Wädenswiler Chronik 1. Juli 1959 bis 30. Juni 1961

Quelle: Jahrbuch vom Zürichsee, Stäfa 1961 von Peter Ziegler

 

Die Bevölkerungszahl steigt

Die Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg brachten der Gemeinde Wädenswil einen beträchtlichen Bevölkerungszuwachs und eine mächtige bauliche Entwicklung.
Dies wird besonders deutlich, wenn man die Volkszählungsergebnisse von 1941, 1950 und 1960 miteinander vergleicht:

Jahr der Erhebung

1941 1950 1960
Einwohnerzahl 9436 10 155 11 665
Protestanten 7197 7576 7691
Katholiken 2171 2472 3598
andere Konfessionen 68 107 376
 
Das Anwachsen der Bevölkerungszahl spiegelt sich im Steigen des Staatssteuerertrages und im Anwachsen der ungedeckten Schuld. Der einfache Staatssteuerertrag erhöhte sich von 486‘000 Fr. im Jahre 1940 auf 1‘171‘000 Fr. im Jahre 1950. Die provisorischen Ergebnisse für 1960 weisen sogar rund 1‘850‘000 Fr. aus. − Dass sich die Gemeinde anderseits Jahr für Jahr vor vermehrte, schwierigere Aufgaben gestellt sieht, zeigt das Anwachsen der ungedeckten Schuld mit erschreckender Deutlichkeit. Im Jahre 1940 bezifferte sich die ungedeckte Schuld auf 541‘300 Fr. Seit 1950 ist sie von 1‘279‘000 Fr. auf rund 5‘172‘000 Fr. (1960) angestiegen.

Bauland zu verkaufen

Die Baulandreserven der in Stadtnähe gelegenen Seegemeinden sind sozusagen erschöpft. In Wädenswil machte sich darum in den letzten Jahren eine zunehmende Nachfrage nach Bauland bemerkbar. Die Bodenpreise schnellten stark in die Höhe. Um 1940 bezahlte man für den Quadratmeter Land etwa acht bis zwölf Franken, um 1950 etwa fünfzehn bis zwanzig Franken. Heute sind Quadratmeterpreise von fünfzig bis sechzig Franken bereits die Regel.
Die Gemeinde Wädenswil treibt gesunde, aktive Bodenpolitik. Sie versucht dem spekulativen Bauen entgegenzutreten, indem sie selbst Land erwirbt und es zu vernünftigen Preisen an Private weiterverkauft. Dadurch können die Behörden die Überbauung entscheidend beeinflussen, Landreserven für öffentliche Bauten sichern und landschaftlich schutzwürdige Gebiete mit einem Bauverbot belegen. Die Gemeindebehörden werden diese Politik weiterführen, umso mehr als sie die volle Unterstützung der Stimmbürger geniessen. Dies hat sich etwa in der Urnenabstimmung vom 5. März 1961 gezeigt, wo die Beteiligung der Gemeinde an der privaten Immobiliengesellschaft «Pro Wädenswil» gutgeheissen wurde.
Immer mehr drängt sich die Schaffung einer Gemeindebauordnung mit Zonenplan auf. Die ausgedehnte Planung ist gegenwärtig in Bearbeitung. Ein erster Entwurf dürfte dem Gemeinderat in nächster Zeit unterbreitet werden.

Unser Dorf wächst

Die folgende Statistik, welche den Zeitraum der letzten sechzig Jahre umfasst, zeigt, wie sich die Zahl der Häuser und Haushaltungen vergrössert hat.

