40 Jahre «Freunde des Volkstheaters Wädenswil»

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1985 von Emil Bader

Am 1. September 1945 schlossen sich einige Theaterbegeisterte zusammen, um das kulturelle Leben in Wädenswil mit guten Volkstheateraufführungen auf der neuen Engel-Bühne zu bereichern. Eigentlicher Gründer der erfolgreichen Spielgemeinschaft war Gemeindeschreiber Emil Bader. Er führte den Vorsitz an der ersten Zusammenkunft im Hotel Engel; er diente den «Freunden des Volkstheaters Wädenswil» während vielen Jahren als Obmann; er spielte in einer Vielzahl von Inszenierungen die Hauptrolle, und er übersetzte für die Wädenswiler eine Reihe von Stücken in träfe Zürcher Mundart.
Die Frage, warum er sich so unentwegt für die «Freunde des Volkstheaters Wädenswil» einsetze, beantwortete Emil Bader einmal wie folgt: «Persönlich habe ich in der Gruppe immer mitgemacht, weil das Theaterspielen für mich inneres Bedürfnis ist. Ich kann in der Darstellung, der Verkörperung eines andern Menschen, voll aufgehen. Dieses «In-eine-andere Haut-Schlüpfen» lässt mich die Alltagsumwelt ganz vergessen. Ich finde so Ausgleich, Befreiung, innere Befriedigung und Erfüllung in einer wahrhaft anderen Sphäre. Mein Jugendtraum war ja unter anderem auch, Schauspieler zu werden!»
Wir danken Emil Bader für seinen engagierten Einsatz im Dienste des guten Laienspiels und freuen uns, dass er mit dem nachstehenden Beitrag Rückschau hält auf 40 Jahre «Freunde des Volkstheaters Wädenswil».




Peter Ziegler





Max Möhr



Die Spielgemeinschaft verdankt ihr Entstehen zu einem guten Teil dem 1938 in Wädenswil anlässlich des Zürcher Kantonalturnfestes aufgeführten Festspiel «Bi öis am See», an dem rund 500 Personen aus allen Schichten der Dorfbevölkerung und ihrer Vereine mitgewirkt hatten. Dieses freie, vorbildliche Mittun zur Erreichung eines ansehnlichen kulturellen Ziels weckte den Gedanken, auf ähnliche Weise eine Gemeinschaft zu bilden, um jährlich mindestens einmal Volkstheater-Laientheater zu spielen nach der Losung von Prof. Dr. Otto von Greyerz: «Wir wissen, dass es um mehr geht als um blosse Volksbelustigung und Zeitvertreib für müssige Winterabende; dass von einem richtigen Volkstheater eine die Gemüter befreiende, unter Umständen auch versöhnliche Wirkung ausgehen kann; dass es ein Mittel werden kann zur Läuterung des Geschmacks, zur Bildung eines freieren und richtigeren Urteils über Menschen und Zeiten, zur Vertiefung des Gemüts, zur sittlichen, sozialen und vaterländischen Erziehung.»
Als Wädenswil 1945 zu seinem neuen Engelsaal und damit endlich auch zu einer richtigen, festen Theaterbühne kam, war der Augenblick gekommen, die Idee aus den späten dreissiger Jahren zu verwirklichen. Nicht, dass am Orte vorher nie Laientheater gespielt worden wäre! Im Protokoll des Wädenswiler Stillstands von 1790 ist festgehalten: «Anfangs dies Jahr wurde bey Vorstellung der Tragödie und Kommödie bey der Crone in hier jedes Mahl in den Schulfonds 65 Pfund von der Schaustellergesellschaft verehrt, folglich zusammen 130 Pfund. Die Acteure waren alle ausser Herrn Billeter von Stäfen aus hiesigem Dorf.» Und dann in dem des Gemeinderates von 1851: «Dem Theater-Direktor Schmitz, dato in Glarus, wird auf sein Gesuch, nur bis nach Ostern 1851 12 Vorstellungen geben zu dürfen, der Entscheid ertheilt, es sei hier ein Liebhabertheater zu gemeinnützigen Zwecken, das theatralische Vorstellungen gebe, somit könne nicht entsprochen werden.»
W. Shakespeare: «Der Kaufmann von Venedig», 1947.
H.R. Grob: «Das Fähnlein», 1948.
J. Villiger: «Eidgenoss Chrättli», 1953.



