Von der Villa Gessner zum Kirchgemeindehaus

Zum Abschluss der Restaurierung

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 28. März 1989 von Peter Ziegler
 
Das Kirchgemeindehaus Rosenmatt, die 1898/99 erstellte Villa des Seidenindustriellen Emil Gessner-Heusser, ging 1938 ins Eigentum einer Stiftung über und dient seit dem Umbau von 1940 als Kirchgemeindehaus. Die im November 1988 abgeschlossene Aussenrestaurierung des Gebäudes gibt Anlass, sich mit dem Architekten, dem Bauherrn und der Baugeschichte des Hauses zu befassen sowie die Aussenrestaurierung zu würdigen.
Am Standort des heutigen Kirchgemeindehauses besass August Gessner-Theiler (1815–1896), der im benachbarten «Rosenhof» seit 1841 zusammen mit einem Teilhaber und ab 1849 auf eigene Rechnung ein Seidengeschäft betrieb, eine ältere Liegenschaft mit Umschwung, die er 1897 seinem Sohn Emil abtrat. Dieser liess das Wohnhaus abbrechen und an dessen Stelle eine herrschaftliche Villa errichten.
Ansicht von Osten.

Der Architekt: Albert Müller

Mit der Planung des Neubaus wurde ein damals bekannter Architekt beauftragt: Professor Albert Müller (1846–1912) in Zürich. In Schaffhausen geboren, siedelte Müller 1862 mit seinen Eltern nach Zürich über, wo er mit Ausnahme der Wanderjahre sein ganzes Leben verbrachte. Um sich dem Studium der Architektur zu widmen, trat er 1863 in die Bauschule des Eidgenössischen Polytechnikums, der späteren ETH, ein, wo er in Gottfried Semper (1803–1879) einen Lehrer fand, der ihn für die Baukunst zu begeistern wusste. Semper erkannte die Begabung des jungen Mannes und beschäftigte ihn in seinem Privatatelier bei der Bearbeitung verschiedener Bauentwürfe, so des Stadthauses in Winterthur und des Richard-Wagner-Theaters in München. 1868 erlangte Albert Müller das Diplom eines Architekten, dann ging er auf Wanderschaft. Zuerst arbeitete er im Atelier des Architekten Karl Tietz in Wien, dann von 1871 bis 1874 bei Karl Hasenauer und seinem früheren Lehrer Semper im Baubüro für die kaiserlichen Museen (Ausbau der Hofburg, Bau des Burgtheaters).
Nach seinem Weggang von Wien unternahm Albert Müller eine längere Studienreise nach Italien und liess sich 1875 in Zürich nieder. Im internationalen Wettbewerb für den Bau der Börse in Zürich gewann er 1876 den ersten Preis und wurde mit der Ausführung des im Stil der italienischen Hochrenaissance konzipierten Monumentalbaus beauftragt. 1897 erhielt er den Auftrag zum Bau der Kirche Rorschach.
1879 berief der Stadtrat von Zürich den bekannten Architekten Albert Müller zum Direktor des Zürcher Gewerbemuseums und der Kunstgewerbeschule. Sein grosser Einsatz für diese beiden Institutionen wurde 1890 mit dem Ehrenbürgerrecht und der Verleihung des Professorentitels belohnt. 1897 trat Müller von seiner amtlichen Stellung zurück und betätigte sich fortan ausschliesslich als Privatarchitekt. Wohnhäuser und Villen in Zürich, Wädenswil (unter anderen Fuhrstrasse 27 und 38), Schaffhausen, Rorschach und Thalwil zeugen vom feinen künstlerischen Sinn des begabten, 1912 verstorbenen Semper-Schülers.