Jahr

Häuser Haushaltungen
1900 873 1783
1910 977 2122
1920 986 2204
1930 1090 2431
1941 1169 2620
1950 1328 2869
1960 1439 3349

Der Förderung des Wohnungsbaues schenkt man in der Gemeinde schon seit mehreren Jahren grosse Aufmerksamkeit. Einen wichtigen Schritt vollzogen die Stimmbürger in der Urnenabstimmung vom 14. Februar 1960. Damals hiessen sie eine Subventionsvorlage für 137 Wohnungen gut und bewilligten auf die Subventionsdauer von höchstens zwanzig Jahren einen jährlichen Kredit von 35‘ 000 Fr. zulasten des Ordentlichen Verkehrs. Diese subventionierten Wohnungen entfallen auf drei Siedlungen. Die Mieterbaugenossenschaft erstellte an der Waisenhausstrasse drei Mehrfamilienhäuser zu je neun Wohnungen.
In derselben Gegend baute die Genossenschaft Eichweid drei Mehrfamilienhäuser zu je zwölf Wohnungen. Eine dritte Gruppe von Wohnbauten entsteht gegenwärtig zwischen der Zuger- und Muslistrase durch die Baugenossenschaft Gulmenmatt des Industrie-Arbeitgebervereins Wädenswil-Richterswil. Die Grossüberbauung in der Gulmenmatt umfasst insgesamt sieben Häuser mit 75 Wohnungen. Fünf dreieinhalb- bis fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser enthalten 43 Wohnungen und zwei achtstöckige Mehrfamilienhäuser zusammen 32 Wohnungen. Wohl kann man bei diesen beiden achtgeschossigen Bauten noch nicht von eigentlichen Hochhäusern sprechen, und doch sprengen sie den Rahmen des Althergebrachten. Sie sind ab Terrain gemessen 23 Meter hoch, 22,8 Meter lang und 8,5 Meter breit. Dank grosser Grünflächen wirken die Hochhäuser jedoch keineswegs störend. Sie fügen sich mit den übrigen Wohnblöcken zu einem harmonischen Ganzen und künden jedem, der vom Neubüel her ins Dorf einfährt, vom Beginn einer neuen Bauepoche.
1960 werden in Wädenswil die ersten Hochhäuser gebaut.

Bevölkerungsentwicklung zwischen 1850 und 1963

In der Zeit zwischen 1850 und 1960 hat sich die Einwohnerzahl der Gemeinde Wädenswil verdoppelt, indem sie von 5617 auf 11‘677 angestiegen ist. Während der ersten neunzig Jahre verlief die Entwicklung eher langsam und recht gleichmässig. Die Zunahme betrug im Jahresmittel ¾ Prozent und war eher auf den Geburtenüberschuss als auf einen Wanderungsgewinn zurückzuführen. Im Jahre 1945 setzte für die Gemeinde Wädenswil eine neue Entwicklung ein. Es liess sich eine Beschleunigung der Zunahme feststellen, welche seit 1960 einen sprunghaften Anstieg erlebt. Ende 1960 zählte man 11‘677 Einwohner; am 31. Dezember 1961 waren es bereits 12‘265, was einem Zuwachs um 588 entspricht. Im ersten Vierteljahr 1962 stieg diese Zahl um weitere 285 auf 12‘550 Einwohner, und Ende Oktober 1962 zählte Wädenswil abermals 730 Bewohner mehr, womit die Bevölkerungszahl 13‘280 erreicht hatte. In den ersten zehn Monaten des Jahres 1962 erhöhte sich damit die Einwohnerzahl um 1015, was einen noch nie gekannten Rekord darstellt. Seit Ende 1945 ist eine Vermehrung um rund 37 Prozent festzustellen oder rund 2,23 Prozent im Jahresmittel.
Während der prozentuale Anteil der Sektionen Stocken und Langrüti an der Gesamtbevölkerung seit 1941 eher abgenommen hat − so in der Stocken von 5,6 auf 4,3 und in der Langrüti von 6,2 auf 5,2 Prozent − ist anderseits eine starke Verlagerung der Wohnbevölkerung nach der Au festzustellen. Im Jahre 1941 machten die 700 Einwohner der Au 7,4 Prozent der ganzen Gemeindebevölkerung aus; 1961 stellten die 1244 Einwohner der Sektion Ort bereits 10,6 Prozent. Von den im Jahre 1962 Zugezogenen fallen 330 Personen, also rund ein Drittel, auf die Au. − Immerhin beherbergt der eigentliche Dorfkern auch heute noch 79,5 Prozent der Gesamtbevölkerung (1941: 81 Prozent).
Auch die Struktur der Bevölkerung hat sich gewandelt. Im Jahre 1910 machten die 1359 Ausländer bereits 15 Prozent der Bevölkerung aus. Schon damals sprach man von den Problemen der Überfremdung. Bis zum Jahre 1920 sank der Anteil an Ausländern als Folge des Ersten Weltkriegs auf 12 Prozent. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein eigentlicher Tiefstand erreicht, der für das Jahr 1950 mit 651 oder 6 Prozent der Gesamtbevölkerung angegeben ist. Dann bewirkte die Hochkonjunktur einen sprunghaften Anstieg auf 1710 (= 15 Prozent). Ende Oktober 1962 war mit 2700 Ausländern (= 21 Prozent) ein neuer Höchststand erreicht.
Die hohen Ausländerzahlen bewirkten eine Verlagerung bei den Konfessionen. Der Anteil der Katholiken stieg von 23 Prozent im Jahre 1910 auf 25 Prozent im Jahre 1920 und erhöhte sich bis 1960 auf 34 Prozent. Ende Oktober 1962 zählte man 5230 Katholiken und Andersgläubige (= 42 Prozent), denen 8050 Angehörige der Landeskirche gegenüberstanden.
 

