Schloss Wädenswil

Quelle: Rundgang II durch Wädenswil, Publikation 1990 von Peter Ziegler

Geschichte

Die Schlossanlage Wädenswil wurde in den Jahren 1551 bis 1555 gebaut und diente den zürcherischen Landvögten bis 1798 als Amtssitz. 1890 richtete sich in den aus Privatbesitz zurückgekauften Räumen eine interkantonale Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau ein, welche 1902 an die Eigenossenschaft überging, nun Eidgenössische Versuchsanstalt hiess und seit 1968 den Namen Eidgenössische Forschungsanstalt führt.
Die Geschichte des Schlosses Wädenswil von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart wird in der Broschüre «Schloss Wädenswil», die 1982 in der gleichen Schriftenreihe erschienen ist, ausführlich gewürdigt. Über Gründung, Entwicklung und heutige Aufgaben der Eidgenössischen Forschungsanstalt orientiert die 1990 herausgegebene Festschrift «100 Jahre Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau Wädenswil, 1890−1990». Hier sollten bau- und kunstgeschichtliche Hinweise das Schwergewicht bilden. Knappe geschichtliche Abrisse vermitteln die Informationstafeln am Verwaltungsgebäude und auf der Rückwand der Schloss-Terrasse:
 
1549 Zürich erwirbt die Johanniterherrschaft Wädenswil und gliedert sie als Landvogtei seinem Stadtstaat ein.
1551−1555 Als Amtssitz des Landvogtes wird das von einer Ringmauer umgebene Schloss mit Wohnhaus und Zehntenscheune erstellt.
17 Jh. Bau von palisadenbewehrten Schanzen vor der Ringmauer.
1798 Ende der Landvogtei-Zeit.
39 Schloss Wädenswil von Süden.
1800−1802 Erziehungsinstitut für Knaben.
1804 Wohnhaus durch Brandstiftung zerstört.
1816−1818 Wiederaufbau des Hauptgebäudes in klassizistischem Stil durch Hans Conrad Stadler.
1818−1830 Verwaltungszentrum des Oberamtes Wädenswil.
1889 Vierzehn Kantone errichten im Schloss auf Konkordatsbasis eine Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau.
1902 Liegenschaft und Anstalt gehen an den Bund über.
1968 Die Versuchsanstalt wir umbenannt in Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau.
 

Die Ringmauer – ursprüngliche Bausubstanz von 1554

Von der ursprünglichen Anlage sind grosse Teile der Ringmauer erhalten. Auf der Bergseite beeindruckt noch heute das mächtige Fundament aus Bollensteinen; das grosse Rundbogentor trägt im Scheitel die Jahrzahl 1554. Der Torbau selbst – mit Balkenlöchern für die Torverriegelung auf der Innenseite – stammt von 1755. In der Mitte der Ringmauer gegen den See – sie wurde 1816/18 zum Teil abgebrochen und mit Platten abgedeckt – springt noch immer das ehemalige Postenhäuschen erkerartig nach aussen vor. Zum ältesten Baubestand ist auch das ehemalige Waschhaus an der Südecke zu rechnen. Sein gotischer Türsturz ist mit 1554 datiert. Die bergseitige Ringmauer und das Tor wurden in den Jahren 1979 bis 1982 restauriert. Dabei kopierte man im Torbogen die Jahrzahl 1554 und die Steinmetzeichen aus der Bauzeit.

Zschokke-Häuschen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts

Der turmartige Bau mit steilem Walmdach und schlankem Erker in der Nordecke der Ringmauer erscheint erstmals auf einer Zeichnung vom 1665. In einem Plan von 1750 wird das Gebäude als Sennhütte bezeichnet. Heute ist der 1988 letztmals renovierte Bau, der von der Hofseite her über eine Holztreppe erschlossen wird und eine Zweizimmerwohnung enthält unter dem Namen Zschokke-Häuschen bekannt. Hier wohnte der von 1893 bis 1928 an der Versuchsanstalt tätige Pomologe Theodor Zschokke.
41 Torbau von 1750.

42 Zschokke-Häuschen von Westen.


40 Übersichtsplan der Schlossanlage mit historischen Bauten.

1 Ringmauer von 1554. 6 Posthäuschen.
2 Torbau von 1554/1750. 7 Pavillon von 1776/77.
3 Ehemaliges Waschhaus mit Türsturz von 1554. 8 Schlossgebäude von 1816/18.
4 Zehntenscheune von 1743. 9 Werkstattgebäude von 1934.
5 Zschokke-Häuschen.    

 

Zehntenscheune von 1743/44

Am Standort des heutigen Vortrags- und Bibliothekgebäudes – mit Durchgang von der Rutenenstrasse zum Hof – erhob sich die 1553/54 erstellte Zehnenscheune. Sie brannte 1743 nieder und wurde sofort neu aufgebaut. Das Baujahr 1743 ist in einem Wappenstein über dem hofseitigen Torbogen festgehalten, zusammen mit den Familienwappen Hirzel und Lavater in barocken Kartuschen sowie dem Zürcher Standeswappen. Das Zürcher Wappen weist den Bau als obrigkeitlichen Besitz aus, das Hirzel- und Lavater-Wappen erinnern an die beiden Landvögte, die zur Zeit des Brandes und des Wiederaufbaus der Scheune regierten. Auch die dieses Gebäude auszeichnenden Treppengiebel sind für Staatsbauten der damaligen Zeit typisch. Die ehemalige Zehntenscheune wurde 1968 ganz und 1988 teilweise renoviert.
43 Zehntenscheune von Süden.
45 Schlossgebäude von Nordosten.