Der Bauherr: Emil Gessner-Heusser

Emil Gessner, 1848 geboren, besuchte von 1863 bis 1866 die Industrieschule in Winterthur und erweiterte anschliessend seine Sprach- und Fachkenntnisse in Lausanne, Lyon und Bergamo. Von New York aus, wo er sich den letzten Schliff des Kaufmanns geben liess, reiste er mit einigen Freunden rund um die Welt, was damals noch kein Leichtes war, um seinen Horizont für die kommenden Aufgaben zu weiten. Reich an Erfahrungen kehrte er 1873 in die Heimat zurück und wurde Prokurist in der Seidenfirma seines Vaters August Gessner. Im April 1880 verheiratete sich Emil Gessner mit Meta Regina Heusser (1859–1931), Tochter eines Arztes und Nichte der Schriftstellerin Johanna Spyri-Heusser. 1881 wurde er Gesellschafter der Firma Gessner & Co. und zeichnete von 1886 an als unbeschränkt haftender Inhaber.
Weil eine mechanische Seidenweberei in den bisherigen Geschäftsräumen im «Rosenhof» nicht eingerichtet werden konnte, bewegte Emil Gessner seinen Vater 1880, einen grosszügigen Fabrikneubau zu errichten. Die vom Wädenswiler Architekten Karl Schweizer geplante Weberei mit Kesselhaus und Hochkamin war 1882 vollendet und wurde 1889, 1895 und 1898 erweitert. Mit der Gründung einer Aktiengesellschaft am 1. Juli 1909 nahm die Geschichte des Seidenhauses Gessner eine neue Wendung.
Emil Gessner-Heusser.
Emil Gessner beteiligte sich rege am politischen Leben der Gemeinde Wädenswil und des Kantons Zürich. 1874 wurde er in den Gemeinderat gewählt und war Mitglied der Steuerkommission und des Verwaltungsrates der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn. 1882 erfolgte seine Wahl in den Kantonsrat. Während langer Jahre gehörte er der Sekundarschulpflege Wädenswil-Schönenberg an. Er war Mitglied der Sparkassagesellschaft und zählte 1878 zu den Gründern der «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft Wädensweil», 1893 des Elektrizitätswerks Waldhalde an der Sihl und 1894 der «Dampfbootgesellschaft Wädensweil». Emil Gessner starb am 22. Mai 1917.

Bau der Villa Gessner

Die Fassaden- und Grundrisspläne für die 1898/99 gebaute, dreissig Räume enthaltende Villa des Seidenindustriellen Emil Gessner-Heusser sind im Archiv der Stiftung Kirchgemeindehaus Wädenswil erhalten. Verschiedene Varianten machen deutlich, wie Architekt Albert Müller um die Gestaltung des Hauses und namentlich um die Dachform gerungen hat. So zeigt eine nicht ausgeführte Studie eine nur 15 Meter hohe südländische Villa mit knapp geneigtem Dach über behäbigem Grundriss, während der heutige Bau 22 Meter aufragt und über der 10 Meter hohen Fassade ein enorm steiles Dach trägt. Erste Projekte entstanden im März 1897; die endgültigen Pläne sind mit 30. April 1898 datiert.
Westfassade der Villa Gessner. Plan von Architekt Albert Müller, 1898.

Ostfassade der Villa Gessner. Plan von Architekt Albert Müller, 1898.
Nordfassade der Villa Gessner. Plan von Architekt Albert Müller, 1898.

Südfassade der Villa Gessner. Plan von Architekt Albert Müller, 1898.

Baubeschreibung

In der «Schweizerischen Bauzeitung» vom 20. April 1901 hat Architekt Albert Müller die von ihm projektierte «Villa des Herrn E. Gessner-Heusser in Wädensweil» mit folgenden Worten beschrieben:
«Im Mai 1898 wurde mit dem Bau dieser in der Nähe der protestantischen Kirche von Wädensweil gelegenen Villa begonnen, und im September des nächstfolgenden Jahres konnte sie bezogen werden.
Auf einem Unterbau aus Goldauer Nagelfluh erheben sich die mit Tuffstein verkleideten Fassaden, die unter Dach an einzelnen Stellen Riegelmauerwerk mit weissen Putzflächen zeigen. Zu den Thüren- und Fenstereinfassungen wurde im Unterbau Granit, in den darüber liegenden Geschossen Sandstein verwendet. Das Dach ist mit roten Ziegeln gedeckt.
Villa Rosenmatt, Hauseingang unter blauer Decke.

