Aus der Urgeschichte

Quelle: Die Au gestern - heute, Publikation 1984 von Peter Ziegler

Spuren einer jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung

Die flache Seebucht von Naglikon westlich der Halbinsel Au war schon in der jüngeren Steinzeit (Neolithikum) besiedelt. Nordwestlich des Schlossgutes Au wurde im April 1949 bei niedrigem Wasserstand etwa 70 Meter vom Ufer entfernt eine dichte Ansammlung von Pfahlstummeln beobachtet, die sich über eine Fläche von 70 x 50 Meter erstreckten und etwa zehn bis zwanzig Zentimeter aus dem Boden ragten. Im Sommer 1975 schwammen hier Taucher den Seeboden ab und entdeckten dabei fünf Steinbeilklingen. Das ältere Beil gehört der Pfyner Kultur an, benannt nach der 1942 entdeckten Moorsiedlung im Breitenloo bei Pfyn im Thurgau. Diese Kultur, und damit wohl auch die erste steinzeitliche Siedlung bei Naglikon, liess sich ins frühe 3. Jahrtausend v. Chr. Datieren. Vier Steinbeile aus Naglikon könnten der etwas jüngeren, in die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. anzusetzenden Horgener Kultur angehören. Diese eigenständige Kultur innerhalb des Neolithikums wurde 1934 im Scheller Horgen erkannt und nach diesem Fundort bezeichnet.

Siedlungsreste der Bronzezeit

Bei Rodungsarbeiten am Südhang und auf der Kuppe des Auhügels stiess man im Jahre 1835 auf Waffen aus der Bronzezeit. Es wurden geborgen: ein Bronzeschwert, eine Löffelaxt, ein Bronzekeil, zwei Streitmeissel und schwertartige Lanzenspitzen. Ob die aus der Erde geborgenen Gegenstände aus einem Grab stammten oder zu einem Depotfund gehörten, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Die Objekte gelangten in die Sammlung der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich und wurden in den Mitteilungen 1839 dieser Vereinigung bekannt gemacht. Heute sind die Funde verschollen.
2 Steinbeile der Jungsteinzeit, Keramik der Bonzezeit aus Naglikon.

3 Schale der Bronzezeit, aus der Siedlung bei der Hinteren Au.
Seit 1973 hat man davon Kenntnis, dass im Zürichsee westlich des Bootshauses der Villa von Schulthess in der Hinteren Au Reste von mindestens drei verschiedenen bronzezeitlichen Siedlungen liegen. Die älteste dürfte der spätneolithischen Kultur der Schnurkeramik oder der Frühbronzezeit angehören. Darüber liegen Schichten, die anhand von Eichenholzproben in die Zeit um 1100 bis 1000 v. Chr. datiert worden sind. Eine durch Seekreide getrennte jüngste, oberste Kulturschicht gelegt bereits die Phase des Übergangs von der Bronze- zur Eisenzeit (späte Hallstatt B-Periode), also eine Epoche um 750 v. Chr. Gegenstände aus Bronze konnten in den Seerandsiedlungen bei der Hinteren Au bis heute nicht gehoben werden. Dafür ist die Keramik gut vertreten. Es handelt sich um Scherben von grossen Kochtöpfen und von feineren Bechern, Schalen und Tellern. Manche Rand- und Wandfragmente sind mit Ritz- und Stichmustern verziert. Durchbohrte Scherben mit geritzten Linien deuten darauf hin, dass einzelne Gefässe mit eingelegten farbigen Fäden geschmückt waren. Besonders hübsch ist ein fast vollständig erhaltener spätbronzezeitlicher Topf, der 1975 beim Abschwimmen der Fundstelle entdeckt wurde. An weiteren Fundgegenständen – sie wurden alle dem Schweizerischen Landesmuseum Zürich übergeben – gilt es einen Spinnwirtel aus Ton zu erwähnen, einen Holzkeil in zwei Stücken, unbearbeitete Hirschhornteile sowie Getreidekörner.

