Wädenswiler auf Strassentafeln

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1975 von Peter Ziegler


Nur wenige Strassen und Wege der Stadt Wädenswil sind nach Personen benannt. Frauennamen fehlen überhaupt. Wer waren die besonders ausgezeichneten Männer? Die folgenden Kurzbiographien geben darüber Aufschluss:

Hermann Müller-Thurgau (1850–1927)

Hermann Müller kam am 21. Oktober 1850 in Tägerwilen zur Welt. Nach dem Besuch des Lehrerseminars Kreuzlingen wurde er, mit knapp zwanzig Jahren, als Lehrer an die Realschule in Stein am Rhein gewählt. Schon bald entschloss er sich aber zum Studium am neugegründeten Polytechnikum, der späteren ETH Zürich, wo er 1874 zum Doktor der Naturwissenschaften promovierte.
Nach zweijähriger Assistententätigkeit an der Universität Würzburg erhielt der junge Schweizer die ehrenvolle Berufung nach Geisenheim, wo er als Leiter des neuen Instituts für Pflanzenphysiologie an der Preussischen Lehr- und Forschungsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau ein dankbares Tätigkeitsfeld fand. Als Forscher wie als Berater der deutschen Weinbauern erhielt er hohe Anerkennung. In Geisenheim was es auch, wo ihm zur Unterscheidung von einem gleichnamigen deutschen Kollegen der Zuname «Thurgau» verliehen wurde, den er auch nach der Rückkehr in die Heimat zeit seines Lebens behielt.
Die Rückkehr fiel ins Jahr 1891, in eine eigentliche Krisenzeit des schweizerischen Obst- und Weinbaus. Die unerfreuliche Situation führte 14 deutschschweizerische Kantone und Halbkantone zu einem Konkordat zusammen, mit dem Ziel, eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt und höhere Schule zu gründen. Der Kanton Zürich schenkte den Initianten die halbzerfallene Domäne des Schlosses Wädenswil, und Hermann Müller-Thurgau wurde mit dem Aufbau des neuen Instituts betraut.
Der Weinbautechniker Heinrich Schellenberg unterstützte den neuen Direktor bei der Weiterführung der schon in Deutschland begonnenen Züchtung der Riesling s Sylvaner-Rebe, wobei es, nach rund zwanzigjähriger Arbeit, 1906 erstmals gelang, etwa 100 Liter Wein dieser Sorte herzustellen. Der grösste Verdienst von Hermann Müller-Thurgau waren indessen seine grundlegenden Forschungen über die Herstellung unvergorener, alkoholfreier Weine aus Obst und Trauben.
Aus dürftigen Anfängen schuf Hermann Müller-Thurgau ein Institut von internationaler Geltung. 1902 ging die Versuchsanstalt Wädenswil zur grossen Freude aller Beteiligten an die Eidgenossenschaft über, und 1970 wurde sie zur Forschungsanstalt erhoben.
An seinem 70. Geburtstag wurde Müller-Thurgau mit vielen Ehrungen bedacht. Die Universität Bern ernannte ihn zum Ehrendoktor, viele landwirtschaftliche Organisationen zum Ehrenmitglied. Direktor Müller leitete die Versuchsanstalt Wädenswil bis 1924, das heisst bis zu seinem 73. Lebensjahr. Nach kurzem Krankenlager starb der temperamentvolle, kritische und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Forscher und Lehrer am 18. Januar 1927.




Peter Ziegler


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