Wie aus dem Erdgeschoss-Grundriss und den beiden Aufrissen ersichtlich ist, befindet sich der Haupteingang mit einer Unterfahrt aus Kalkstein von St. Imier auf der Nordseite des Baues. Über einen Vorplatz gelangt man in gerader Linie in das Vestibül, das von den Fenstern des ersten Stockes beleuchtet wird. Links liegt die Küche mit den dazugehörenden Nebenräumen, daran schliessen sich, um das Vestibül gruppiert: das Esszimmer, der Salon und die weiteren Räume des Erdgeschosses. Vom Esszimmer aus gelangt man in eine geräumige Loggia, die einerseits mit einer Terrasse, anderseits durch eine Treppe mit dem Garten verbunden ist. Küche und Office stehen in direkter Verbindung mit dem Untergeschoss, wo sich die Keller, die Waschküche, das Glättezimmer und der Dienstboten-Abort befinden. Die Haupttreppe in Oggiono-Stein führt bis zum ersten Stock mit den Schlaf-, Gast-, Lehr- und Badezimmern. Die beiden grössten Schlafzimmer stehen mit einer gedeckten Veranda in Verbindung; eine Loggia öffnet sich an der südwestlichen Ecke des Baues. Das Vestibül des ersten Stockes geht auch noch durch den Dachstock, der gleichfalls Schlaf- und Gastzimmer enthält. Die lichten Höhen des Erdgeschosses, ersten Stockes und Dachstockes betragen 3.70, 3.50 und 3.30 m.
Auf die Ausstattung der Räume übergehend, sei bemerkt, dass die wichtigeren Zimmer und das Vestibül im Erdgeschoss Stuckdecken in freier Auftragsarbeit erhalten haben. Die Wahl der Holzgattung für das Getäfer wurde jeweils der Bestimmung der Räume angepasst. Elektrisches Licht und Gasbeleuchtung erhellen das in der kalten Jahreszeit durch eine Wasserheizung erwärmte Haus. Die Baumeister- und Sandsteinarbeiten der Villa führte Herr A. Dietliker in Wädensweil aus.»
Aus Planskizzen geht hervor, dass das Parkeinfassungsgeländer am 11. November 1897 der Bauschlosserei B. Suger in Wädenswil in Auftrag gegeben wurde. Fritz Gauger, Eisenhochbau, Wellblech- und Rollladenfabrik in Zürich-Unterstrass, fertigte im Dezember 1900 den Plan für den Einbau der Sonnenstoren an, G. Helbling u. Cie. in Küsnacht im Juni 1901 jenen für die Erstellung eines Fischtroges und eines Fischputztisches.

Der Rosenmattpark

Im Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1986 hat Maja Blattmann beschrieben, wie Emil Gessner durch den Erwerb des Bauplatzes Ferrari und den Kauf von Häusern und Grundbesitz an der Friedbergstrasse das Umgelände seiner Villa etappenweise zum Umfang des heutigen Rosenmattparks ausweitete. Während ihrer Tätigkeit im Archiv für die Schweizer Gartenarchitektur und Landschaftsplanung in Rapperswil stiess sie zufällig im Nachlass des aus Belgien stammenden, seit 1870 in Schaffhausen und ab 1886 in Zürich tätigen Gartenarchitekten Evariste Mertens (1846–1907) auf Planunterlagen des Rosenmattparks aus den Jahren 1906/07. Da zu dieser Zeit Evariste Mertens wohl der bekannteste Gartenarchitekt war, lag es nahe, dass der erfolgreiche Fabrikant Emil Gessner gerade ihm den Auftrag erteilte, die nach und nach erworbenen und zum Teil durch Hausabbrüche freigestellten Grundstücke bei seiner Villa Rosenmatt in eine repräsentative Parkanlage im damals modernen Landschaftsgartenstil zusammenzufassen.
Ob der Park jemals bis in jedes Detail nach Mertens Plan von 1906/07 ausgeführt wurde, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Noch heute sind aber in der Anlage deutlich Gestaltungselemente erkennbar, die im Plan eingezeichnet sind. So zum Beispiel der Hauptweg von der Villa zum Ausgang beim Plätzli, der zentrale, grosszügig angelegte Rasen, Teile der Baumbepflanzung entlang der Eidmattstrasse, alle Zugänge zum Park und schliesslich die Gartenterrasse vor dem Gärtnerhaus, einem Bau aus dem Jahre 1825.
Weiter scheint das im Plan mit Bleistift eingetragene Wort «fertig» zu belegen, dass auch der gegen die reformierte Kirche liegende Teil nach den Ideen von Mertens verwirklicht worden ist. Ob damals auch die Brunnenanlage entstand, die 1989 ebenfalls restauriert wird, ist nicht zu klären. Ebenso wenig kennen wir den Bildhauer der beiden Sandsteinskulpturen, die Vorfahren von Emil Gessner-Heusser darstellen: rechts den Zürcher Buchdrucker und Zunftmeister zur Saffran Andreas Gessner (1482–1568) und links den Naturwissenschaftler Conrad Gessner (1516–1565).
Plastik Konrad Gessner in der Brunnenanlage.
Brunnenlage im Rosenmattpark.

