bis 1819 beerdigt worden ist, stiess man nur wenig unter der Erdoberfläche auf das 100 x 60 Zentimeter messende Bruchstück der Sandstein-Grabplatte des letzten Landschreibers der Herrschaft Wädenswil, des 1773 verstorbenen Johann Jakob Eschmann. Die Fundgegenstände der Grabung 1962, vor allem Scherben von grobem, zum Teil glasiertem Gebrauchsgeschirr sowie vereinzelte Ofenkacheln und Glasscherben, stammen zur Hauptsache aus der Zeit um 1600. Zwei schwarz glasierte Kachelfragmente mit stilisierten Blattmotiven können ins 15. Jahrhundert datiert werden. Ein Gefäßboden mit blauer Innenmalerei gehört dem 18. Jahrhundert an und stammt wohl aus der Werkstatt der Hafner Bleuler in Zollikon. An Tierknochen traten neben Überresten des Rinds verschiedene Wildschwein-Zähne und ein Stück eines Hirschhorns zutage.
Die Ausgrabungen sind vom Kanton, der Gemeinde und der reformierten Kirchenpflege finanziert worden. Ein von Kirchenpflege und Gemeinderat herausgegebener Grabungsbericht gibt weitere Aufschlüsse über die archäologische Sondierung und enthält mehrere Pläne und Abbildungen.



Peter Ziegler