O. Farner: «Der Fuhrmann Gottes», 1955.
J. Villiger: «Eidgenoss Chrättli», 1953.
 
Die Gruppe der «Freunde» folgte im Grunde einer alten dörflichen Theatertradition, die im Laufe der Jahrhunderte − auf verschiedenen Ebenen − manche Träger gefunden hatte. Mit dem Neubeginn gleich nach Kriegsende ging es den Initianten nicht in erster Linie darum, sich selbst dem Bühnenspiel hingeben zu können; sie wollten viel mehr auch von dieser Seite her das lokale Kulturleben fördern und bereichern helfen und damit einen Beitrag leisten zur allgemeinen Erwachsenenbildung. Hinter diese Absicht stellten sich spontan der damalige Gemeindepräsident Dr. Walter Weber, der frühere Gemeindepräsident Ernst Felber, erster Präsident der 1945 gebildeten Genossenschaft «Hotel EngeI», und Dr. Adolf Stutz als Präsident der Lesegesellschaft, die das Patrona über die ohne Statuten und Protokoll tätigen Theaterfreunde in der Frühzeit ihres Wirkens übernommen hatte. Diesen nicht mehr unter uns weilenden Männern sowie der Lesegesellschaft schulden die «Freunde» Dank.
Die heute nach wie vor statutenlose Gemeinschaft stellte sich von Anfang an unter die Leitung einer fachlich ausgewiesenen Kraft, eines Künstlers, und zwar aus der Überlegung heraus, dass es nur einem solchen gelingen kann, mit Laien anspruchsvollere Werke den Anforderungen entsprechend zu erarbeiten; nicht anders, als es bei der Musik und dem Gesang der Fall ist, sobald an Stoff und Ausführung höhere Anforderungen gestellt werden.
W. Shakespeare: «Was ihr wollt», 1950.
So ist es bei den «Freunden» eine Selbstverständlichkeit, 50 bis 60 und mehr zwei- bis dreistündige Proben im Laufe von vier bis fünf Monaten zu bestehen und zum Schluss noch 10 bis 15 öffentliche Aufführungen dazu. Das Proben wird hier seit Anbeginn als das Wichtigste, Wertvollste der ganzen Theaterarbeit angesehen und betrieben; die Probe ist die Hauptsache, die Aufführung die selbstverständliche Frucht. Die Proben sind es vorab, die dem Mitwirkenden Gewinn, Genugtuung und Freude bringen. Seit jeher lag es der Spielgruppe daran, möglichst vielen Spielfreudigen das Mitmachen zu ermöglichen, sei es als Darsteller, als «Techniker» (für Bühnenbau, Beleuchtung, Kostümierung usw.) oder im organisatorisch-administrativen Bereich. So kommt es, dass die Zahl der in allen Sparten Tätigen, je nach Stück, zwischen 50 bis 60 liegt. Dabei ging man von Anfang an darauf aus, sie möglichst lokal, das heisst innerhalb der Gemarkungen der ehemaligen «Herrschaft Wädenswil» zu finden, vereinzelte Ausnahmen vorbehalten. Die in letzten Jahren von der Produktionsleitung zunehmend geübte «Rekrutierung» Auswärtiger hat sich, entgegen der ursprünglichen Gruppenabsicht, im Ganzen gesehen nicht als zweckdienlich erwiesen. Bei der Aufführung von 1984 unter anderer Ägide hatten dann wieder alle am Spiel Beteiligten ihren Wohnsitz innerhalb der alten Herrschaftsgrenze Wädenswils. Heute, nach vierzig Jahren, zeigt der vom frei bestellten Arbeitsausschuss geführte Etat, dass von 1945 bis jetzt rund 450 Personen in irgendeiner Funktion bei den Spielen der Theaterfreunde aktiv beteiligt waren.
Emil Bader, Carl Zuckmayer und Walter Wefel an der Première von «Katharina Knie», 1969.

Wie geht es weiter? Nachdem 1985 aus verschiedenen Gründen eine Aufführung nicht zu Stande kam, steht die Gemeinschaft für den Winter 1985/86 vor einem neuen Spielprojekt. Im Zusammenhang damit darf hier wohl daran erinnert werden, was die verstorbene Dr. Elisabeth Brock-Sulzer als hervorragende Theaterkennerin und -kritikerin 1963 in der Presse u.a. geschrieben hat: «Das Laienspiel ist eines der wichtigsten Elemente schweizerischen Theaterlebens. Vieles ginge verloren, wenn es unterginge. Aber schon ist es so weit gekommen, dass man diesen Verlust ernstlich bedenken muss. Die künstlerisch bemühten Laienspielgruppen sind selten geworden, und was im Land herum an Vereinsanlässen gespielt wird, ist trotz aller Warnrufe der Wissenden und ihrer tätigen Hilfsbereitschaft oft so, dass man sich das noch so theaterlustige Haupt verhüllen möchte. Da tut es denn gut, alljährlich den Blick nach Wädenswil wenden zu können, dessen „Freunde des Volkstheaters“ eine bewunderungswürdige Tätigkeit entfalten. Die Reihe der Stücke, die sie nun seit vielen Jahren herausgebracht haben, erzwingt die Hochachtung jedes am Theater interessierten Menschen.» – Die Wädenswiler Theaterfreunde hoffen, es bleibe bei dem, was Frau Dr. Brock-Sulzer ausgesprochen hat. Am guten Willen, weiter das Beste zu tun, werden sie es gewiss nicht fehlen lassen.
Molière: «Der Arzt wider Willen», 1982.




