Am 1. Januar 1519 hielt Ulrich Zwingli seine Antrittspredigt am Grossmünster in Zürich, und im Jahre 1523 stellte sich der Zürcher Rat hinter die neue reformierte Lehre1. Auf der Landschaft dauerte es jedoch länger als in der Stadt, bis die neuen Glaubensideen Fuss fassten. Auch in der Herrschaft Wädenswil standen vorerst starke Kräfte hindernd entgegen2. Das Territorium – ein Pufferstaat zwischen den beiden extremen Glaubensparteien Zürich und Schwyz – gehörte damals noch dem katholischen Johanniterorden, und dessen Schaffner, Hans Wirz von Uerikon, hing treu am alten Glauben3. Ein weiterer hemmender Grund war die starke wirtschaftliche Verbundenheit, ein ausgedehnter Handel der Wädenswiler mit den benachbarten schwyzerischen Gebieten. Überdies hing der Wohlstand des Gastgewerbes von Wädenswil und Richterswil weitgehend vom Ansehen ab, das die Einsiedler Madonna besass, zogen doch jährlich zahllose Pilger durch die Gemeinde zur ehemaligen Zelle Meinrads, übernachteten auf Gemeindeboden oder stärkten sich mit Speise und Trank für den Weiterweg. Ein Übertritt zur Reformation oder eine Schwächung des Ansehens des Heiligtums bedeutete deshalb für viele Wädenswiler eine Einkommenssenkung.
Solchen Faktoren, die gegen die Reformation sprachen, stand einer gegenüber, der wesentlich ins Gewicht fiel und der Reformation im Johanniterstaat Wädenswil schliesslich zum Siege verhalf: Das Streben der Untertanen nach Freiheit und Lösung vom Orden. Dieses Verlangen wurde eine Strecke weit unterstützt von der Stadt Zürich, die aber ihrerseits darnach trachtete, die Herrschaftsleute unter ihre Fittiche zu nehmen, um die Macht am See und an der wichtigen Handelsstrasse nach den Bündner Pässen auszubreiten und zu verankern. Nachdem das mächtige Bern 1528 offen zur Reformation übergetreten war und man das Heranreifen der Dinge in St. Gallen, Schaffhausen, Basel, Konstanz und Strassburg spürte, wendete Zürich sein Interesse wieder vermehrt der Herrschaft Wädenswil zu. Es sah eine Auseinandersetzung mit den altgläubigen inneren Orten immer näher rücken, und gerade in einem solchen Kampf konnte die Stellungnahme von Wädenswil nicht gleichgültig sein. Einmal eignete sich das Gebiet für einen raschen Vorstoss ins Innere des Landes Schwyz nicht schlecht. Anderseits bot die feste Burg Wädenswil günstige Verteidigungsmöglichkeiten, wenn die Stadt Zürich nach dem Plan der Katholiken mit Hilfe ausländischer Heere angegriffen werden sollte.
Die Ereignisse entwickelten sich für Zürich günstig. Im Sommer 1528 starb der alte Schaffner Hans Wirz. Sein Sohn Hans, Nachfolger im Amt, war der Reformation freudig zugetan. Damit war das Geschick der Herrschaft Wädenswil entschieden. Um den Formen Genüge zu tun, schickte der Rat von Zürich eine Abordnung zu Hattstein, dem Oberstmeister des Ordens, und bat ihn, er solle die Bilder und Altäre – die äusserlichen Zeichen des alten Glaubens – entfernen lassen. Der Ordensmeister versagte seine Einwilligung. Zürich liess aber nicht locker. Am 4. Juli 1528 schickte es den Geistlichen der beiden Gemeinden eine Botschaft, in der sie aufgefordert wurden, «das göttlich wort» «trüwlichen» zu verkünden. Aber auch die Pfarrer machten wenig Miene, der Aufforderung des Rates nachzukommen. Gleichzeitig mit den Pfarrern wurde auch die Gemeinde aufgefordert, Messe und Bilder abzuschaffen und den Glauben dem der Stadt anzugleichen4.
