Wachsende Bevölkerung
Für die Zeit vom Ende des 15. Jahrhunderts bis ins erste Drittel des 17. Jahrhunderts fehlen bevölkerungsgeschichtliche Quellen, da der zürcherische Staat keine Leib- und Vermögenssteuern mehr einzog. In dieser Zeitspanne muss sich jedoch ein mächtiger Bevölkerungsanstieg vollzogen haben, der einzig durch die Pestepidemien vorübergehend unterbrochen wurde. Stellt man im Jahr 1455 für die Kirchgemeinde Wädenswil eine ungefähre Bevölkerungszahl von 700 Seelen fest, so ergibt sich schon aus dem Steuerregister von 1468 eine Zunahme von rund acht Prozent8. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts überschritt Wädenswil wahrscheinlich die Tausendergrenze. Kurz darauf wurde aber die Bevölkerung stark dezimiert durch die Pestepidemie von 1565, welche in der Kirchgemeinde Wädenswil über 600 Personen dahinraffte. Seit dem 17. Jahrhundert sind wieder Unterlagen vorhanden, die zur Berechnung der Bevölkerungszahlen beigezogen werden können. Ab 1634 legten die Gemeindepfarrer alle paar Jahre genaue Listen ihrer Pfarrkinder an, um über deren geistliche Bildung Rechenschaft abzulegen. Im Jahre 1634 ermittelte man in der Pfarrei Wädenswil 1480 Einwohner9. Davon wohnten 651 im Wädenswiler Berg, der auch das Gebiet von Schönenberg umfasste, und 829 im Dorfrayon.
Gemeindebürger
Ursprünglich war jeder, der in Wädenswil wohnte, auch ein Gemeindegenosse. Er führte einen «eigenen Rauch», besass also eine Herdstelle, meistens ein eigenes Haus. Damit war er vollberechtigter Bürger, hatte das Stimmrecht in den Gemeindeversammlungen und war Teilhaber am Gemeindebesitz, beispielsweise am Gesellenhaus und am Dorfbrunnen. Gemeindesteuern wurden früher nicht erhoben. Dafür waren die Bürger verpflichtet, wenn nötig Frondienste zu leisten, vor allem im Strassenbau.
Die Steuerlisten von 1646 sagen, wer um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu den Wädenswiler Bürgern gezählt wurde10. Es waren die Geschlechter Aeppli, Ammann, Bachmann, Baumann, Blattmann, Brändli, Brupbacher, Bürgi, Diezinger, Eschmann, Friedrich, Gattiker, Haab, Hauser, Helbling, Herdener, Hermann, Hiestand, Hofacher, Hofmann, Höhn, Horger, Hottinger, Hotz, Huber, Hürlimann, Isler, Keller, Kleiner, Knabenhans, Leuthold, Meyer, Pfister, Pfrunder, Rellstab, Ryff, Ryner, Rusterholz, Santmann, Schärer, Scheller, Schnyder, Sennhauser, Staub, Steffan, Stocker, Strickler, Sträuli, Suter, Theiler, Trinkler (Treichler), Trümpler, Welti, Wyder, Widmer, Willi, Zollinger, und Zürrer.
Hintersässen und Einzugsbriefe
Es ist verständlich, dass die alteingesessenen Einwohner nicht gewillt waren, jenen, die weder an Arbeit noch an Geld etwas für die Gemeinde geleistet hatten, die gleichen Rechte zu gewähren wie den alten Dorfgenossen. Nur gegen Entrichtung einer Einkaufsgebühr sollten Fremde gleichberechtigte Gemeindegenossen werden, sonst durften sie sich höchstens als Hintersässen, ohne Anteil an den Gemeindenutzungen und ohne Stimmrecht, niederlassen. Die Zürcher Obrigkeit kam auch der Abschliessungstendenz der Wädenswiler entgegen. Auf ihre Bitte hin setzte sie ihnen im Jahre 1640 in einem Einzugsbrief die Einkaufsgebühren, den Einzug fest11. Die Ansätze zeigen, dass es weniger um die Speisung der Gemeindekasse als vielmehr um die Fernhaltung jeglicher Zuzüger ging. Eine Zeitlang wurden sogar nur Zuzüger aufgenommen, die über «Erb und Eigen» verfügten. Später beschloss der Stillstand, überhaupt keine Zuzüger mehr zuzulassen12. Nachdem er im Jahre 1711 trotz Protest der Fergger und Textilverleger alle Kostgängerinnen («Tischmeitli») aus der Gemeinde verjagt hatte, forderte er 1760 alle Hintersässen ohne Unterschied der Person auf, das Dorf zu räumen. Dieser Beschluss ist aber offensichtlich nicht konsequent durchgeführt worden. In den Gemeinderechnungen der nächsten Jahre sind nämlich die Einnahmen von zwanzig Hintersässen verzeichnet, und 1777 verbuchte man gar Einzugsgelder von 65 neuen Hintersässen13.