Emil Bader


Über das Theaterschaffen in den vergangenen vierzig Jahren gibt die nachstehende Aufstellung beredten Ausdruck:

Aufführungen im Hotel Engel

*M = Zürcher Mundartbearbeitungen von Emil Bader
 
1946    «Die Räuber» von F. Schiller
            Regie: August Schmid
1947    «Der Kaufmann von Venedig» von W. Shakespeare
            Regie: August Schmid
1948    «Das Fähnlein» von H. R. Grob
            Regie: August Schmid
1949    «Minna von Barnhelm» von G. E. Lessing
            Regie: August Schmid/Felix Rellstab
1950    «Was ihr wollt»
            von W. Shakespeare
            Regie: Felix Rellstab
1951    «Tell) von Paul Schoeck
            Regie: Felix Rellstab
1952    «Der Fall Liechti»
            von R. Joho *M
            Regie: Rudolf Joho
1953    «Eidgenoss Chrättl»
            von J. Villiger
            Regie: Rudolf Joho
1954    «Schwarzi Göggs und wyssi Chräge»
            von Cesar Keiser und Peter Farner
            Regie: Cesar Keiser
1955    «Der Fuhrmann Gottes»
            von Prof. Dr. O. Farner
            Regie: Wilfried Scheitlin
1956    «Die Prinzessin und der Schweinehirt»
            von Richard Sehneiter
            Regie: Wilfried Scheitlin
1957    «Der Verrat von Novara»
            von Cäsar von Arx
            Regie: Wilfried Scheitlin
1958    «Bei- und Ybruch»
            von Schaggi Streuli
            Regie: Schaggi Streuli
1959    «Ehrbar vo A-Z»
            nach der «Unschuldige» *M
            von Fritz Hochwälder
            Regie: Wilfried Scheitlin
1960    «Glückliche Reise»
            von Th. Wilder Regie:
            Walter Wefel
            «Schreie in der Nacht»
            von H. Heinemann
            Regie: Cesar Keiser
1961    «Entführung aus dem Verleih»
            von J. Villiger
            Regie: Paul Bühlmann
1962    «Dienst auf Golgatha»
            von M. Dornier
            Regie: Walter Wefel
1963    «Vogel friss oder stirb»
            von Cäsar von Arx
            Regie: Walter Wefel
1964    «Marie und Robert»
            von Paul Haller
            Regie: Walter Wefel
1965    «Anruf» von H. R. Hubler *M
            Regie: Walter Wefel
1966    «Kleider machen Leute»
            von A. Schwengeler
            Regie: Walter Wefel
1967    «I Gotts Name»
            von Hans Thürer *M
            Jubiläumsaufführung 200 Jahre reformierte Kirche Wädenswil
            Regie: Karl Meier
            «Die Heiratsverrnittlerin»
            von Th. Wilder
            Regie: Walter Wefel
1968    «Durch Heirat zur Ehe»
            von Viktor Hardung
            Regie: Karl Meier
1969    «Katharina Knie»
            von Carl Zuckmayer *M
            Regie: Walter Wefel
1970     «Es Fröiläin ooni Adrässe»
            J. Nestroys
            «Das Mädl aus der Vorstadt» *M
            Regie: Walter Wefel
1971    «Zehn kleine Negerlein»
            von Agatha Christie
            Regie: Walter Wefel
1972    «Die grosse Wut des Philipp Hotz» *M und
            «Biedermann und die Brandstifter» *M
            von Max Frisch
            Regie: Walter Wefcl
1973    «Liliom»
            von F. Molnar *M
            Regie: Walter Wefel
«Es Fröilein ooni Adrässe», 1984. Mundartbearbeitung von J. Nestroys «Das Mädel aus der Vorstadt» durch Emil Bader.


1974    «Drei Mane im Schnee»
            von Erich Kästner
            Regie: Walter Wefel
1975    «Die Panne»
            von F. Dürrenmatt *M und
            «Schlafwagen Pegasus» von Th. Wilder
            Regie: Walter Wefel
1976    «Die Journalisten»
            von Gustav Freitag *M
            Regie: Erwin Kohlund
1977    «Die Heiratsvermittlerin»
            von Th. Wilder *M
            Regie: Franziska Kohlund
1978    «Der Widerspenstigen Zähmung»
            von W. Shakespeare *M
            Regie: Franziska Kohlund
1979    «Der kleine Sündenfall»
            von Cäsur von Arx *M
            Regie: Franziska Kohlund
1980    «Der Diener zweier Herren»
            von Carlo Goldoni *M
            Regie: Franziska Kohlund
1981    «Ein Sornmernachtstraurn»
            von W. Shakespeare *M
            Regie: Franziska Kohlund
1982    «Der Arzt wider Willen»
            mit Vorspiel usw.
            von Molière *M
            Regie: Franziska Kohlund
1983    «Historia von Doctor Johannes Faustus» *M
            Schwarzkünstler, Zauberer, Magier
            Eine Höllenfahrt mit Gesang
            Collage von Franziska Kohlund
            Regie: Franziska Kohlund
1984     «Es Fröiläin ooni Adrässe» *M
            J. Nestroys «Das Mädl aus der Vorstadt»
            (Reprise von 1970)
            Regie: Edwin Mächler