Schloss-Terrasse von 1776/77

1776 beschloss der Zürcher Rechenrat den Bau eines gemauerten Pavillons: der Schloss-Terrasse in der Ostecke der Ringmauer. Der von einem Walmdach mit kassettierten Untersichten gedeckte Pavillon wird von der Hofseite her durch ein Rundbogenportal mit Wappen im Schlussstein erschlossen. Gegen die Seeseite hin ist er offen. Das kunstvolle schmiedeeiserne Geländer mit den vergoldeten Rosetten stammt aus der Bauzeit. Der klassizistische Zaun dürfte wohl 1816/18 im Zusammenhang mit der Umgestaltung der seeseitigen Ringmauer angebracht worden sein. Die Schloss-Terrasse, ein beliebter Aussichtspunkt, wurde 1976/77 renoviert.
44 Klassizistischer Brunnen aus der Zeit um 1815.
46 Schlossterrasse mit klassizistischem Zaun.

Klassizistisches Verwaltungsgebäude von 1816/18

Das heutige, 1988 restaurierte Verwaltungsgebäude erhebt sich am Standort des 1552 gebauten ehemaligen Wohnhauses der Landvögte, das 1804 Brandstiftung zum Opfer fiel. Das aus einem Erdgeschoss und zwei Etagen bestehende Gebäude unter Walmdach wurde in den Jahren 1816 bis 1818 vom Zürcher Architekten Hans Conrad Stadler (1788−1846) erstellt und beeindruckt durch sein symmetrisches Konzept und seine schlichten klassizistischen Formen. Die Breitseiten weisen fünf, die Schmalseiten drei Fensterachsen auf. An der Nordseite - Richtung Zürichsee – springt ein dreiachsiger Mittelrisalit vor. Er ist von einem Dreieckgiebel mit Lünettenfenster gekrönt. In der symmetrischen gestalteten Südfassade ragt auf der Höhe des ersten Obergeschosses ein einfacher Balkon vor, der auf wie dorischen Säulen ruht. Auf den Schmalseiten des Baus sind die Fenster gegen die Mitte zusammengerückt und bilden so einen Kontrast zu den leeren Eckfeldern. Ein Kranzgesimse mit Konsolenfries leitet über zum Walmdach, das auf allen vier Seite zwei Gauben trägt.

Schlosshof

Der Schlosshof mit altem Baumbestand erhielt sein jetziges Aussehen im wesentlichen um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Der ursprünglich freistehende, sechseckige klassizistische Brunnen entstand um 1815 und wurde 1934 in das neue Ökonomiegebäude einbezogen, welches im Bereich der südöstlichen Ringmauer ein älteres baufälliges Werkstattgebäude ersetzte.
Anlässlich der Restaurierung des Verwaltungsgebäudes im Jahre 1988 wurden auch die Grünflächen im Innenhof teilweise in rekonstruierendem Sinne neu gestaltet. Auf dem Rasenplatz seeseits des Schlossbaus von 1816/18 schuf der Wädenswiler Bildhauer Ueli Fasch 1990 einen Springbrunnen, welcher eine um 1924 beseitigte ähnliche Brunnenanlage ersetzt und das öffentlich zugängliche Areal der Eidgenössischen Forschungsanstalt um einen weiteren Akzent bereichert.

Gehölzgarten

Die Besitzerfamilie Dollfuss pflanzte um 1865 im Schlosshof die zwei Wellingtonien und die Blutbuche; der Tulpenbaum ist älter. Die Steilhänge östlich der Aussichtsterrasse sowie entlang der Schlossgasse waren bewaldet. Unmittelbar nachdem die Deutschschweizerische Versuchsstation die Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau 1890 des ehemalige Landvogteischloss bezogen hatte, wurde unter der Leitung des damaligen Obergärtners Th. Echtermeyer der heutige Gehölzgarten samt Wegnetz angelegt. Die meisten Pflanzen waren Geschenke verschiedener Baumschulen und Gärtnereien an das neue Institut.
Seither wurde der Gehölzgarten mehrmals umgestaltet und ergänzt. Viele der seltenen Arten verdankt man dem Dendrologen Johann Anliker, der von 1934 bis 1966 die Bäume und Sträucher im Schlossareal betreute. In den letzten Jahren lichtete man den zu dichten Baumbestand und den zu üppigen Unterwuchs aus. Namhafte Dendrologen bestimmten die Gehölze soweit nötig neu und versahen sie mit einer Nummer. Ein 1988 publizierter Botanischer Führer, der in der Forschungsanstalt bezogen werden kann, bietet allen interessierten Besuchern wertvolle Hilfe beim Kennenlernen der 145 nach Gattung, Art, Unterart, Familie, Sorte und Herkunft beschriebenen Bäume und Sträucher.

Erste Laborgebäude der Versuchsanstalt

Ausserhalb der durch die Ringmauer begrenzten Anlage des ehemaligen Landvogteischlosses entstanden im Verlaufe des 20. Jahrhunderts verschiedene Laborgebäude und Gewächshäuser der Eidgenössischen Forschungsanstalt. Das erste Laborgebäude, 1902 und 1905 gebaut, zeigt deutliche Elemente des Jugendstils.




Peter Ziegler