Der Kirchenneubau von 1764/67

Quelle: Wädenswil Erster Band von Peter Ziegler

Die Planung

Das prachtvolle Bauwerk des Teufener Meisters Johann Ulrich Grubenmann (1709–1783) ist in verschiedenen Publikationen ausführlich gewürdigt worden, zuletzt in der Jubiläumsschrift, welche 1967 zur 200-Jahr-Feier erschienen ist1. Hier wird auch ein zeitgenössischer Bericht über die Planung, den Bau, die Finanzierung und die Einweihung der Kirche ediert. Auf dieser von Landrichter Heinrich Höhn verfassten und 1833 von Geometer Rudolf Diezinger kopierten Chronik basiert der folgende Zeitplan des Kirchenbaus2.
 
1749
Letzte Renovation der alten Kirche. Anstelle der trüben Fenster werden «heitere» Scheiben eingesetzt.
 
1759
Bau des heutigen Pfarrhauses am Standort des alten Gebäudes.
 
1760
Die Kirche befindet sich wieder «in üblem Zustand», der Anstrich ist grösstenteils abgefallen. Der Stillstand berät über einen Kirchenneubau, da sich die Renovation des alten Gotteshauses kaum lohnt und die Platzzahl der stark angewachsenen Bevölkerung nicht mehr genügt.
 
1763
Die Gemeindeversammlung stimmt dem Kirchenneubau auf Antrag des Stillstandes mit grossem Mehr zu. Der Stillstand setzt sich mit Johann Ulrich Grubenmann in Teufen, dem bedeutendsten erreichbaren Baumeister, in Verbindung. Grubenmann reist nach Wädenswil und legt einen Bauplan vor, «der der alten Kirche ähnlich, aber beträchtlich länger» ist. Mit dem Baumeister wird ein Vertrag abgeschlossen, wonach er die neue Kirche für 16’000 Gulden baut, wenn ihm ausser dieser Summe die alte Kirche zum Abbruch überlassen wird. Verschiedene Bürger sind mit Grubenmanns Projekt nicht zufrieden und legen zum Teil eigene Pläne vor. Der Stillstand bittet Grubenmann, nach dem Riss, dem Bauplan, des Untervogts Blattmann zu bauen, da dieses Projekt der Gemeinde am besten gefalle. Der Baumeister gedenkt nicht, sich darnach zu richten, erklärt sich aber bereit, nach den Vorschlägen und Angaben des Herrn Pfarrers Hofmeister ein Modell zu bauen. Pfarrer Hofmeister beeinflusst Grubenmann im Sinne Blattmanns und der Stimmbürger. Die Zürcher Regierung beschliesst, den Wädenswiler Kirchenbau mit 1500 Gulden zu subventionieren. Der Stillstand verhandelt mit den «Hausern ob der Kirche» betreffend Landerwerb für die Erweiterung der Kirchenanlage. Die Grundbesitzer wollen jedoch dem Stillstand keinen Schuh breit Land abtreten, obwohl die Behörde dafür bezahlen will, was man verlangt. Pfarrer Johann Heinrich Hofmeister anerbietet sich schliesslich, dem Stillstand das zwischen dem Töbelibach und der Kirchhofmauer gelegene Stück seiner Pfrundmatte zu überlassen, damit ein grösserer Bauplatz zur Verfügung steht.

Die Ausführung

1764
Die Gemeindeversammlung beschliesst am 14. Mai, die neue Kirche solle nach dem von Grubenmann erstellten Modell gebaut werden. Die Steinmetzen nehmen sogleich ihre Arbeit auf, und man beginnt mit dem Ausheben der Fundamentgruben. Ende Juli ist der erste Mauerkranz aufgeführt. Am 1. August wird unter Glockengeläut und in Anwesenheit des Landvogtes, des Stillstandes und einer grossen Volksmenge der Eckstein gelegt. Da die neue Kirche bedeutend grösser wird als die alte, kann man grosse Teile des Mauerwerks aufführen, ohne dass das frühere Gotteshaus abgebrochen werden muss. Im Winter 1764/65 beseitigt man dann den Glockenturm, im März
 
1765
den Dachstuhl, und zwischen Ostern und Pfingsten ist auch in der Kirche, wo bis jetzt noch Gottesdienst gehalten worden ist, «alles ruiniert». Am 17. März ermächtigt die Gemeinde den Stillstand zur Anschaffung «eines neuen Kirchenzeits» und neuer Glocken. Am 29. Mai beginnt Zimmerpolier Hans Jakob Messmer von Erlen/Thurgau mit seinen Gesellen auf dem Acker des Sagenschmieds Heinrich Theiler unterhalb des Schulhauses mit dem Abbinden des Dachstuhls. Am 12. Oktober treffen zwei Glocken (36 Zentner und 18 Zentner) in Wädenswil ein. Da der Kirchturm noch nicht vollendet ist, werden sie auf dem Kirchhof aufgestellt. Am 10. Dezember ist der Glockenstuhl fertig gezimmert. Man baut ihn auf dem Kirchhof zusammen, hängt die Glocken hinein und kann so den ganzen Winter über läuten.