Das am nordöstlichen Rand des Rosenmattparks gelegene Fachwerkhaus Friedbergstrasse 1 wurde 1907, vermutlich auch durch den Architekten Albert Müller, als Wirtschaftsgebäude zur Villa Gessner erstellt. Der Bau im Heimatstil enthielt im Erdgeschoss ursprünglich Stallungen. Eine Pergola verbindet ihn mit dem 1912 entstandenen neuklassizistischen Gartenpavillon mit Säulen unter gebrochenem Zeltdach mit Urnenaufsatz.

Villa und Park werden öffentlicher Besitz

Das Stammhaus der Gessner in Wädenswil, der «Rosenhof», blieb bis 1936 Eigentum der Familie. Dann wurde die Liegenschaft durch letztwillige Verfügung von Fräulein Emilie Gessner, einer Tochter von August Gessner, der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde vermacht, in der Meinung, das Gebäude lasse sich in ein Kirchgemeindehaus umgestalten. Es zeigte sich indessen bald, dass sich die Villa Rosenmatt hierfür besser eignen würde.
Am 23. April 1938 starb der Sohn von Emil Gessner-Heusser, Hans Ernst Emil Gessner, als letzter männlicher Vertreter des einst bedeutenden Geschlechts. Die Erbengemeinschaft erklärte sich bereit, die Villa Rosenmatt zum Preise von 50‘000 Franken an die Gemeinde Wädenswil abzutreten unter der Bedingung, dass der Park nicht überbaut werde, sondern für alle Zeiten der Öffentlichkeit erhalten bleibe. Die Gemeinde nahm diese Offerte an, veräusserte mit Einwilligung der Erben das seeseits der Villa gelegene Gewächshaus (abgebrochen 1971) als Archivgebäude an die Bank Wädenswil (später Schweizerische Kreditanstalt) und gelangte so bei einer Nettoausgabe von 25‘000 Franken in den Besitz der Villa, des Gärtnerhauses an der Eidmattstrasse und des Parks. In einem weiteren Vertrag verkaufte die Kirchgemeinde das ihr aus dem Nachlass von Fräulein Emilie Gessner zugefallene Haus Rosenhof an Frau Lina Engelschall-Gessner (die jüngste Schwester von Emilie Gessner) und stellte den Kauferlös von 50‘000 Franken für den Umbau der Villa Rosenmatt in ein Kirchgemeindehaus zur Verfügung.
Mit Gemeindeversammlungsbeschlüssen vom 14. Dezember 1938 errichteten Politische Gemeinde und Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde, welche die verschiedenen Verträge genehmigten, die «Stiftung Kirchgemeindehaus Wädenswil», traten dieser die Villa Rosenmatt unentgeltlich ab und bewilligten für den Umbau aus dem Fonds für gemeinnützige Zwecke einen Beitrag von 10‘000 Franken. Als Andenken an Emil Gessner-Heusser und die Donatoren wurde der Schulweg in Gessnerweg umbenannt.