Strassenbauten, Personenunterführung, Neugestaltung des Bahnhofplatzes

Der Unterhalt des rund 60 Kilometer langen Gemeinde-Strassennetzes erfordert grosse Geldsummen. Die Wädenswiler Strassen sind eben noch vielerorts für «Rösslifuhrwerke» beschaffen und genügen den Anforderungen des modernen Verkehrs in keiner Weise. Im Zusammenhang mit dem Bau neuer Siedlungen mussten eine Reihe neuer Erschliessungsstrassen erstellt werden.
Im Jahre 1955 zählte man auf der Seestrasse in Wädenswil einen durchschnittlichen Tagesverkehr von 4387 Motorfahrzeugen mit Stundenspitzen bis zu 1275 Fahrzeugen. Seit 1955 sind diese Zahlen weiter angestiegen. Das Überqueren der Seestrasse zwischen dem Bahnhofplatz und der Gerbestrasse wurde für den Fussgänger immer schwieriger und gefährlicher. Was lag näher als der Bau einer Personenunterführung zwischen der Gerbestrasse und dem Bahnhofplatz? Im Frühjahr 1960 konnten die Bauarbeiten beginnen. Vorerst galt es den Gerbebach zu verlegen, dann mussten die Liegenschaft «Ammann», das Haus «Zum Scharfegg» und die Transformatorenstation EKZ abgebrochen werden. Dank guter Planung, speditiver Zusammenarbeit und dem Einsatz modernster Baumaschinen schritten die Arbeiten rasch voran. Ende Oktober war die Unterführung im Rohbau fertiggestellt, auf Weihnachten konnte sie provisorisch für den Fussgängerverkehr geöffnet werden. Über eine stufenlose, 4,5 Meter breite Rampe gelangt man von der Gerbestrasse her in die Unterführung.
Haus Scharfegg, abgebrochen 1960.

