HERBSTBRÄUCHE IN WÄDENSWIL

Quelle: Gwerbziitig Wädi, Dienstag, 12. Dezember 2023 von Peter Ziegler
 
Dies ist der letzte Beitrag zur 2013 begonnenen Serie «WÄDI IM WANDEL». Er gilt dem im Herbst gelebten neueren Brauchtum in Wädenswil.
Adventsfenster am Schulhaus Eidmatt II, 2001.

Viehschau in Hütten 2019.
Ernte
Herbst ist die Zeit der Ernte. Gefeiert wird dies mit den Erntedank-Gottesdiensten in den Kirchen, der Weinlese, zum Beispiel auf der Halbinsel Au, und am Herbstfest im Weinbaumuseum. Am Fest 2005 war dort der 12 Meter lange und 23 Tonnen schwere Trottbaum von 1761 wieder in Betrieb. 2008 wurde ein Holzfass hergestellt und mit der Hagelkanone geschossen. 2012 prämierte man die schönsten Vogelscheuchen, und immer wurden Führungen im Weinberg und im Museum angeboten sowie Wein, Treberwürste und Käse serviert.
In anderen Jahren standen Fahrten mit dem Rössliwagen, das Beschlagen eines Pferdes oder Degustationen auf dem Programm.
Seit 2019 findet in der Gerbestrasse als neuer Brauch das «Suuserfäscht» statt, organisiert von Lions Club Wädenswil, Dreistand-Weine und Bettio Comestibles. Der Erlös wird einer wohltätigen Organisation gespendet.
 
Trotte im Weinbaumuseum Halbinsel Au.
Marroni-Toni
Seit 1882 betreiben fünf Generationen der Familie Togni aus dem Tessiner Dörfchen Semione am Plätzli in Wädenswil einen Marronistand. 1983 begleitete Franco, Vertreter der fünften Generation, seinen Vater Lino, der 2011 seine 50. Saison feierte. Seit 1992 führt der Verkehrsverein auf dem Plätzli zu Ehren des «Marroni-Toni» am letzten Samstag im Oktober das «Marronifäscht» durch.

Viehschauen
1878 wurde auf der Kanzleimatte in Wädenswil (heute Areal Gessner und Alte Fabrik) die erste Viehprämierung durchgeführt. Später fanden die Prämierungen auf dem Eidmatt-Areal statt, von 1889 bis 1962 im Neubüel.
Marroni-Toni im Stand am Plätzli, 1989.
Der Bau der A3 nötigte zum Umzug an den heutigen Standort Oedischwänd, wo am dritten Donnerstag im Oktober Kühe und Stiere prämiert und die «Miss Wädenswil» sowie die «Miss Bezirk Horgen» gekürt wird. 2015 präsentierten 15 Bauern aus Wädenswil und Schönenberg rund 400 Tiere der Kategorien Brown Swiss, Originalbraunvieh und Fleckvieh. Zum Anlass gehört ein Rahmenprogramm. 2005 zum Beispiel mit Steinstossen, Streichelzoo, Festwirtschaft, Musik und Tanz.
Die erste Viehprämierung in Hütten fand am 8. November 1919 statt. Hundert Jahre später wurden 487 Kühe und Rinder aufgeführt. Seit 1969 bildet ein Umzug durchs Dorf mit musikalischer Begleitung und Apero beim Restaurant Schöntal den Abschluss der Viehschau in Hütten.

Räbeliechtli
Ernst Hiestand, Lehrer an der Primarschule Ort, veranstaltete 1930 mit seinen 48 Schülern einen ersten Räbeliechtliumzug in der Au. Der 1961 gegründete Quartierverein Au liess den Räbeliechtli-Umzug neu aufleben. Immer am letzten Samstag im Oktober führt ein von der Jugendmusik Wädenswil begleiteter Umzug ab Schulhaus Steinacher durch die Quartierstrassen der
Au. 2004 nahmen über 500 Personen teil.
Anfang November 2001 zogen Buben und Mädchen aus Kindergarten und Unterstufe mit verzierten Räbenlichtern, die sie gemeinsam hergestellt hatten, durch Hütten. Am 7. November 2006 zeigten über 200 Schulkinder einen Räbeliechtli-Umzug in Schönenberg. 2004 organisierten Elternrat und Schule Eidmatt einen Räbeliechtli-Umzug im Zentrum von Wädenswil. Er fand Anklang und wurde 2005, 2007, 2011, 2015, 2017 und 2023 wiederholt.