Umbau der Villa Rosenmatt in ein Kirchgemeindehaus

Nach vollzogener Eigentumsübertragung begann sich der Ende Januar 1939 bestellte Stiftungsrat unter dem Präsidium von Notar Walter Wild (1892–1982) mit der Frage des Umbaus der Villa Rosenmatt in ein Kirchgemeindehaus zu befassen. Man zog den Wädenswiler Architekten Albert Kölla zu und liess von ihm Pläne und Kostenvoranschläge ausarbeiten. Das Hauptproblem bildete der Einbau eines Saales. Ein Saal im ersten Obergeschoss hätte grösser und in der Form etwas befriedigender gestaltet werden können. Andererseits legten die geringere Raumhöhe im ersten Stockwerk, die ungünstigere Beziehung zu den Toilettenanlagen, die Schwierigkeiten beim Erstellen vorgeschriebener Notausgänge sowie die Bodenkonstruktion den auch kostengünstigeren Saaleinbau im Parterre nahe.
Ein erster Kostenvoranschlag sah Ausgaben von 115‘000 Franken vor. Durch Einschränkung des Bauprogramms auf das absolut Notwendige konnte die Ausgabensumme auf 85‘000 Franken gesenkt werden. Da für den Umbau aber nur 60‘000 Franken zur Verfügung standen, wurde die Bevölkerung gebeten, die Differenz mit freiwilligen Beiträgen ausgleichen zu helfen. In 183 Posten − in Beträgen von einem Franken bis 5000 Franken − kamen so weitere 15‘007 Franken zusammen. Die Saalbestuhlung konnte aus der Liquidation der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich günstig erworben werden; die Möblierung und Ausstattung der übrigen Räume finanzierte in dankenswerter Weise Frau Lina Engelschall-Gessner.
Nach einer Umbauzeit von 6½ Monaten konnte las Kirchgemeindehaus am Samstag, 22. Juni 1940, mit Ansprachen von Stiftungsratspräsident Walter Wild und Pfarrer Richard Schwarz eingeweiht werden. Bereits vorher hatte der Stiftungsrat den Wädenswiler Alfred Bodmer-Maurer (1910–1988) zum Hauswart gewählt.
Laut Beschreibung des Architekten waren folgende bauliche Änderungen ausgeführt worden: Im Parterre fasste man fünf Wohnzimmer zu einem unterteilbaren Saal zusammen, mit Platz für 263 Personen bei Konzertbestuhlung und für 156 Personen bei Tischbestuhlung. Man richtete eine Garderobe ein sowie eine Teeküche mit Office als Verbindung zum Saal. Für den Einbau von Toiletten unter der Haustreppe musste ein Teil der ehemaligen Kellertreppe abgebrochen und verlegt werden. Das Büro der Beratungs- und Fürsorgestelle (heute Kirchensekretariat) und das Zimmer für kirchliche Trauungen mit 32 Sitzplätzen waren die einzigen vom Umbau nicht betroffenen Parterreräume.
Im ersten Stock schuf man zwei schöne, helle Unterrichtszimmer für die kirchliche Unterweisung. Die übrigen vier Zimmer – das Büro des Fürsorgevereins, ein Sitzungszimmer für die Kirchenpflege und zwei verschiedenen Institutionen zur Verfügung stehende Räume, die auf eine gedeckte Terrasse münden − erfuhren keine Veränderungen.
Villa Rosenmatt. Geporg tötet den Drachen. Plastik auf Keramikhintergrund an der Nordfassade.

Im Dachstock beschränkte man sich auf den Einbau einer Küche und einer Waschküche mit Bad für den Hauswart. Drei Wohn- und Schlafzimmer und drei laut Stiftungsurkunde für ein allfälliges Ortsmuseum reservierte Räume wurden vom Umbau nicht berührt. Im Kellergeschoss richtete man eine Sanitätshilfsstelle für den Luftschutz ein: es war die Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Das Kirchgemeindehaus – ein regionales Schutzobjekt