Diese zieht sich unter der Seestrasse hindurch direkt zu den Bahnperrons und zum Seeplatz. Eine zweite Rampe längs des Kronenblocks ermöglicht den Aufstieg zum Bahnhofplatz. Leider hat sich der Innenausbau der Unterführung stark verzögert, er dürfte jedoch noch dieses Jahr zu Ende geführt werden. Jetzt schon wird die Unterführung stark frequentiert. Dies zeigt, dass sie einem unbedingten Bedürfnis entspricht und dass die Fussgänger für die Möglichkeit des gefahrlosen Passierens der Seestrasse dankbar sind. Durch den Abbruch der beiden architektonisch keineswegs ansprechenden Bauten «Conditorei Ammann» und «Scharfegg» ist das Dorfbild in der Gegend der «Krone» lockerer gestaltet und wesentlich verschönert worden. Dies wird sich besonders dann zeigen, wenn auch der Bahnhofplatz umgestaltet worden ist. Ein diesbezügliches zweites Projekt ist in Vorbereitung, nachdem ein erster Vorschlag von den Stimmberechtigten im Dezember 1960 zurückgewiesen worden ist.

Wasserversorgung

Die bauliche Entwicklung der Gemeinde nötigt zum weiteren Ausbau der Trink-, Brauch- und Löschwasserversorgung. Wegleitend hierfür ist das generelle Ausbauprojekt der Jahre 1950 bis 1953. Zwei Etappen sind bereits vollzogen: Bei der ersten ging es vorab um die Beteiligung am Bau des Seewasserwerkes Horgen, um das Verlegen der grossen Seewasser-Förderleitung Horgen – Wädenswil, um den Bau der Stufenpumpwerke Appital und Schönegg und um die Erstellung der mit diesen Anlagen verbundenen Leitungen und Einrichtungen. Die jetzt vor der Bauvollendung stehende zweite Etappe umfasste im Wesentlichen die Erstellung des Stufenpumpwerkes Waisenhaus mit Ausbau des vorhandenen Reservoirs sowie den Neubau des Reservoirs Gerenau. Für die Verwirklichung einer dritten Bauetappe wurde am 25. Juni 1961 ein weiterer Kredit von 654‘200 Fr. bewilligt. Er wird unter anderem den Bau einer Förderleitung zwischen «Schönegg» und «Stocken» ermöglichen, wodurch der Wädenswiler Berg bei Wassermangel mit aufbereitetem Seewasser versorgt werden kann. Die Rossbergquellen und das Pumpwerk Müsli vermögen den Wasserbedarf auf die Dauer ohnehin nicht mehr zu decken.
Reservoir Appital.

Blick in die Zukunft

Die Bauaufgaben, die es in den nächsten Jahren zu verwirklichen gilt, werden den Ausserordentlichen Verkehr weiterhin belasten, sodass sich vorläufig eine Senkung des mit 166 Prozent verhältnismässig hohen Steuerfusses kaum verantworten liesse. Manches liegt im Argen, bedarf aber zur Sanierung ausgedehnter Studien und bedeutender Mittel. Im Vordergrund steht die Erstellung einer zentralen Kläranlage, was Mittel von gegen acht Millionen Franken beanspruchen wird. Die Verwirklichung dieses grossen Werkes – Land ist in der Rietliau schon seit Jahren reserviert – hängt weitgehend vom Kanton ab, da die Erstellung des Hauptsammelkanals gleichzeitig mit dem Ausbau der Seestrasse erfolgen sollte. Dringlich sind auch Bauten für das Schulwesen. Ein Projekt für eine Doppelturnhalle wird dem Stimmbürger noch dieses Ja unterbreitet werden. Für ein Oberstufenschulhaus rechnet man mit Kosten von rund dreieinhalb Millionen Franken, während Renovationen und Ausbauten an bestehenden Schulhäusern weitere zweieinhalb Millionen Franken beanspruchen werden.
Besonders schlecht ist es um das Strassennetz bestellt. Für notwendige Neu- und Ausbauten während der nächsten Jahre sind nicht weniger als fünfeinhalb Millionen Franken veranschlagt. Auch die Schaffung von Kinderspielplätzen drängt sich auf. Eine neue Schiessanlage wird unumgänglich sein. Auch die Wasserversorgung bedarf des weiteren Ausbaus, ebenso wird das Bürgerheim erweitert werden müssen. Das Gesundheitswesen benötigt ebenfalls bedeutende Mittel, etwa für die Friedhoferweiterung, für die Badanstalt, den Bau eines Pflegeheims für Chronischkranke, für die Kehrichtbeseitigung und den Bau eines zentralen Schlachthauses.
Die protestantische Kirchgemeinde plant die Aussenrenovation der Kirche, die Neugestaltung der Kirchenumgebung und die Renovation des Pfarrhauses, wofür eine weitere halbe Million eingesetzt ist.

