5 Bau-Ausführung, Originalzustand, Handwerker, Bauschmuck

5.1 Von der Baubewilligung zur Einweihung

Am 28. April 1939 gingen die Brämschen Pläne bei der Gemeinde ein, wo sie im Eiltempo bearbeitet wurden: Bereits am 15. Mai wurde die Baubewilligung erteilt. Am 1. Juni 1939 informierte der Sparkasse-Vorstand die die Gesellschaftsmitglieder über das das Vorliegen des Kostenvoranschlags und gleichzeitig über die ersten Vergaben von Bauarbeiten (Prot SKW C, S.8, 1.6.1939). Weitere Vergaben erfolgten mit fortschreitenden Arbeiten gestaffelt bis im Oktober 1939.
Im September 1939 waren die Arbeiten so weit gediehen, dass die Aufrichte hätte gefeiert werden können. Wegen der «ernsten Zeitverhältnisse» veranstaltete die Gesellschaft aber kein Essen, sondern bedachte die Handwerker mit Zahlungen (Prot SKW C, S.  32 = 14.9.1939).
Am 25. April 1940 fand die Einweihung statt. Bevor es in den Engel zu einem «einfachen Nachtessen» ging, führte der bauleitende Architekt, Heinrich Bräm, die Gesellschafter durch den Neubau. «Allgemein konnte man sich von der Zweckmässigkeit und Gediegenheit des Baues überzeugen. Die weiten, luftigen u. modernen Räume, die ohne jeden Luxus vornehm wirken, bilden ein harmonisches Ganzes. Der schöne, stattliche Bau, der unserem ansässigen Bauhandwerk eine willkommene Arbeits- & Verdienstmöglichkeit brachte, stellt den Organen der Sparkasse u. dem Architekt das Zeugnis verständnisvoller, überdachter u. zuverlässiger Arbeit aus» (Prot SKW C:, S. 77, 25.4.1940).
Am 14. November 1940 nahmen die Gesellschafter «die von der Baukommission vorgelegte Gesamt-Bauabrechnung» ab und stimmten dem Antrag der Kommission zu, «an den Fenstern einen geeigneten Blumenschmuck» anzubringen und «das Sitzungszimmer und das Büro des Verwalters noch mit Wandgemälden [gemeint sind Leinwandbilder] hiesiger Maler» zu versehen (Prot SKW C, S. 115, 14.11.1940). Für eine Beflaggung des Gebäudes während festlicher Anlässe war schon zuvor gesorgt worden (Prot SKW C: S. 80, 9.5.1940).
Die Sparkasse-Gesellschaft war überzeugt, mit dem Neubau «ganz wesentlich zur Verschönerung des […] Dorf- & Strassenbildes [beim Postplatz] beigetragen» zu haben. Deshalb fühlten sie sich nicht in der Verantwortung, als der Gemeinderat im März 1945 um einen Beitrag zur «Ausgestaltung des restlichen Postplatzes in Anpassung an die Umgebungsarbeiten des neuen Verwaltungsgebäudes» ersuchte. Sie offerierte dann doch einen Zuschuss von 1000.- Franken, aber unter der Bedingung, dass der Platz «nie als öffentlicher Abstell- oder Parkplatz für Automobile oder andere Fahrzeuge benutzt werde» (Prot SKW C, S.71–72, 28.3.1940). Der Gemeinderat wies zwar solche Absichten weit von sich, mochte aber keine grundbuchlichen Garantien geben und verzichtete deshalb auf die Unterstützung der Sparkasse (Prot SKW C, S. 79, 9.5.1940 und S. 92, 4.7.1940).

5.2 Publikation in der Schweizerischen Bauzeitung: Dokumentation des Originalzustands

Im April 1944, also vier Jahre nach Bauvollendung, stellten die Architekten das neue Wädenswiler Sparkassengebäude in der Schweizerischen Bauzeitung vor:
Doppelseite 190–191 aus der Schweizerischen Bauzeitung, Bd. 123, Nr. 16, 15. April 1944: «Verwaltungsgebäude der Sparkasse Wädenswil».

Als Illustration dienten zwei Aussen- und zwei Innenaufnahmen, ein Querschnitt und vier Grundrisse. Nachfolgend der kurze, aber instruktive Text (auf der Seite 190):