1766
Im März gipsen Peter Anton Moosbrugger von Schoppernau im Bregenzerwald und zwei Gesellen die Kirchendecke, dann beginnen sie mit den Stuckaturarbeiten. Am 26. Juli trifft die grosse Glocke in Wädenswil ein. Sie wird, da Turm und Glockenstuhl mittlerweile fertiggestellt worden sind, sofort in die Glockenstube aufgezogen. Anschliessend werden auch die beiden andern Glocken im Turm montiert. Im September kommt auch die kleinste Glocke in Wädenswil an. Angetrunkene Arbeiter hängen sie aber nicht richtig ein, und beim ersten Läuten springt sie. Im November 1766 reisst auch die 18-zentnerige Glocke. Im Herbst setzt der Wädenswiler Glaser Hans Jakob Scheller die Kirchenfenster ein; im November vergantet man an sechs aufeinanderfolgenden Tagen die Kirchenstühle auf den drei Emporen. Für die 581 Stühle löst man 27’717 Gulden.

1767
Im Februar trifft die neu gegossene kleinste Glocke ein. Die Versteigerung der Weiberbänke im Schiff erbringt im März einen Erlös von 32’899 Gulden. Zimmerpolier Messmer nimmt die hölzerne Kanzel in Arbeit. Im April liefert Glockengiesser Schalch in Schaffhausen die neu gegossene 18-zentnerige Glocke. Am 18. Juli marmorieren Moosbrugger und ein Geselle die hölzerne Kanzel schwarz und weiss; tags darauf hält Pfarrer Hofmeister die erste Predigt auf der neuen Kanzel. Pfarrer und Untervogt sitzen erstmals in ihren neuen Stühlen. Am 11. August werden die Stühle links und rechts der Kanzel versteigert, und am 22. August stellt man den aus schwarzem Bündner Marmor verfertigten Taufstein in die Kirche. Die beiden noch fehlenden Kirchhofportale – Schlosserarbeiten des Horgner Meisters Trüb – werden eingehängt. Mit Festpredigt, Kantate und grossem Volksfest feiert Wädenswil am 23. August die Einweihung der neuen Kirche.
Im November werden die Umgebungsarbeiten abgeschlossen; auf der Nordostseite setzt man Grabsteine. Am 22. Dezember rechnet der Stillstand mit dem Baumeister ab.
 
1768
Am 15. Februar befestigt man an den Weiberbänken «die Blächlein mit den darauf gemalten Wappen». Sie sind das Werk des Malers Johannes Rhyner von Wädenswil.
Die 1767 eingeweihte Kirche von der Bergseite. Vergrössertes Aquarell, das wohl dem Zürcher Heinrich Keller (1778-1862) zuzuschreiben ist.

Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus von Süden. Ausschnitt aus einer Zeichnung von J. J. Aschmann, um 1800.

Am 21. Februar nehmen die Kirchgenossen Kenntnis vom günstigen Ergebnis der Baurechnung; am 17. April überbringen zwei Mitglieder des Stillstandes dem Baumeister Grubenmann die letzte Rate des Honorars. Am Montag, dem 22. August, verliest der Untervogt vor in der Kirche versammelter Gemeinde in Gegenwart des Landvogtes und des Pfarrers die Kirchenbaurechnung. Weil während des Baues immer wieder zinsloses Geld vorgeschossen worden ist, und weil die Versteigerung der Kirchenörter ein erstaunliches Resultat gezeigt hat (Untervogt Blattmann bezahlte beispielsweise für seinen Kirchensitz 1200 Gulden oder beinahe die Hälfte des Architektenhonorars), schliesst die Rechnung sogar mit einem Überschuss, was die Kirchgenossen mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen.
Kirche Wädenswil von Nordosten, mit Pfarrhaus und Kirchhof. Aquarell von Johannes Isler, 1768. Wohl eine Studie zur grossen Dorfansicht, die Isler 1769 geschaffen hat.

Links: Porträt des Untervogtes Hans Caspar Blattmann von Wädenswil (1716-1786), Müller im Giessen. Rechts: Kirche Wädenswil von Nordosten, als Hinweis darauf, dass Untervogt Blattmann während des Kirchenbaues von 1764-1767 als Säckelmeister geamtet hat. Gemälde eines Unbekannten.

Titelblatt der gedruckten Predigt, die Pfarrer J. H. Hofmeister am 23. August 1767 anlässlich der Einweihung der neuerbauten Kirche gehalten hat.

Kirchenortsschein von 1780. Quittung für Heinrich Hauser auf der Wyden, den den Kirchenstuhl Nr. 90 auf der Empore linker Hand der Kanzel für Erb und Eigen gekauft hat.

Männerstühle auf der Empore gegen die Schönenbergstrasse, mit aufgemalten Wappen und Namen des ersten Besitzers. Aufnahme vor der Innenrenovation von 1950/51.

Die Glocken

Die Glocken, die heute im Kirchturm hängen, haben folgende Tonarten, Gewichte und Inschriften:

1. Glocke. cis. 268 kg.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesu Christo. Amen.

2. Glocke. Leichenglocke. a. 533 kg.
Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren, und selig die Toten, die im Herrn sterben.

3. Glocke. Vesperglocke. e. 1317 kg.
Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.

4. Glocke. Betglocke. cis. 2344 kg.
Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Wachet, denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde der Herr kommt.
 
5. Glocke. a. 4442 kg.
Halleluja! Dem der überschwänglich tun kann über alles, was wir bitten und verstehen nach der Kraft, die in uns wirkt, sei Ehre in der Gemeinde durch Jesum Christum zu allen Zeiten, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Kirchenrenovation von 1916: auch der Turmhahn muss aufgefrischt werden.

Renovation des Turmhahns, 1916. Im Hintergrund neues Eidmattschulhaus und Turnhalle.




Peter Ziegler

Anmerkungen

1 Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Wädenswil für 1967.
2 Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Wädenswil für 1967, S. 39–77.