Kirchliches

Die reformierte Kirchgemeinde hat letztes Jahr von zwei Pfarrern Abschied genommen. Pfarrer Hans Suter, der 1945 nach Wädenswil gekommen war, folgte auf den 1. Juli 1960 einer Berufung nach Zürich-Friesenberg. Bereits auf den 30. April 1960 erklärte auch der seit 1950 in Wädenswil amtierende Pfarrhelfer Reinhard Zimmermann, der von der Kirchgemeinde Dübendorf-Schwerzenbach zum Pfarrer gewählt worden war, seinen Rücktritt. Die Kirchenpflege musste sich deshalb gleich nach zwei neuen Geistlichen umsehen. Es gelang ihr jedoch, in Samuel Schmid, geboren 1924, und Jörg Gutzwiller, geboren 1928, zwei tüchtige Nachfolger zu finden.
Links Pfarrer Hans Suter, rechts Pfarrer Reinhard Zimmermann, je mit Gattinnen.
 
Die Katholiken der Pfarrei Wädenswil konnten am 27. September 1959 den neuen, ans Pfarrhaus angebauten Etzelsaal einweihen. Der Neubau, welcher den Aufgaben eines Kirchgemeinde- oder Vereinshauses genügt, und ein zwischen Pfarrhaus und Kirche geschaffener Hof mit gedecktem Kreuzgang fügen sich ruhig in das Gesamtbild der Kirchenanlage ein. Die Bauten sind absichtlich in strengen, klaren Formen gestaltet, damit neben den beiden verschieden wirkenden Elementen aus der Jahrhundertwende – der neuromanischen Kirche und dem stillosen Pfarrhaus – nicht noch ein drittes Element hervortrete.
Die Neubauten wurden teils in massiven Backsteinmauern, teils in Beton ausgeführt. Der Beton blieb gewollt sichtbar, damit er als künstlerisches Gestaltungsmerkmal wirke. Architekt Josef Riklin, Wädenswil, hat folgendes Raumprogramm verwirklicht: ein grosser Saal für rund 350 Personen, mit Bühne und Teeküche, ein kleiner Saal für 150 Personen, zugleich Foyer und Garderobe, mit demontierbarer Wand gegen den grossen Saal; eine Bibliothek, vier Vereinsräume, zwei Luftschutzkeller, ein Bastelraum.

Plastik von Emilio Stanzani auf dem Friedhof

Am Tage vor Auffahrt fand mit der Übergabe einer von Bildhauer Emilio Stanzani geschaffenen Bronze-Plastik die Umgestaltung und Erweiterung des Friedhofes ihren vorläufigen Abschluss. Die äusserst dekorativ wirkende Plastik stellt einen Engel dar, der sich über einen Toten neigt, den er waagrecht auf den Armen hält und trägt. Diese allgemein verständliche Darstellung der versöhnlichen christlichen Überzeugung, dass ein Verstorbener nicht am Boden liegen bleibt, sondern aufgehoben, beschützt und erlöst wird, gibt jedem Friedhofbesucher das, was er letztlich an diesem Ort sucht: Trost im Leid. Die auf einer Stele von graublauem Castione-Granit stehende Bronze wurde am Ende der Zentralachse aufgestellt, da, wo sich die Anlage zu weiten beginnt, rundherum Wege angelegt sind und der Blick auf Hang, See und Berge sich öffnet.