Am 12. Mai 1529 fiel dann die Entscheidung. In offener Abstimmung wurde in einer Gemeindeversammlung der Beschluss gefasst, der Reformation die Tore zu öffnen und dem Evangelium allein den Weg frei zu geben. Dieser Beschluss wurde unterzeichnet von Hans Wirz, dem Schaffner, Heinrich Eschmann zu Richterswil und dem Bürgermeister von Zürich. Die Stadt fürchtete im Anschluss an diesen Entscheid Unruhen und liess vorsorglicherweise die Burg durch einige Bewaffnete besetzen.
In Wädenswil geschah allerdings nicht viel. Man war vorsichtig und hielt dem alten Glauben ein Hintertürchen offen. Anstatt die Bilder und Altäre zu entfernen, wurden sie nur mit Tüchern verhängt und erst 1540 beseitigt.
Bald nach der Einführung der Reformation in Wädenswil erging durch das Zürichbiet das Aufgebot zum Ersten Kappelerkrieg. Die Herrschaftsleute standen treu zur Stadt, obwohl ihnen der Ordensmeister anbefohlen hatte, neutral zu bleiben. Schaffner Wirz hielt die Burg besetzt, und an der Herrschaftsgrenze waren Wachen aufgestellt. 90 wehrfähige Männer aus Wädenswil und Richterswil stiessen am 8. oder 9. Juni zum Kappeler Heer.
Die Beziehungen zu den schwyzerischen Nachbarn blieben aber trotz des Krieges ungetrübt, vielleicht wohl deshalb, weil Wädenswil weniger aus konfessionellen denn aus politischen Gründen zu Zürich hielt, wollte es sich doch von den Johannitern freimachen.
Der Erste Landfriede, der im Anschluss an den Ersten Kappelerkrieg geschlossen wurde, war nicht von langer Dauer. Am 11. Oktober 1531 traten Katholiken und Reformierte auf dem Felde bei Kappel erneut zur Schlacht an. Diese nahm für Zürich eine schlimme Wendung. Die keck angreifenden Innerschweizer schlugen die reformierte Vorhut innert kürzester Zeit. Der Fall Zürichs war hart, die Folgen für die Reformation und ihre weitere Ausbreitung waren gross. Nach der Niederlage von Kappel war die Herrschaft Wädenswil direkt gefährdet. Schaffner Wirz rechnete mit einem Einfall der Schwyzer ins Herrschaftsgebiet und liess die Burg wieder besetzen. Nachdem die reformierten Toggenburger und St. Galler Uznach erobert hatten, entspannte sich die Lage vorübergehend. Am 7. November 1531 drangen aber nochmals katholische Krieger über den Albis an den Zürichsee vor. In den Seedörfern verbreitete sich Furcht und Zittern. Horgen wurde geplündert und angezündet. Die aufsteigenden Rauchwolken zeigten auch den Wädenswilern, wie brenzlig die Sache stand. Plötzlich erinnerten sich die Herrschaftsleute wieder ihrer Zugehörigkeit zum Johanniterorden und der Vorteile, die ihnen dieser in jenem Augenblick wieder bot. Über den Kopf des Schaffners hinweg schlossen die Untertanen mit den Führern der Fünförtischen einen vorzeitigen Waffenstillstand. Das reformierte Bekenntnis wurde um der materiellen Sicherheit willen vergessen!
Im Jahre 1534 trat Pfarrer Konrad Nüppein, der kein überzeugter Anhänger der Reformation gewesen war, von seiner Stelle zurück. In Michael Schlatter, seinem Nachfolger, erhielt die Gemeinde Wädenswil erstmals einen der Reformation günstig gesinnten Pfarrer, der sich mit Eifer und Hingabe für die Lehre Zwinglis einsetzte. Die Verstocktheit seiner Pfarrkinder rieb aber seine Kräfte auf. Resigniert zog er sich 1540 vom Pfarramt zurück5.