Die Au im Mittelalter

In der Herrschaft Wädenswil

Der Auhügel und das noch äusserst dünn besiedelte Gebiet des heutigen Gemeindeteils Au unterstand im Hochmittelalter verwaltungsmässig sowie für die Belange der Gerichtsbarkeit den Freiherren von Wädenswil, die im Jahre 1130 erstmals urkundlich erwähnt werden. Sie bewohnten – sicher seit 1200 – einen Turm ob dem Reidholz und geboten von hier aus über die Herrschaft Wädenswil. Vom Meilibach, der Grenze gegen die Güter der Fraumünsterabtei in Horgen, ersteckte sich die Grundherrschaft der Wädenswiler bis zum Mühlebach zwischen Richterswil und Wollerau, der Grenze zum Stiftsbesitz von Einsiedeln in den Höfen. Im Norden reichte das Territorium bis zur Mitte des Zürichsees, bergseits im Abschnitt des Kirchsprengels Richterswil bis zur Wasserscheide der Hohen Rone, im Bereich der Pfarrei Wädenswil bis an die Sihl. Die Herrschaft Wädenswil umfasste damit das Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Schönenberg und Hütten, aber auch einen Teil von Hirzel sowie Uetikon am rechten Ufer des Zürichsees.
Im Sommer 1287 verkaufte Rudolf von Wädenswil, der ohne männliche Nachkommen blieb, Burg und Herrschaft Wädenswil mit Landeshoheit und Gerichtsbarkeit dem Johanniterorden, beziehungsweise dessen nächster Niederlassung, dem Haus Bubikon. Der Orden übernahm den neuen Besitz am 1. Dezember 1300, nach dem Ableben des Freiherrn. Auch das Gebiet der Au kam damit unter geistliche Verwaltung. Seit den 1330er Jahren stand dem Haus Wädenswil als Leiter ein eigener Komtur vor. Dem Aufstieg und der Blütezeit der Kommende Wädenswil – um 1450 hatte man die alte Freiherrenburg Wädenswil bedeutend erweitert und mit einer Ringmauer versehen – folgte seit den 1470er Jahren der Niedergang. Spannungen zwischen den 1529 reformiert gewordenen Untertanen und dem verschuldeten Orden bewogen die Johanniter im Jahre 1549 zum Verkauf der Herrschaft Wädenswil an Zürich. Als zürcherische Landvogtei wurde das Gebiet 1551 dem Zürcher Stadtstaat eingegliedert.
Grund und Boden in der Herrschaft Wädenswil gehörten nicht ausschliesslich den Freiherren von Wädenswil und ihren Rechtsnachfolgern, den Johannitern. Auch in der heutigen Au gab es Streubesitz verschiedener adeliger und geistlicher Herren.

Herren von Naglikon

Herren von Naglikon besassen anfangs des 12. Jahrhunderts Land im Gebiet des Meilibaches. Der Zürcher Chronist Johann Heinrich Bluntschli vermerkte 1741 in seinem «Memorabilia Tigurina», dass es in Naglikon früher einen «Burgstahl und Adel» gegeben habe. Auch Jakob Leu erwähnt in seinem Schweizerischen Lexikon von 1758 den Weiler Naglikon. Er sei «ein Hof in der Pfarr und zürcherischen Landvogtey Wädensweil, alda ehemals eine Burg gestanden und Edle darvon sich geschrieben …» Wer waren diese Edlen von Naglikon? Wo stand Ihre Burg?
Die Herren von Naglikon treten urkundlich erstmals im Jahre 1130 auf mit «Werin de Naglinchoven». Im Gefolge der Freiherren von Wädenswil bezeugten sie, das Lütolf von Regensberg dem Kloster Einsiedeln ein Grundstück in Fahr geschenkt hatte. Ein Arnold von Naglikon, als Ritter bezeichnet, trat 1188 wiederum mit den Freiherren von Wädenswil zusammen als Zeuge auf. Ein 1194 erwähnter Diethelm von Naglikon dürfte Einsiedler Mönch gewesen sein. Im Jahre 1231 wird eine «A. Matrona de Naglinchon» bezeugt. Sie war die Schwester des damals schon verstorbenen Ritters Arnold von Naglikon und die Gattin des Zürcher Ritters Hugo Brun, auf den möglicherweise die heutige Bezeichnung «Brunnenhof» ob der Station Au zurückgeht. Mit Jutzi von Naglikon, welche 1373 am Rennweg in Zürich wohnte, scheint das Geschlecht ausgestorben zu sein.
4 Erste Erwähnung der Herren von Naglikon, 1130.
Der Standort der Burg Naglikon ist bis heute nicht sicher bekannt. Am ehesten käme der nordwestlich der Häuser im Steinacher gelegene «Sandbühl» in Frage. Dort sollen um 1800 viele Steine und ein Sporn ausgegraben worden sein. Bodenforschungen sind bis jetzt auf dem Hügel «Sandbühl» nicht durchgeführt worden. Sie könnten aber unter Umständen zu wichtigen Aufschlüssen über die Herren von Naglikon führen.