Dieses in seiner Anspruchslosigkeit und Schlichtheit sympathische ländliche Bankgebäude dient zweierlei Zwecken: der Sparkasse und, im 1. Stock, der Notariatskanzlei Wädenswil. Es beherbergt im Erdgeschoss den Kassenraum mit Schalterhalle und anschliessender Sprechkabine, dazu die nötigen Bureaux für die Verwaltung, ein Sitzungszimmer und ein Archiv. Die seit über hundert Jahren bestehende, dank ihrer soliden Verwaltung sehr gut fundierte reine Sparkasse legt ihre Spargelder vorwiegend in Hypotheken an, die in den Archiven in Kassenschränken untergebracht sind; sie benötigen keinen Tresor. Im einzelnen kann die Zweckbestimmung der Räume den Grundrissen abgelesen werden: die für sich abgeschlossenen Archivräume im Keller sind durch einen Personen-Aufzug mit Sparkasse und Notariat verbunden.
Das Haus ruht auf einer armierten Betonplatte und ist gegen Grundwasser abgedichtet; die äusseren Kellermauern sind betoniert mit Sandsteinverkleidung über Boden. Aufgehendes Mauerwerk samt Zwischenwänden in Kalksandstein und Backstein, sämtliche Decken Eisenbeton. Die Archivräume in den Geschossen sind mit armierten Betonwänden ausgekleidet und mit feuersicheren Türen versehen. Fundation, Stat. Berechnungen und Eisenbetonpläne stammen von Dipl. Ing. Ad. Meier, Wädenswil.
Baukosten (1939/40) unter Annahme normaler Fundation und ohne Grundwasser-Abdichtung, aber samt fester innerer Einrichtung 75 Fr./m3, Fundamentplatte, Isolierung und Luftschutzkeller erhöhten die Baukosten um 8,20 Fr./m3; umbauter Raum insgesamt 3625 m3.
Grundrisse des Erdgeschosses (links, gross), des Kellergeschosses (rechts oben), des OG 1 mit dem Notariat (rechts Mitte) und des OG 2 mit zwei Wohnungen (rechts unten).

Innenaufnahmen aus der SBZ 123 (1944), S. 190 und 191: Links das «Arbeitszimmer des Sparkasse-Verwalters», rechts «Schalterhalle der Sparkasse».

5.3 Handwerker und Material

Wie die kurze Beschreibung in der Schweizerischen Bauzeitung zeigt, kam der armierte Beton – ein Leitmaterial der Moderne – nur für die Fundamentplatte, die Kellermauern, die Geschossdecken und die Auskleidung der Archivräume zum Einsatz; für den grossen Rest wurden traditionelle Materialien und Techniken verwendet. In der Zeitschrift sind die beteiligten Handwerker nicht genannt, wohl aber im Protokoll der Sparkassegesellschaft. Die Bauleitung erteilte die Aufträge gestaffelt vom Sommer bis zum Herbst 1939 und bemühte sich dabei, wenn immer möglich lokale Betriebe zu berücksichtigen.
Den wichtigsten Auftrag – den für Erd-, Maurer-, Kanalisations- und Eisenbetonarbeiten – vergab sie um der Gerechtigkeit willen nicht an eine einzelne Firma, sondern an eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den Bauunternehmen von Wilhelm Leuener (Nachfolger der Firma Dietliker, vgl. JSW 1987, S. 99), von Emil (Rudolf) Kellersberger-Willi (1877–1947) und von H. Zimmermann (wohl Hans Zimmermann [1914–1985]) (Prot SKW C: S. 8, 1.6.1939; S. 13, 15.6.1939). Auch die Zimmerarbeiten wurden aufgeteilt, in diesem Fall auf zwei Meister: Hans Jsler und Otto Beerli (Prot SKW C: S. 13). Die Dachdeckerarbeiten wurden an Jakob Knabenhans, die Gipserarbeiten an Emil Maggi & Sohn vergeben (Prot SKW C: S. 13, 15.6.1939; S. 41, 19.10.1939).
Für einige Arbeiten musste man sich an Auswärtige wenden: für die Rolläden an die Rolladenfabrik von Wilhelm Baumann in Horgen (Prot SKW C: S. 41, 19.10.1939), für die Granitarbeiten an die Granit-, Marmor- u. Hartsteinwerke Sassella & Co AG in Zürich (Prot SKW C: S. 10, 1.6.1939), für die Kunststeinarbeiten an Julius Müller in Bäch und für die innere Treppenanlage an die Marmor- und Mosaikwerke Baldegg AG (Prot SKW C: S. 41, 19.10.1939) – einen Betrieb, der 1907 gemeinschaftlich von dem Hochdorfer Bauunternehmen Ferrari und der Luzerner Seetalbahn gegründet worden war (Festschrift «100 Jahre MMB Baldegg 1907–2007», im Internet; daraus auch das nachfolgende Zitat).
Die Gründer brachten das Fachwissen in der Fabrikation von Marmor-Mosaik und die Fabrikationsgeräte in das Unternehmen ein. Das Fachwissen stammte aus Lodi in der Lombardei und war von den Ferraris während einigen Jahren erprobt. Auch in der Fabrikation wurden geschulte und geübte Fachleute geholt. Das Verfahren bestand aus der Mischung von farbigem Marmorkies mit Zement gebunden, das zu schönem Dekor als handwerkliche Kunst bearbeitet wurde. Die sanitären Artikel wurden geschliffen und präsentierten sich als Marmor-Mosaik. Im heutigen Sprachgebrauch wird die damalige Neuheit als Kunststein bezeichnet.
Die Treppe, gefertigt von den Marmor- und Mosaikwerken Baldegg AG. Details.

