Grossen Zulauf hatte der kunsterfahrene Chirurgus Jakob Hofmeister von Männedorf: «Die Krankheit mag einen Namen haben wie sie wolle, so werde ich, jedem aus dem Wasser sagen, wo es fehlt.» Doch auch Ärzte erwiesen sich zum Beispiel angesichts der Ruhr als machtlos. Chirurg Staub berichtete 1782, dass man am linken Seeufer der Ruhr mit lauwarmer Milch und altem, gesalzenem Käse zu Leibe rücke. Wie wohl von berühmten Ärzten empfohlen, sei diese Heilmethode verfehlt.
Oft sind die Grenzen zwischen Medizin, volkstümlicher Medizin, Aberwissen und Magie schwer zu erkennen. Der Leser mag sich selbst darüber ein Urteil bilden:
Mittel gegen den Keuchhusten (Amulett): Man bringt eine Knoblauchzehe in ein kleines Säcklein und hängt es um den Hals.
Mittel gegen Zahnweh oder Zahnen des Kleinkindes: Man näht lebende Kellerasseln in ein Säcklein (ungerade Zahl!) und hängt es dem Kleinkind um den Hals. Das erleichtert das Zahnen. Um das Zahnweh zu vertreiben, trug man eine getrocknete Kreuzspinne mit sich.
Gegen Rheuma gab es ein probates Mittel: Man bringt eine leere Weinflasche in einen Haufen der Waldameise. In die mit Tieren gefüllte Flasche füllt man Branntwein und lässt die Flasche vor Gebrauch einige Wochen stehen. Dann reibt man den Ameisengeist tüchtig ein.
Um sich gegen Feuer und Blitz zu schützen, nagelte man ein Hufeisen an den Türpfosten.
Man glaubte, dass die Allermannsharnischwurzel (Allium victorialis L.), wenn sie auf dem Leib getragen wird, zufolge ihrer innewohnenden natürlichen Kraft jedes drohende Unheil abzuwehren vermöge.
Um auf der Reise das Glück bei sich zu haben, legt man vor Antritt der Reise ein vierblättriges Kleeblatt in die Schuhe. Es schützt nicht nur vor Müdigkeit, sondern bietet auch Gewähr für einen glücklichen Reiseverlauf.
Um schöne Zähne zu bekommen, näht man die Vorderpfote eines Schärs (Maulwurf) in ein «Blüntschili» ein und hängt es dem Kinde um. Diesem Verfahren liegt der Parallelismus zwischen der unterirdischen Wühlarbeit des Maulwurfes und dem Durchbruch des Zahns durch das Zahnfleisch zugrunde.
Um Blut zu stillen, nahm man das Kreuz in Anspruch. Es war ursprünglich ein religiöses Symbol, das an die Gemeinschaft mit Christus und seine Leiden erinnern sollte. Später erhielt es einen schützenden Charakter und galt als dämonvertreibend. Durch dreifaches Schlagen des Kreuzes – dies gilt auch für protestantische Gegenden – meinte man, bestehende «Verzauberungen» oder Verwünschungen als Ursache der meisten Krankheiten aufheben zu können. Bestimmten Sprüchen und Texten wurde eine übernatürliche Kraft beigelegt. Einer der ältesten Segen dieser Art ist der in ursprünglich lateinischer Form erhaltene Jordanssegen, der zur Blutstillung auch in unserer Region gesprochen wurde und lautet: «Blut steh still, wie das Wasser im Jordan still stand.»
Dann gab es Rezepte zur Behandlung von Warzen: Nimm drei Erbsen und bestreiche die Warze damit. Lege die Erbsen in ein Papier, gib einen Rappen dazu und lege das Ganze in einen Kreuzweg. Hier spielt Aberglaube, der dem Übernatürlichen in den meist mitternächtlich aufzusuchenden Kreuzwegen zugrunde liegt, eine grosse Rolle. Der älteste Grund liegt wohl in dem altheidnischen Brauch, die Toten an den Kreuzwegen zu begraben. Da die meisten Krankheiten als durch Dämonen und böse Geister hervorgerufen galten, konnte man sie an diesen Orten auch am leichtesten auf die Urheber wieder zurückübertragen.
Ein anderes Mittel gegen Warzen: In ein seidenes Bändchen macht man so viele Knoten als man Warzen hat. Man steckt es in die Tasche, wenn man es verliert, verschwinden die Warzen alsbald.
Wichtig waren die Mittel gegen die Viehseuche: Man hängt in den Stall den Zweig eines Dornbusches (Dornenkrone!). Die Tiere sind dadurch gegen verschiedene Krankheiten und vor allem auch gegen die Seuche gefeit. Dieser Aberglaube ist bis ins 20. Jahrhundert hinein zu verfolgen.
Gegen das Fieber wurden drei Mandeln, nachdem sie mit einem Kreuz versehen waren, aufgefädelt und um den Hals gehängt.
Um das Nasenbluten zu bekämpfen, nahm man einen Strohhalm, machte ein Kreuz darauf, blutete darauf: das Bluten hatte aufzuhören.
Um Ungeziefer zu vertreiben, versprach man folgendes Prozedere: Es wurde mit einer Haselrute, die am Vinzenzentag (22. Januar) vor Sonnenaufgang mit drei Schnitten in den drei höchsten Namen geschnitten worden war, zu vertreiben gesucht.
Berühmt und geschätzt war die Alraunwurzel (Mandragora L.). Sie stammt aus dem Mittelmeerraum. Für diese Wurzeln wurden früher hohe Summen bezahlt, weil man glaubte, in ihnen eine eigentliche Glückswurzel zu besitzen. Oft wurde sie nachgeahmt und als echt verkauft. Die Ärzte des Altertums kannten ihre einschläfernde Wirkung und verwendeten sie u. a. bei Operationen. Sie ist auch heute noch sehr selten. Das Exemplar im Ortsmuseum Wädenswil stammt aus Griechenland und dürfte eines der ganz wenigen Exemplare in der Schweiz sein.
Ebenso bedeutend war die Jerichorose. Sie wurde während des Jahres sorgfältig aufbewahrt, um sie in den Dienst des Orakels zu stellen. Man brachte die stärkere oder schwächere Entfaltung der in ein Glas Wasser gebrachten Rose in Beziehung zur grösseren oder geringeren Fruchtbarkeit des folgenden Jahres. Die «Rose» wächst in Syrien und Ägypten. Sie hat als Anpassungserscheinung an das trockene Klima die Fähigkeit, die bei Anbruch der Trockenperiode nach ihrer Blütezeit kugelig einwärts gebogenen Zweige und Fruchtklappen bei Feuchtigkeitsaufnahme wieder zu strecken und die Form einer geöffneten Rose anzunehmen.