Chorfenster in der Kapelle St. Anna

In der Sankt-Anna-Kapelle im Wädenswiler Berg wurde ungefähr zur gleichen Zeit ein vom Engelberger Pater Karl Stadler geschaffenes farbiges Chorfenster eingesegnet. Das sieben Meter hohe und vier Meter breite Fenster ist in neuzeitlichem Stil, in Dalles de verre, ausgeführt. Es zeigt das frühmittelalterliche Motiv Christus der Keltertreter und in den Seitenpartien die Notwendigkeit und den Segen des Christusopfers. Die ganze Komposition des Chorfensters ob dem Altar der Sankt-Anna-Kapelle ist überragt von der Darstellung des Heiligen Geistes in Taubengestalt.




Chorfenster in der Kapelle St. Anna.

Eigenständigkeit in Gefahr

Wädenswil will in jeder Beziehung eigenständig bleiben und nicht zur blossen Schlafstätte der nahen Grossstadt absinken. Der Kampf gegen die Vermassung kann aber nur wirksam geführt werden, wenn der menschliche Kontakt aufrecht erhalten bleibt. Dass sich auch in Wädenswil Symptome der Vermassung abzuzeichnen beginnen, mag etwa die Form des Grüssens zeigen. Je mehr man sich vom Berg her dem See nähert, desto seltener wird gegrüsst!
Glücklicherweise setzen sich verschiedene Gesellschaften und Vereine tatkräftig für die Erhaltung und Pflege des dörflichen Kulturlebens ein. In den Abonnementskonzerten waren wiederum erste Künstler zu hören, wie Adrian Aeschbacher, Peter Lukas Graf und Eduard Müller, ebenso das Winterthurer Streichquartett, die Chambre XXIV des Männerchors Zürich und als Kammermusik das Trio Ehrismann. Einen Höhepunkt musikalischer Tätigkeit in der Gemeinde bedeutete die Aufführung von Bachs Messe in h-moll durch den verstärkten Kirchengesangverein (Leitung: Rudolf Sidler) unter Mitwirkung erstklassiger Solisten (Maria Stader, Marga Höffgen, Herbert Handt, Heinz Rehfuss) und des Winterthurer Stadtorchesters.
Auf literarischem Gebiete führte die Lesegesellschaft getreu ihrer Tradition verschiedene Veranstaltungen durch. Horst von Smelding rezitierte aus Werken von Busch. Hans Roelli, Albert Goes, Arnold Kübler und der Lyriker Reiner Brambach gaben Proben ihres Schaffens. Hugo Loetscher plauderte über sein Stück «Schichtwechsel», Über «ETH − Forschung − Wirtschaft» sprach Prof. Hans Pallmann.
Die Volkshochschule Wädenswil veranstaltete im Winter 1959/60 einen Vortragszyklus mit Prof. Heinrich Spörri, med.-vet., über das Thema «Was ist Leben?» Im Winter 1960/61 schilderte Sekundarlehrer Max Niederer in fünf Lichtbildervorträgen «Unvergängliches Griechenland»: Geschichte, Kultur, Land und Leute. − Die Kulturfilmgemeinde, welche sich die Erziehung zum guten Film zur Aufgabe macht, zeigte die Dokumentarfilme: «Dschungelsage», «Atacama», «Tunesien», «Ewiges Wunder - Leben im Tierreich», «Geisterland der Südsee» und die Spielfilme: «Der blaue Engel», «Die roten Schuhe», «Destry reitet wieder» und «Die sieben Samurai».
Die «Freunde des Volkstheaters», welche kürzlich auf eine fünfzehnjährige Tätigkeit zurückblicken konnten, boten wiederum gutes Theater dar: im Januar 1960 «Glückliche Reise» von Thornton Wilder und «Schreie in der Nacht» von Helmut Heinemann und im Januar 1961 die «Entführung aus dem Verleih» von Josef Villiger.

