Prosit Neujahr!

Quelle: Gewerbezeitung Mittwoch, 10. Dezember 2014 von Peter Ziegler
Dass nach dem zwölften Stundenschlag die Kirchenglocken das neue Jahr einläuten, entspricht alter Tradition. Im Ratsmanual von 1709 wird von dem «von altem her gewohnten Neujahrseinläuten am Zürichsee eine Stunde lang nach Mitternacht» gesprochen. Das mitternächtliche Geläut kam auf der Landschaft auf. Die Stadt Zürich übernahm den Brauch erst um 1840.
Mancherorts war es Sitte, das Läuten bei der Kirche oder gar im Kirchturm mitzuerleben. Dies führte bisweilen zu Unordnung. 1770 liess der Wädenswiler Stillstand, die Kirchenpflege, in der Neujahrsnacht Wächter patrouillieren, um Schäden in der Kirche und auf den Gassen zu verhüten.
Bis in die 1970er Jahre konnte man in der Silvesternacht die Fenster öffnen, um das Ausläuten des alten Jahres, den Mitternachts-Stundenschlag und das Einläuten des neuen Jahres zu vernehmen. Dann machte sich ein neuer Brauch aus Deutschland breit: Regelmässig werden nun die Kirchenglocken vom Knall vieler Kanonenkracher und Raketen übertönt.
Neujahreskarte 1903.

Schon 1924 galt als Neujahrswunsch die Kurzform: «E guets Nöis!» Älter war der folgende, einst weit verbreitete Spruch: «I wöisch öi e guets, glückhaftigs, gsunds, gsägnets, fröideriichs Nöijaar, i wösche, das er no mängs mögid erläbe, bi gueter Gsundheit und Gottes Säge.»
Heute wünscht man sich oft auch einen guten Rutsch. Mit rutschen hat dies allerdings nichts zu tun. Der «Rutsch» leitet sich vom hebräischen «Rosch ha-Schana» ab, dem Wort für Kopf oder Anfang des Jahres. Mit einem «guten Rutsch» wünscht man also einen «guten Anfang».
Um 1890 wurden gedruckte Neujahrskarten Mode. In einem Inserat im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 27. Dezember 1890 empfahl das Warenhaus J. Schubiger in Wädenswil seine Neujahrskarten in «130 geschmackvollen Genres». Eine um 1900 geschaffene Glückwunschkarte zeigt die reformierte Kirche Wädenswil im Schnee, dazu eine Kirchenglocke. Überschrieben ist die aus der Firma Huber in Thalwil stammende Lithografie mit «Prosit Neujahr!», was soviel bedeutet wie «Es möge Dir zum Guten werden!»
Weit verbreitet waren seit dem Ersten Weltkrieg und bis in die 1950er Jahre die kleinformatigen Neujahrskärtchen mit Schneemännern, Hufeisen mit Masche, Kaminfeger, rosigen Schweinchen als Motiven. Mit 5 Rappen frankiert, konnten sie mit der Post verschickt werden. Dann akzeptierte die Post das kleine Briefformat nicht mehr, und auch das Porto wurde angehoben.
Damit verringerte sich die Zahl der verschickten Neujahrsgrüsse. Dafür kamen andere Übermittlungsarten auf: das Telefon, der E-Mail-Verkehr sowie SMS und MMS.
Am Zürichsee bestand bis 1798 der Brauch, dass der Landvogt von Wädenswil, aber auch die Obervögte der Vogteien am See, der Bevölkerung am Neujahrstag Wein und Brot spendeten. Bereits die erste Wädenswiler Landvogteirechnung von 1550/51 verzeichnet eine solche Gabe an die Gemeinden Wädenswil und Richterswil «zum guoten jar». Gewissermassen als Fortsetzung der früheren Gemeindetrünke darf man das Cüpli bezeichnen, das die Stadt und der Verkehrsverein Wädenswil der Bevölkerung jeweils in der Nacht auf Neujahr auf dem Seeplatz offerieren.

Früher

Neujahreskarte, Neujahreskarte 1900 und Neujahres-Einladung 1907.

Heute

Neujahresfeier 2014 auf dem Seeplatz in Wädenswil.
Vor einem Jahr liessen die Wädenswiler Lampione in die Luft steigen.




Peter Ziegler