Das Kirchgemeindehaus Rosenmatt − wie auch der von der Stadtgärtnerei mit Liebe und Sachkenntnis betreute Park und das Gärtnerhaus von 1825 − ist gemäss Regierungsratsbeschluss vom 19. Dezember 1979 ein kunst- und kulturhistorisches Schutzobjekt von regionaler Bedeutung.
Das Äussere der ehemaligen Villa Gessner wurde 1982 im Inventar der Denkmalpflege des Kantons Zürich wie folgt gewürdigt:
«Der reichgegliederte, dreigeschossige Bau ist im historischen Stil, vermengt mit Jugendstilelementen, gebaut und zeichnet sich vornehmlich durch Formenreichtum und Materialvielfalt aus. Der im Wesentlichen aus Tuffstein bestehende Bau wird am Fuss von einem vorkragenden, rustizierten Sockel aus Nagelfluh umschlossen und von einem Walmdach mit Quergiebeln, Lukarnen und verschiedensten Dachfenstern bedeckt. Veranden und Balkon aus Holz sowie die Terrasse auf der Südostseite, ein repräsentatives Vorzeichen auf der Nordwestseite, ein risalitartig vorspringender Anbau mit Balkon auf der Südwestseite sind Beispiele für den Formenreichtum des Gebäudes. Vor allem aber in der Gestaltung der Fenster tritt der historistische Charakter des Gebäudes prägnant hervor: stehende und liegende Fenster mit waagrechtem oder rundbogigem Abschluss; zwei- und mehrteilige Fenstergruppen mit waagrechtem oder gestaffeltem Sturz oder mit Rund-, Stich-, Korb- oder Spitzbogenabschluss. Fensterkreuze, gekehlte Gewände mit volutenartigem Zierelement, Fenstergitter, Sprossenfenster, Glasmalereien mit Jugendstilmotiven sind weitere Variationen der Fenstergestaltung.»

Die Aussenrestaurierung von 1988

Die Stiftung Kirchgemeindehaus Wädenswil, seit 1985 von Rudolf Bachmann präsidiert, war stets bemüht, die «Rosenmatt in gutem Bauzustand zu erhalten. So wurde das Mauerwerk entfeuchtet, und man ersetzte undichte Fenster durch neue mit Isolierverglasung. In die Kosten teilten sich die Politische Gemeinde und die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde je zur Hälfte. Mit den Jahren drängte sich eine umfassende Aussenrestaurierung des für Wädenswil auch kunstgeschichtlich bedeutsamen Baudenkmals auf. Ein 1983 erstellter Kostenvoranschlag für eine Aussen- und Innenrestaurierung rechnete mit Aufwendungen von 950‘000 Franken. Das Vorhaben wurde nicht ausgeführt. Auch die 1984 erwogene, nur teilweise Aussenrestaurierung im Betrag von 196‘000 Franken vermochte nicht zu befriedigen. Nun entschied sich der Stiftungsrat für eine totale Aussenrestaurierung, deren Gesamtkosten das Architekturbüro Rüesch, Hatt + Partner AG in Richterswil im April 1986 auf 887‘000 Franken veranschlagte.
Am 18. März 1987 sicherte der Regierungsrat des Kantons Zürich an die kostspieligen Arbeiten einen Pauschalbeitrag von 200‘000 Franken zu. Am 30. November 1987 bewilligten der Gemeinderat und am 8. Dezember 1987 die Versammlung der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Wädenswil die Kredite für die Restaurierung. Am 3. März 1988 konstituierte sich ein Bauausschuss aus folgenden Mitgliedern: Rudolf Bachmann, Präsident des Stiftungsrates (Vorsitz); Isabel Schaltenbrand, Stiftungsrat und Stadtrat; Hans Ulrich Frei, Stiftungsrat und Kirchenpflege; Peter Baumgartner, kantonale Denkmalpflege; Peter Ziegler, Natur- und Heimatschutzkommission Wädenswil; Hansruedi Kunz, Bauamt Wädenswil; Werner Rüesch, Architekt. Mitte April 1988 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Sie kamen zügig voran, verliefen reibungslos und konnten bereits Mitte November des gleichen Jahres abgeschlossen werden.
An den durch Sandstrahlen und Abwaschen unter Hochdruck gereinigten Fassaden ersetzten Steinhauer defekte Werkstücke und Sandsteineinfassungen. Die originale schwarze Fugenbemalung zwischen den Tuffsteinen musste nur an einzelnen Stellen nachgezogen werden; der alte Zustand war noch weitgehend hervorragend erhalten. Dagegen mussten zwei verwitterte Sandsteinplastiken − das Gessner-Wappen an der Südecke zwischen Hochparterre und erstem Obergeschoss und der Adler auf gleicher Höhe an der Ostecke − ergänzt werden.
Familienwappen an der Südecke.
Das Holzwerk der Riegelpartien, Dachuntersichten, Sparrenköpfe und der Laube im ersten Stock trug einen Anstrich aus Kunstharzlack und gab nicht den ursprünglichen Eindruck wieder. Um Klarheit über die originale Farbgebung und Anhaltspunkte für die stilgerechte Restaurierung zu erhalten, beauftragte die kantonale Denkmalpflege das Chemisch-physikalische Laboratorium des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich mit Analysen. Diese ergaben, dass die Holzteile im Laufe der Zeit drei Anstriche erhielten. Der älteste Auftrag war schwarz, weshalb das Holzwerk anlässlich der Restaurierung von 1988 wieder in Anthrazitton gestrichen wurde. So bildet das Riegelwerk einen klaren Kontrast zum kalkweissen Fassadenputz, und auch die Lauben heben sich deutlich vom Mauerwerk ab.
Südecke der Villa Gessner.
Ansicht von Osten.