Die ältesten Höfe der Au

Zum Teil komplizierte Grundbesitzverhältnisse auf engem Raum ergeben sich für die ältesten Höfe im Au-Gebiet: für Naglikon (Unterort), Opfisau (Mittelort, Brunnenhof), Schoren, Gebisholz (Oberort), Gwad und Steinacher.
Das mittelalterliche «Naglinchoven» lag an der alten Landstrasse Horgen-Wädenswil, anstelle des heutigen Weilers Unterort, der diese Flurbezeichnung erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts trägt. Nur an wenigen Orten innerhalb der Herrschaft Wädenswil haben Grund und Boden im Mittelalter so häufig die Hand gewechselt wie in Naglikon. Neben den Herren von Naglikon war hier im 12. Jahrhundert auch das Kloster St. Martin auf dem Zürichberg begütert. Aus dem Eigentum dieses kleinen geistlichen Stifts ging vermutlich Land an das Prämonstratenser-Kloster Rüti über. Auch das Kloster Wettingen war in Naglikon begütert. Seine Grundstücke gelangten später an die Fraumünster-Abtei Zürich und durch diese im Jahre 1296 als Erblehen an das Johanniterhaus Bubikon. Nach dem Aussterben des Geschlechts von Naglikon übertrug die Alleinerbin ihre väterlichen Güter im Jahre 1231 der Fraumünsterabtei, welche den Hof zu Naglikon von 1447 bessas. Der Steuerrodel von 1455 nennt die zu Naglikon wohnhaften Zinsleute der Johanniterkomturei Wädenswil. Die Siedlung Naglikon zählte damals etwa dreissig bis vierzig Personen in neun Haushaltungen.
Die Gegend oberhalb des Auseeleins – beim heutigen «Brunnenhof» - hiess um 1256 «Ophangesowa», später Opfensowe und Opfisau. Auch hier verfügten die Fraumünsterabtei, das Kloster Wettingen und das Johanniterhaus Wädenswil über Grundbesitz.
Als Lehenbauern werden 1342 Johannes Scherer, 1432 Heini Keller und Ullmann Tollinger genannt. Sie mussten ausser dem jährlichen Zins respektable Mengen von Zürichseefischen ins Johanniterhaus liefern. Dafür hatten die Erblehenbauern das Recht, in den zum Hof Opfisau gehörenden Wäldern sämtliches Holz für den Eigenbedarf zu schlagen. Ums Jahr 1530 hatte ein Hans Bachmann den Hof Opfisau gepachtet. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war das Heimwesen im Besitz von Heinrich Hottinger «im Ohrt». Damals begann sich auch der Name «Brunnenhof» durchzusetzen. Mit einem Brunnen hat die Bezeichnung wohl nichts zu tun. Näher liegt eine Anknüpfung an alte Tradition, die aber nicht mehr verstanden wurde. In der Urkunde von 1342 ist nämlich die Rede von Gütern, «die man nennet des Brunen Guot ze Opfensowe». Aus dem Gut der Familie Brun, wurde irrtümlich das Brunnengut, der Brunnenhof.
Zu den alten Höfen im Au-Gebiet ist auch der Hof Schoren zu zählen, der 1484 erstmals erwähnt wird. Er stiess unten an den Zürichsee, im Südosten an den Hof zu Gebisholz, im Nordwesten an den Hof auf der Halbinsel Au. Im 17. Jahrhundert ist für «Schoren» auch die Schreibweise «Schären» belegt.
5 Auhügel, Ausee und alte Höfe in der Au. Ausschnitte aus der Karte des Wädenswiler Quartiers von Hans Conrad Gyger, 1659.