Musik
Im Herbst und Advent blüht das Musikleben auf. Alljährlich sind dann, meist in der reformierten Kirche oder in der Kulturhalle Glärnisch, u.a. Konzerte zu hören von Brass Band Posaunenchor, Gospelchor, Harmonie, Jugendmusik, Kammerorchester sowie Kirchen-und Oratorienchor. Der Musikverein Schönenberg feiert im Herbst sein «Chränzli» im Dorfhuus und der Musikverein Hütten im Gemeindesaal.
Auf 1972 zurück geht der Brauch der Turmmusik. Zuerst in der Silvesternacht, später am ruhigeren Weihnachtsabend, lassen Mitglieder des Brass Band Posaunenchors von 19 bis 19.30 Uhr vom Turm der reformierten Kirche Musik erklingen. Die Blaskapelle Zimmerberg hat jeweils Ende Jahr ihren Auftritt.

Adventsfenster
In den 1990er Jahren verbreitete sich am Zürichsee ein neuer Brauch: die Adventsfenster.
Unterwegs mit den Räbenlichtern.
Kammerorchester im Schloss Au, 2003.
1991 erstrahlte in Hütten zum ersten und 2006 zum 15. Mal der vom Frauenverein Hütten organisierte Dorf-Adventskalender. Im Advent 2001 verzierten Schülerinnen und Schüler des Schulhauses Eidmatt II 24 Fenster in der Hauptfassade des Gebäudes mit farbigen Transparentbildern und schufen so einen grossen Adventskalender. Der Quartierverein Langrüti rief 2005 dazu auf, Adventsfenster zu schaffen. Im Schulhaus wurden drei und in 17 Bauernhöfen je ein Fenster weihnächtlich verziert. Auf einem Spaziergang konnten die einzelnen Kunstwerke besichtigt werden. Acht Familien luden im Dezember zu einer «Stubete» ein.

Barbarzunft Wädenswil
Am Barbaratag, dem 4. Dezember 1988, feuerte die neu gegründete Barbara-Zunft Wädenswil beim Gulmenhof erstmals aus dem der Zunft gehörenden 7,5-Zentimeter-Geschütz fünf Schüsse ab. Dies geschieht seither jedes Jahr zu Ehren der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Artilleristen, Bauleute, Waffenschmiede, Bergleute und Glockengiesser. Nach dem Schiessen versammeln sich die Zünfter zu einem gemeinsamen Nachtessen.

Samichlaus
Die 1873 gegründete X-Gesellschaft Wädenswil – eine Fasnachtsgesellschaft – führte am 6. Dezember 1920 eine «Klausfeier» mit «Klausbescherung durch. Sechzehn ihrer Mitglieder besuchten als Chläuse verkleidet zahlreiche Familien und beschenkten etwa 600 Kinder. 1964 gründeten sieben Wädenswiler die Chlauszunft Wädenswil. Diese organisiert alle Jahre am ersten Sonntag im Advent den Chlauseinzug. 1992 waren bereits 20 Bischöfe, Samichläuse und Schmutzlis unterwegs. Mit Eseln und Wagen zieht nun die Schar jedes Jahr durch die Zugerstrasse in Richtung Gerbeplatz. 1995 verteilten die Chläuse 2000 Lebkuchen, 270 Kilo Äpfel, 30 Kistchen Mandarinen, 100 Kilogramm Spanische Nüssli, 6000 Hüppen, 20 Kilogramm Zeltli und 30 Kilogramm Chräbeli.

Weihnachtsbleuchtung und «Aazündete»
Im Dorf Wädenswil gab es schon um 1960 vereinzelte beleuchtete Bäume. Anfang Dezember 1965 liess die Vereinigung Wädenswiler Fachgeschäfte eine weihnächtliche Strassenbeleuchtung mit Sternen aufhängen. 1969 wurde diese ersetzt durch beleuchtete Weihnachtsbäume. 1984 folgte an Zuger- und Gerbestrasse sowie am Plätzli die Beleuchtung Sternenzauber mit 7000 Glühlämpchen zu je 15 Watt. 2012 wurde die Bevölkerung erstmals zur «Aazündete» der Weihnachtsbeleuchtung eingeladen. Dazu gab Andrew Bond an der Türgass ein Konzert. An der dritten «Aazündete», 2014, feierte man das erstmalige Einschalten der Weihnachtsbeleuchtung Selene mit ihren rund 1600 Lichtkristallen. 42 Geschäfte hatten bis 21 Uhr geöffnet. An der siebten «Aazündete» erstrahlte 2018 nebst Zuger- und Gerbestrasse erstmals auch die Rosenbergstrasse in weihnächtlichem Glanz.


