DIE WÄDENSWILER CHILBI VOM 23. AUGUST 1767

Quelle: Gwerbziitig Wädi, Dienstag, 12. September 2023 von Peter Ziegler


Am Wochenende vom Sonntag, 27. August 2023, dem Sonntag nach Bernhard (20. August), feierte Wädenswil seine traditionelle Chilbi. Das Datum geht auf den Tag der Einweihung der barocken Grubenmann-Kirche am 23. August 1767 zurück, den Sonntag nach dem Todestag des heiligen Bernhard von Clairvaux.
Aquarell von Johannes Isler, 1768.
 
Wertvolle Aufzeichnungen
Landrichter Heinrich Höhn im Luft hat den Ablauf des Kirchenbaus von 1764 bis 1767 dokumentiert. Er notierte die Erzählungen seines Vaters, der als einer der sechs Aufseher des Kirchenbaus wirkte. Da das Manuskript öfter ausgeliehen wurde, nahm es Schaden. Darum kopierte Geometer Rudolf Diezinger den Text im Jahre 1833. Diese Fassung wird jetzt im Archiv der Reformierten Kirchgemeinde Wädenswil aufbewahrt. Die Aufzeichnungen wurden 1967 in der Festschrift «Die Kirche von Wädenswil» ediert, herausgegeben als 24. Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Wädenswil. Hier ist einiges zu erfahren über den Tag der Kircheneinweihung, die Chilbi 1767.
 
Festgemeinde
Es war zu erwarten, dass die Einweihung der Kirche viel Volk nach Wädenswil locken würde. Daher bewachten 40 Grenadiere bereits um 6 Uhr morgens die vier Portale zum Kirchhof und gewährten nur den Musikanten Eintritt. Noch vor 7 Uhr kamen mehr als 40 Schiffe über den See mit Leuten, die nun dicht gedrängt draussen warteten. Um 8 Uhr wurde zum Gottesdienst geläutet. Nachdem Obristpfarrer Wirz, Landvogt Huber, Pfarrer Johann Heinrich Hofmeister, der Stillstand (Kirchenpflege) und die Gäste in der neuen Kirche Platz genommen hatten, strömten so viele Menschen in den Raum, dass sie alle Treppen und Gänge füllten und dennoch viele auf dem Kirchhof bleiben mussten.

Musik
Entgegen dem strengen Brauch der Zeit wurde die Feier mit fröhlicher Instrumentalmusik eingeleitet. Violinen, Bassgeigen, Waldhörner, Fagotte und Trompeten erschallten und verkündeten Freude und Dank. Eine Orgel gab es damals in der Kirche noch nicht. Darum hatte man bereits am 17. August vom Musiksaal in Zürich eine Orgel, ein Klavier und andere Instrumente ausgeliehen. Aufgeführt wurde eine Kantate, die Vikar Hans Jakob Nägeli (1736–1806), Pfarrer in Hütten, eigens für diesen Anlass komponiert hatte. Als Organist wirkte Pfarrer Johannes Schmidlin (1722–1772) von Wetzikon und als Dirigent Schulmeister Ackermann von Fluntern, ein hervorragender Sänger. Die Gemeinde sang Passagen aus Psalm 84: «Wie lieblich sind deine Wohnungen!»

Predigt
Im Zentrum der Feier stand nach ausführlichem Gebet die gut zweistündige Predigt von Pfarrer Johann Heinrich Hofmeister (1721–1770), die später auf vielseitigen Wunsch auch gedruckt und verkauft wurde als 44 Seiten umfassende Broschüre im Format 10,5 × 18 cm. Ausgelegt wurde Vers 5 aus dem zweiten Kapitel des 1. Petrus-Briefs: «So werdet nun selbst erbauet als lebendige Steine / ein geistliches Haus / ein heiliges Priestertum / zu opfern geistliche Opfer / die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.» Petrus nennt den Herrn selbst den lebendigen Stein. Auch die Gläubigen sind lebendige Steine. Sie machen zusammen das geistliche Haus aus.
Gegen Ende seiner langen Predigt gab der Pfarrer einen Abriss der Baugeschichte, dankte Gott für die väterliche Leitung und allen Beteiligten – Landvogt Johann Conrad Orell, Landvogt Johann Caspar Huber,Gemeindegenossen, Stillstand, Baumeister Hans Ulrich Grubenmann, Stuckateure und Arbeiter – für ihren Einsatz.

Weiter ermahnte der Pfarrer: «Wollet ihr euch des beständigen Genusses der Gnade Gottes und seines Segens in diesem neuerbauten und dem Herrn geweihten Hause erfreuen und trösten, so erscheinet hier, nicht bloss das Wort des Herrn zu hören, sondern auch darnach zu thun; nicht bloss mit den Lippen den Herrn zu loben und euer Gebet vor ihm auszuschütten, sondern recht im Herzen und von Herzen.»

Festessen
Das so fröhlich und festlich gestimmte Volk musste ausreichend verköstigt werden. Vor dem Fest mussten daher manche Tiere ihr Leben lassen. Geschlachtet wurden in Wädenswil auf diesen Tag hin 12 Haupt Vieh, 6 Kälber, 117 Schafe und 18 Schweine. So war gemäss Landrichter Höhn «überall eine grosse Freude und ein Frohlocken, und es lebte ein jeder gar vergnügt und wohl».



Zeichnung von J. J. Hofmann, 1771.
Grosses Interesse
Um ein Uhr am Nachmittag war die offizielle Einweihungsfeier zu Ende. Die Grenadiere mussten jedoch bis zum Abend Wache halten, weil immerfort fremdes Volk da war, welches die Kirche besichtigen wollte. Am 24. August um 10 Uhr wurde die Kirchenmusik nochmals aufgeführt. Tags darauf verlangte Zürich die Orgel und die Instrumente zurück.