In der Gegend des heutigen Oberorts und der Rietliau dehnte sich im Mittelalter das Gebisholz aus, ein Wald, der sich vom Seeufer hangaufwärts und gegen das Gwad hinüberzog. Das Gehölz wird im Wettinger Zinsrodel vom Jahre 1270 erstmals erwähnt. Die Schreibweise änderte in späterer Zeit oft. So treffen wir 1286 Gebelholz, 1484 Gibinsholz und 1555 Gäbisholz. Noch bevor die Waldung gegen Ende des 13. Jahrhunderts mit anderen Wettinger Gütern in den Besitz des Johanniterordens überging, wurde ein Teil des Forstes gerodet. Auf dem Neuland entstanden in der Folge die Hofsiedlung Gebisholz, die in den Steuerbüchern des 15. Jahrhunderts bezeugt ist. 1455 war zu Gebisholz ein Cläwy Blattmann sesshaft, 1468 dessen Sohn Ueli. Der Bauernhof trug noch den Namen Gebisholz, als der Wald, der einst zu Benennung Anlass gegeben hatte, schon längst vollständig gerodet war. Im 17. Jahrhundert ersetzte man die sinnentleerte Bezeichnung durch die verständlichere Neuschöpfung «Oberort».
Im südöstlichen des Gebisholz gelegenen Gwad waren im ausgehenden Mittelalter die Herren von Heidegg begütert. 1454 waren deren Rechtsnachfolger, die Herren von Seengen, im Besitz des Gutes «Gwad». Der Name Gwatt oder Gewat, wie das Gebiet 1484 genannt wurde, weist auf die Bodenverhältnisse hin: auf sumpfiges Gelände. Das Terrain war lange Zeit siedlungsfeindlich. Die ältesten Höfe lehnten sich an den Hang. Sie standen im Ober-Gwad (Stoffel), während das Untere Gwad, durch das sich zwar die alte Landstrasse zog, vorerst als Streuland und nach erfolgter Drainage landwirtschaftlich genutzt wurde. Ein Hof im Gwad wird im Jahre 1555 erwähnt. Er grenzte an das Bauernheimwesen zu Gebisholz.
Zu den alten Siedlungen in der Au zählt auch der Bauernhof Steinacher. In den Wädenswiler Grundprotokollen findet er sich zwar erst seit dem Jahre 1700. Da aber im Jahre 1805 auf dieser Liegenschaft drei Hypotheken (Gülten) gelöscht wurden, die 1508, 1511 und 1564 aufgenommen worden waren, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass der Hof Steinacher spätestens seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts besteht. Am Ende des 17. Jahrhunderts gehörte das Bauernheimwesen den Familien Hottinger und Eschmann. 1730 erstellten die Eschmann das heutige Doppelwohnhaus. Das ältere, hölzerne Gebäude gehörte 1782 Jakob und Johannes Eschmann; es wurde nach 1804 abgerissen. Bis 1819 blieb der Hof noch im alleinigen Eigentum der Eschmann. Dann wurde der Besitz geteilt. Der untere Hausteil kann 1819 an den Schwager Conrad Wälti in Enge, 1825 an Johannes und Heinrich Bürkli von Obermeilen, 1834 an Caspar Blattmann an der Leigass in Wädenswil, 1838 an Konrad Bär, 1867 an David Treuberg von Bern, 1896 an Theophil Leuthold und dann an Gottlieb Treichler von Schönenberg und 1922 an Jakob Albert Hauser Landwirt im Feld Wädenswil.
Der obere Hausteil gehörte bis 1853 der Familie Eschmann. Dann ging dieser Besitz an die Tochtermänner Gottlieb und Heinrich Haab über, deren Nachkommen heute noch Inhaber sind.




Peter Ziegler