Im Dachbereich kontrollierte man Unterdach und Ziegel; man baute einen Kamin mit Sichtbacksteinhut neu auf und brachte neue Kennel, die Rinnenkästen und Abläufe mit Schwanenhälsen aus Kupfer an. Die durchgerosteten Blitzableiter mit Kupferkugeln wurden erneuert.
Das später verkleinerte Küchenfenster konnte auf seine ursprüngliche Grösse rückgeführt werden, wodurch sich nun auch die Fassade gegen den Gessnerweg − neu mit blauem Kreuzgewölbe im Vorzeichen beim Haupteingang − wieder im ursprünglichen Bauzustand präsentiert. Alle Fensterrahmen wurden im ursprünglichen Weiss gestrichen; die teils aufgefrischten, teils neuen Fensterläden mit alten oder nachgeschmiedeten Beschlägen erhielten den bordeauxroten Anstrich der Bauzeit.
Besondere Aufmerksamkeit schenkte man bei der Restaurierung von 1988 den bleiverglasten Jugendstilfenstern im Treppenhaus. Sie wurden ausgeglast und neu verbleit. Gleichzeitig entfernte man die störenden Aussengitter. Eine innere Schutzscheibe verhindert fortan Beschädigungen vom Treppenhaus her.
 
Dach mit Kamin.

Ausblick

Die nach neusten Grundsätzen und Erkenntnissen der Denkmalpflege mit grossem handwerklichem Können ausgeführte Aussenrestaurierung gab der Villa Rosenmatt – der Hausnamen findet sich zusammen mit dem Baujahr 1899 im Sturz des Eingangsportals auf der Nordwestseite – ihren ursprünglichen Glanz zurück.
Baudatum 1899 über dem Hauseingang.


Hauseingang.

Mit ihrer Vermischung von Elementen des Historismus und des Jugendstils ist sie ein schönes Beispiel für feines Architekturempfinden in der Zeit um 1900. Aber auch dem einstigen Besitzer Emil Gessner-Heusser begegnet der aufmerksame Betrachter des Bauwerks noch auf Schritt und Tritt. So im Familienwappen an der Südecke, im Monogramm GH (Gessner-Heusser) im geschmiedeten Gitter der Haustüre oder in den lateinischen Sinnsprüchen, welche der Erbauer über den Schwellenbalken seiner Pforte in Holz schneiden liess: «pax intrantibus» (Friede den Eintretenden) und «salus exeuntibus» (Heil den Hinausgehenden).
 

Familienwappen an der Südecke.

Monogramm Gessner-Heusser in der Haustüre.




Peter Ziegler


Literaturnachweis

Maja Blattmann, Wie der Rosenmattpark entstand. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1986, Wädenswil 1986, S. 49–57.
Denkmalpflege des Kantons Zürich, Dokumentation Kirchgemeindehaus Rosenmatt.
«Kirchenbote», Ausgabe für die Kirchgemeinde Wädenswil, Juli 1940 (Ansprachen zur Eröffnung des Kirchgemeindehauses).
«Neue Zürcher Zeitung», Nr.18 vom 18. Januar 1913 (Nachruf Architekt Albert Müller). «Schweizerische Bauzeitung», Bd.37, Nr.16 vom 20. April 1901, S. 170, 173.
Peter Ziegler/Max Mumenthaler, Gessner & Co. AG, 1841-1966, Wädenswil 1966.