5.4 Figürlicher Baudekor: Relieftafeln

Wie oben erwähnt, ist der Bau mit insgesamt sechs quadratischen Relieftafeln mit konkav eingezogenen Ecken geschmückt. Sie befinden sich im Wandbereich zwischen den Fenstern des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses; vier auf der Hauptfassade zum Plätzli hin, zwei an der seestrassenseitigen Schmalseite.
Relieftafeln an der ehemaligen Sparkasse, zwischen den Fenstern des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses. Auf der Hauptfassade zum Plätzli hin, von links nach rechts: (1) Ährenleserin; (2) Winzer, der aus der Tanse Traubensaft in ein Fass giesst; (3) Wache stehender Soldat (mit einem Schweizerkreuz und der Jahreszahl 1940); (4) Winzerin mit einem Korb voll Trauben. Auf der Schmalseite zur Seestrasse hin, von links nach rechts: (5) Schmied am Amboss; (6) Fischer, der das Fangnetz hochzieht.

Mit Ausnahme des Soldaten und des Schmieds handelt es sich um Figuren in der Tradition mittelalterlicher Monatsdarstellungen. Im vorliegenden Fall will sich die Sparkasse als Institution präsentieren, die in der ländlich-heimischen Kultur – Korn- und Weinbau, Fischerei – und im lokalen Handwerk verankert ist und dieses fördert. Der Soldat ist ein Denkmal für die Landesverteidigung.
Zu meinem Erstaunen fand sich im Protokoll der Sparkassegesellschaft kein Hinweis auf den Schöpfer der Reliefs. Des Rätsels Lösung: höchstwahrscheinlich stammen sie von der Firma, welche die Elemente für Tür- und Fensterrahmen, Gurten usf. lieferte: von der Kunststeinfirma Julius Müller in Bäch. Das Geschäft wurde 1906 unter dem Namen Oti & Müller gegründet; es befand sich auf dem Gelände der Salzfaktorei, 1980 zog es nach Altenburg um.
Fotos vom ehemaligen Werkplatz der Firma Julius Müller in Bäch, wohl aus den 1960er Jahren (aus der Website der seit 1980 in Altendorf ansässigen Firma). Links: Zwei Arbeiter beim Zuschneiden von Kunststeinplatten; rechts: ein Steinmetz beim Scharrieren eines Kunststeinblocks.

Hatte der Kunststein im 19. Jahrhundert einen schlechten Ruf, erlebte er ab der Wende zum 20. Jahrhundert dank technischer Verbesserungen eine Blüte. Da er nicht nur hart und beständig, sondern auch gut bearbeitbar war, wurde er auch oft für Bauornamente und Kleinarchitekturen verwendet. Auch die Kunststeinfabrik Müller produzierte solche.
Links: Das Werkareal der Firma Obi & Müller, 1906 oder kurz danach. Vor einem als Werkgebäude benutzten Turbenschopf die Belegschaft; im Vordergrund Werkstücke. – Rechts: Die Belegschaft mit Bestandteilen des Denkmalbrunnens für die Grenzbesetzung 1914–1918, aufgestellt 1920 auf dem Rathausplatz in Walenstadt. Rechts aussen der Firmengründer und -inhaber Julius Müller, rechts vom Soldaten der Steinmetz Heinrich Birchler (Alte Fotos aus dem Firmenarchiv, von der Website der Firma Julius Müller).

So fertigte sie zum Beispiel einen Denkmalbrunnen, der im Zusammenhang mit dem Soldaten-Relief an der Wädenswiler Sparkasse interessiert: Er ist dem Gedenken an die Grenzbesetzung 1914–1918 gewidmet und steht seit 1920 auf dem Rathausplatz in Walenstadt. Es gilt als Werk des Bildhauers, Malers und Grafikers Karl Hänny (1979–1972) und des Architekten Ernst Hänny, aber vermutlich lieferten diese nur die Zeichnungen, insbesondere für Trog und Säule. Die Umsetzung dürfte der Chef-Steinmetz der Firma Müller, Heinrich Birchler, besorgt haben.
Birchler oder ein anderer Steinmetz der Firma Müller dürften auch die Reliefs an der Sparkasse geschaffen haben. Ob sie dabei fremde Vorlagen oder eigene Entwürfe benutzten, wissen wir nicht.
Literatur und Quellen: 1) Mündliche Auskünfte von Georges Müller (geb. 1944), einem ehemaligen Mitinhaber und -leiter der Firma, 2019; 2) Die Faktorei Bäch, mit Texten von Mariska Beirne, Michael Tomaschett und Christian Winkler, Privatdruck Armin und Trudi Büeler 2016; 3) Website Firma Julius Müller.