Die Au im Umbruch

Firma Standard.

Eine sprunghafte Entwicklung hat das Gebiet von Mittelort/Au erlebt. Sie wurde weitgehend gefördert durch die Ansiedlung der Firma Standard Telephon und Radio AG. Ein Viertel der Fabrikanlagen ist bereits erstellt; weitere Bauten werden in den nächsten Jahren folgen. Allenthalben entstehen Wohnhäuser und Wohnblöcke. Auch das «Seegut» Au wird Wohnquartier. Die Mobag Immobilien AG Zürich hat mit dem Bau von drei sechsgeschossigen und acht viergeschossigen Wohnhäusern begonnen. Die ersten der 136 Wohnungen sollen auf Anfang 1962 bezugsbereit sein. Dass in der Au eine neue Zeit angebrochen ist, zeigt auch die moderne Brücke, welche die Seestrasse und die Bahnlinien überführt und dem Automobilisten eine bequemere Zufahrt zum Gasthaus auf dem Auhügel ermöglichen wird. Durch den Bau dieser Überführung kann der gefährliche Niveauübergang SBB aufgehoben werden. Leider wurde durch die Dammaufschüttungen ein Teil des botanisch interessanten und wertvollen Aurieds zerstört.
Überführung bei der Standard befindet sich im Bau.

Das rasche Anwachsen der Bevölkerung in der Au stellt die Behörden vor schwierige Aufgaben. So sah man sich etwa genötigt, ein neues geräumiges Primarschulhaus zu erstellen, das am 4. Oktober 1959 eingeweiht werden konnte.
Schulhaus Ort, erbaut 1958/58.

Die Grünflächen im Augebiet schrumpfen mehr und mehr zusammen. Welch Glück, dass das Au-Konsortium, das dieses Frühjahr das Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens begehen konnte, den Auhügel vor der Überbauung schützt und ihn der Öffentlichkeit zugänglich erhält. Die Gefahr der Überbauung von Nachbarland ist kürzlich akut geworden. Herr und Frau Dr. BoIler wollen den landwirtschaftlichen Teil ihres Grundbesitzes, der an denjenigen des Konsortiums anstösst, verkaufen. Unterhandlungen, an welchen auch der Regierungsrat und die Gemeinde teilgenommen haben, führten zu einem guten Resultat. Herr und Frau Dr. BoIler erklärten sich bereit, ihr Land wesentlich unter dem Verkehrswert an Gemeinde und Kanton zu verkaufen, wenn ihnen Gewähr geboten werde, dass die Landwirtschaft erhalten und das Land in Zukunft nicht überbaut wird.
Bis zum Jahre 1830 war die Halbinsel Au von einem prächtigen Eichenwald beschattet. Als der Kanton die Domäne an Private verkaufte, wurde der Forst niedergelegt. Der Vorstand des Au-Konsortiums war bestrebt, das seinerzeit an der Natur verübte Unrecht einigermassen gutzumachen. Er beantragte daher seinen Mitgliedern, jedes möge entlang der Krete der Halbinsel eine kleine Eiche pflanzen. Dieser Vorschlag fand freudigen Widerhall. Im Anschluss an den Jubiläumsakt «50 Jahre Au-Konsortium» wurden die Bäumchen von den Konsortiums-Mitgliedern eigenhändig gepflanzt. «Wir selbst werden ja nicht mehr Nutzniesser dieses künftigen Eichenhains sein», sagte der Präsident, Dr. Walter Weber, in seiner Rede. «Wir wollen aber hoffen und glauben, dass in abermals fünfzig oder hundert Jahren in einer freien Schweiz, auf einer grünen, unüberbauten Au, im Schatten eines stämmigen Eichenwaldes unsere Nachkommen und mit ihnen Zehntausende von Menschen schöne und glückliche Stunden verleben dürfen.»



Peter Ziegler