Chlauseinzug 1996.
Weihnachtsbeleuchtung an der Zugerstrasse, 1984.
Krippen und Krippenspiele
In den Kirchen zur Adventszeit Krippen aufzustellen, war ursprünglich ein katholischer Brauch. Am Zürichsee gehörten die Weihnachtskrippen zur Ausstattung der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu erbauten katholischen Kirchen. Die Figuren aus Gips in der katholischen Kirche Schönenberg zum Beispiel stammen aus dem Jahre 1906. Der Brauch wurde später von den Reformierten übernommen. Besonders eindrücklich ist die Krippe, die jeweils in der reformierten Kirche Hütten aufgestellt wird.
Noch vor dem 24. Dezember, und damit kalendarisch im Herbst, finden die Weihnachtsfeiern der Sonntagsschulen statt. Die erste Feier in der Kirche Wädenswil gab es 1904. Noch heute ist sie geprägt vom bis zur Decke reichenden Tannenbaum, den aufflackernden Zündschnüren im dunklen Raum, dem Leuchten der vielen Kerzen, dem Krippenspiel, der Weihnachtsgeschichte, den Weihnachtsliedern und den Geschenkpäcklein. Während in Wädenswil noch heute Zündschnüre und Kerzen verwendet werden, sind Schönenberg und Hütten aus Sicherheitsgründen zu elektrischer Beleuchtung übergegangen.
Kern der Sonntagsschulweihnacht ist das Krippenspiel. Viele Stücke wurden von Pfarrern geschrieben, in Wädenswil z. B. von Andres Boller (1997, 2004), Konrad Müller (1993), Andrew Bond (2000, 2001) und Ernst Hörler (2010). Im Jahre 2001 begaben sich die Kinder in Schönenberg auf einen Krippenweg rund um die Kirche. Maria und Josef mit Esel suchten in der nahen Wirtschaft «Rössli» ein Obdach, wurden aber abgewiesen. Hierauf konnten sie sich bei den Hirten am Feuer wärmen. Auch in der Stiftung Bühl ist das Krippenspiel Tradition.
Krippenspiel an der Sonntagschulweihnacht 2001 in Wädenswil.

Märkte
Am 29.11.1980 fand an der Gerbestrasse der erste Novembermarkt statt. 1998 hiess er Herbst- und Weihnachtsmarkt und erstreckte sich neu auch über die Friedbergstrasse. An ungefähr der Hälfte der 125 Stände boten Wädenswiler Geschäfte und Organisationen ihre Ware an. 2008 waren dies nebst einem breiten Angebot an Esswaren auch Handarbeiten, Holzwaren, Bücher, Puppenkleider, Visitenkarten, Lederwaren, Scherenschnitte, Schals, Korbwaren, Türschilder, Vogelhäuser usw. 2012 zählten auch die Merkurstrasse und 2018 das Plätzli zum Marktgebiet. Eine einmalige Erscheinung blieb der «Christkindelmarkt » auf der «Walter-Hauser»-Wohnstrasse im Jahre 1982. Schönenberg hielt 2022 einen Weihnachtsmarkt auf dem Dorfhuusplatz ab.
Herbstmarkt in der Gerbestrasse, 1996.

