Wandernde Spielleute
Auch das Theaterspiel beruht in Wädenswil auf alter Tradition. Schon im 17. Jahrhundert konnte man in unserer Gegend dann und wann den Schauspielen fahrender Theaterleute beiwohnen. Die dargebotenen Stücke müssen aber von geringer Qualität gewesen sein. So liest man in den Landvogtei-Rechnungen von 1695, dass Leonhard Stadelmann und David Bernet, «zwei frömbde Schreyer», mit drei Tagen Gefängnis und einer Geldbusse bestraft wurden, weil sie zu Richterswil ohne Bewilligung «ein Theatrum» aufgerichtet und an einem Sonntag ärgerliche Sachen gespielt hatten.
Theaterauffführungen in der «Krone»
Genaueres über das Theaterleben in Wädenswil ist aus der Zeit um 1790 bekannt. Salomon von Orelli berichtet in seiner handschriftlichen «Geschichte des
Stäfner-Handels von 1794/95» (Staatsarchiv Zürich, B X 39), dass zu Wädenswil die schönen Künste und die Aufklärung soweit gediehen seien, dass die jungen Leute daselbst auf einem dazu eingerichteten Theater Komödie spielten, was für das Landvolk eine ganz neue Einrichtung darstelle.
Die Schauspieler verfochten lebhaft die politischen Neuerungen und verpassten es nicht, auch die Weibspersonen, welche Rollen übernommen hatten, in der Politik zu unterrichten. Und der Erfolg blieb nicht aus: Die Frauen verfochten mit Nägeln und Zungen unbedingte Freiheit und Gleichheit. Und wem an ihrer Gunst gelegen war, der musste zugleich ein guter Freund der Franzosen sein. Kulturelles Zentrum der Gemeinde war in den 1790er Jahren der
Gasthof zur Krone. Hier traf sich die Gesellschaft; hier wurde von den Fabrikanten «gekannegiessert und dann eine Partie Karten gespielt». Und hier verkehrte – der Wirtstochter wegen – Kaspar Billeter von Stäfa, der in seiner Selbstbiographie behauptet, in Wädenswil als Förderer und Verfeinerer der Kultur gewirkt zu haben. So habe er in Wädenswil wiederholt an ländlichen Festen und allgemein der Freude geweihten Tagen theatralische Belustigungen aufgeführt, «anstatt schmutziger, abgeschmackter und sinnloser Fastnachts-Freuden». Salomon von Orelli schreibt über Billeter: «Bei einem schlechten Äussern und einer winzigen Figur war er doch gewandt. Zu Wädenschwyl, wo die Eleganten alle Jahr eine Comödi spielten, hatte er immer eine Hauptrolle übernommen und sich da gewöhnt, öffentlich ohne Schüchternheit zu reden. «Übrigens hat auch der damalige Pfarrer von Wädenswil, Johann Kaspar Ammann, im Stillstands-Protokoll die Tatsache festgehalten, dass zu Beginn des Jahres 1790 «bey der Cronen» theatralische Vorstellungen stattfanden. Der Erlös wurde dem Schulfonds überwiesen. – Zum Verwalter der Kanzlei Horgen aufgerückt, hatte Billeter weniger Zeit, sich in Wädenswil ums Theaterspiel zu kümmern. Das Fernbleiben des Spitzenmannes und Dramaturgen bedeutete für die Theatergesellschaft Wädenswil, die 1790 in voller Tätigkeit war, einen schweren Verlust.
Umtriebe mit Molières «Wunderdoktor»
Trotz der Abwesenheit Billeters spielten die Wädenswiler weiterhin Theater. So studierte man 1806 Molières «Wunderdoktor» ein. In der «Krone» lag schon alles zur Aufführung des Schauspiels bereit. Da überbrachte der Unterstatthalter ganz unerwartet den Bericht, dass das Stück ohne hochobrigkeitliche Bewilligung nicht aufgeführt werden dürfe. Wer hatte diese Weisung veranlasst? «Unsere unverträglichen Gemeinderatsmitglieder, die allen edleren Vergnügungen Feind waren», schreibt der Chronist der Lesegesellschaft. Die Theaterleute liessen sich nicht verdriessen. Sogleich schickten sie zwei Mitglieder zum Zürcher Bürgermeister Reinhart, welcher die Schauspieler ermunterte, das Stück nicht nur am zweiten Tag des Frühlingsmarktes, sondern noch zweimal nachher aufzuführen. Diese Bewilligung behagte freilich dem Gemeinderat nicht, «wohl aber allen denen, die solche edlere Vergnügungen allen Fress- und Saufgelagen, womit andere Menschen sich ergötzen, vorzogen».