Tirggel aus Wädenswil und Schönenberg
Johann Jakob Suter eröffnete 1840 an der Hinteren Lände in Wädenswil eine Bäckerei und stellte Honigtirggel her. 1891 übernahmen die Söhne Albert und Jean Suter das Geschäft, statteten den Betrieb mit Maschinen eigener Konstruktion aus und vollzogen den Schritt vom Handwerk zur Fabrik. Willi Suter aus der dritten Generation ersetzte am neuen Domizil zwischen Etzel- und Schlossbergstrasse den alten Holzofen durch einen mit Gas beheizten, schaffte eine Auswallvorrichtung an und vergrösserte seine Modelsammlung.
1949 verlegte der Sohn Willy Suter jun. Den Betrieb von Wädenswil nach Winterthur und nach einem Brand 1958 nach Schönenberg. 1972 verkaufte Willy Suter seine Einzelfirma an die Biscuits-Suter AG, die im 1988 bezogenen Neubau am Tirggelweg in Schönenberg jährlich rund 70 Tonnen Tirggel produziert.

Kerzenziehen
Beliebt geworden ist das Kerzenziehen in der Adventszeit. In Wädenswil kennt man den Brauch seit 1975. Vielfach sind es Frauenvereine, Elternvereine oder Freizeitanlagen, welche damit einem gemeinnützigen Zweck dienen. Aber auch in Schulhäusern, Kirchgemeindehäusern oder auf dem Adventsmarkt bietet sich für Jung und Alt Gelegenheit, sich in der Kunst des Kerzenziehens zu üben. Im November 2023 organisierte die reformierte Kirche Schönenberg-Hütten ein Kerzenziehen.
 
Tirggel mit reformierter Kirche Wädenswil als Sujet.
Kaltwasserschwimmen
Zum Wädenswiler Brauchtum zählt auch das von der Sektion Wädenswil der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft organisierte Kaltwasserschwimmen, bei dem Schwimmerinnen und Schwimmer im Dezember im kalten Zürichsee hundert Meter zurücklegen. Geschwommen wurde z. B. am Chlaustag 2015 bei 7 Grad Wassertemperatur im Hafenbecken Rietliau und 2022 fand im Strandbad bereits das 48. Kaltwasserschwimmen statt.
 
Eisbahn
Im Oktober 2001 wurde der Verein Eisbahn Wädenswil gegründet. Er betreibt alljährlich ab Anfang November auf dem Seeplatz ein 30 × 15 Meter grosses Eisfeld. 2021 wurde bereits die zwanzigste Saison eröffnet mit der Eiskunstläuferin Sarah Meier, seit der Verheiratung Sarah van Berkel, als prominentem Gast. Auffälliges Merkmal der Eisbahn ist neuerdings die Glaskugel (Rondodrom) mit Kiosk und Verpflegungsangeboten. An der Eröffnung 2023 war Denise Biellmann Ehrengast.

Importiertes Brauchtum
Halloween, Import aus USA der 1990er Jahre, hat sich in Wädenswil nicht durchgesetzt. Eine Ausnahme bildet das Haus Florhofstrasse 22. Dessen Besitzer dekoriert die Fassade alle Jahre im Hinblick auf Halloween mit grossem Aufwand zum Gruselhaus mit Gerippen und Totenköpfen.
Zwei aus Deutschland stammende Bräuche dagegen konnten hier Fuss fassen: Am 11. November 1992 abends um elf Uhr elf wurde im Wädi-Brau-Huus die Fasnacht eröffnet. Am 11.11.2007 tauften Mitglieder der Guggenmusik Wadinschränzer um 11 Uhr 11 ihre dritte CD. 2013 organisierte die Fasnachtsgruppe Trinkspiration am 11.11. auf dem Platz vor dem Coop ein Fest, das 2023 erstmals auf dem Eidmattplatz stattfand. 2016 wurde die Fasnachts-Clique «Friilänzer Wädenswil» gegründet, welche das neuste Fasnachtsbrauchtum pflegt. Am 11. November 2017 eröffneten die Guggenmusiken «Wadin Schränzer» und «Trubadix» sowie die Tambouren Wädenswil auf dem Kantonsplatz die Fasnacht 2018. Guggenmusik-Klänge auf dem Platz vor dem Coop läuteten am 11.11. um elf Uhr elf die Wädenswiler Fasnacht 2022 ein.
Ende September 2012 fand auf dem Seeplatz bis zum 6. Oktober das erste Oktoberfest Wädenswil statt. Nach ein paar Jahren auf dem Seeplatz zog man auf eine Wiese im Neubüel, wo der Anlass 2023 zum 11. Mal durchgeführt wurde. Organisiert wird er von der Sivex GmbH, einer Gründung von drei Wädenswiler Jungunternehmern.