Die Sektion im Jubiläumsjahr

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1991 von Jürg Schweizer

Generalversammlung

Die Generalversammlung vom 26. Januar 1991 wird in festlichem Rahmen durchgeführt. In einer spontanen Sammlung für die Greina-Stiftung wird ein namhafter Beitrag zusammengelegt. Walter Keller, hervorragender Präsident von 1982 bis 1989, wird zum 10. Ehrenmitglied der Sektion ernannt.

Jubiläumsfeier auf dem Etzel

Über 250 Personen kann Peter Hausmann bei traumhaft schönem Wetter am Samstag, 15. Juni 1991, auf dem Hausberg der Sektion, dem Etzel, zur Feier des hundertsten Geburtstages begrüssen. Einen besondern Gruss entbietet er dem Zentralpräsidenten Franz Steinegger und dem Ehrenmitglied Jakob Eschenmoser. Einfühlsam erinnert er an die einstige Etzelwirtin Kätterli Schönbächler, die so schön und fest die Fäden vom Etzel zu den «Hohröhnlern» gesponnen hatte.
Jubiläumsfeier «100 Jahre SAC Sektion Hoher Rohn» auf dem Etzel, 1991. Ansprache von Präsident Peter Hausmann.

Ein Leckerbissen schlechthin ist die Festansprache von Ehrenmitglied Walter Keller mit dem Titel «Eine SAC-Sektion im Wandel der Zeit». Es wurde ein gutes Stück Schweizergeschichte, durchsetzt mit zahlreichen, nachdenklich stimmenden Gegenüberstellungen, voll von Poesie auch und farbig wie ein Kaleidoskop, in schönster Weise treffend für eine Sektion, der Wünsche und echtes Bestreben nie und nimmer ausgehen. Zutreffend auch für eine Sektion, in der Kameradschaft und Mitmachen Tradition sind. Dabei heisst Tradition nicht Asche aufbewahren, sondern das Feuer am Leben erhalten. Souverän doppelt Zentralpräsident Franz Steinegger nach und hält fest, dass die Sektion Hoher Rohn in ihrem Jubiläumsjahr noch ein rechtes Stück Holz in dieses Feuer eingegeben habe. Er schliesst seine geistreichen Ausführungen in urchigem Urnerdialekt mit einem ernsten Aufruf an alle: «Nicht mehr Verbote müssen erfolgen, sondern mehr Disziplin jedes einzelnen muss geübt werden.»
Das ausgezeichnete Nachtessen, serviert von unsern SAC-Frauen, leitet über zum gemütlichen Fest. Im Laufe des Abends holt der Präsident, Peter Hausmann, die Hüttenwarte unserer Bergellerhütten, die Ehepaare Lucia und Marcello Marazzi und Ruth und Bruno Hofmeister, auf die Bühne. Er dankt ihnen unter grossem und herzlichem Beifall für alle ihre hervorragende Arbeit für die Bergsteiger und Wanderer im Bergell. Lucia «von der Albigna» erhält als äusseres Zeichen der Dankbarkeit für ihre dreissigjährige Arbeit ein goldenes Kettchen mit Inschrift und Bergkristall. Das gelungene Zusammensein auf dem Etzel ist ein Festtag, an den alle mit Freude zurückdenken.
Die Teilnehmer der Elbrus-Expedition, 1991.

Am Elbrus im Kaukasus

Unsere Jubiläumsexpedition soll Berge zum Ziel haben, die uns noch unbekannt, für eine grössere Teilnehmerzahl besteigbar, interessant und für ein Dreiwochenprogramm geeignet sind. So treffen sich am 24. April 1991 neunzehn «Hohröhnler» und Bergführer Kurt Sterchi im Flughafen Kloten für die Reise über Moskau in den Kaukasus. In diesem 1200 Kilometer langen Gebirge der UdSSR zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer wollen wir, nach Akklimatisationstouren auf einige Drei- und Viertausender, den Elbrus (mit 5633 m der höchste Berg Europas) mit Skis besteigen. Unser jüngster Teilnehmer ist 21, der älteste 68. Drei Frauen sind mit dabei.
Am 26. April brechen wir von unserer Ausgangsbasis Itkol zum Tscheget (3480 Meter) auf. Diese Skitour vermittelt einen ersten Einblick in die uns unbekannte Bergwelt. Eine weitere Tour bringt uns durch ein Tal mit überwältigender Bergkulisse, über eine unglaublich weitläufige, gestufte Gletscherlandschaft zum Gumatschi (3582 m). Das Panorama mit den markanten Gipfeln ist grossartig, und in der Ferne erblicken wir den mächtigen, weiss glitzernden Kegel mit dem Doppelgipfel des Elbrus. Wir ziehen in einer Superabfahrt zwanzig Spuren in Schlangenlinien nebeneinander durch unberührten Pulverschnee.
Die Hohröhnler im Aufstieg zum Elbrus.

Bei strahlend schönem Wetter steigen wir, nun akklimatisiert und mit Proviant für die nächsten drei Tage, zur bereits vor Tagen erkundeten Blechhütte Prijut-11 am Elbrus auf. Um zwei Uhr früh des folgenden Tages ist Tagwache, doch das Wetter ist so schlecht, dass wir nur eine kleine Skitour unternehmen können. Am nächsten Tag, am 1. Mai, brechen wir trotz wolkenverhangenem Himmel auf. Im schwachen Lichtkegel der Stirnlampen steigen wir über die mässig steilen Hänge einer immensen Schnee- und Eiswüste aufwärts. Es ist windig und schneit. Nach zwei Stunden erreichen wir ein Felsplateau, die Bastochowa-Felsen, auf 4700 Metern. Nun folgen Partien mit blankem Eis. Wir ziehen die Steigeisen an und verpflegen uns. Es dämmert langsam, und es geht scheinbar unendlich aufwärts, steiler als ich mir den Elbrus von der Feme vorgestellt hatte. Pause auf 4900 Meter. Ich muss bereits stark atmen, mein Puls geht schnell. Der Wind wird stärker, und die Sicht ist schlecht. Unsere Schritte werden immer bedächtiger. Ganz langsam setzen wir unaufhörlich einen Fuss vor den andern. Bei jedem Anheben des Fusses atme ich tief ein, beim Absetzen tief aus. Nach einer Rast auf 5100 Meter steigen wir in starkem Schneetreiben und grosser Kälte dem Westgipfel entgegen. Wir halten öfters an, stützen uns auf die Skistöcke, der Atem geht rasch und kurz. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Wir erreichen 5400 Meter, befinden uns nur noch etwa 200 Höhenmeter unter dem Westgipfel mit 5633 Meter. Sechs Stunden sind wir unterwegs, und das Wetter verschlechtert sich zusehends. Der Entscheid fällt: Wir kehren um. Wir sind zwar alle in guter Verfassung und hätten den Gipfel in weitem 1 bis 1 1/2 Stunden erreichen können. Doch bei diesen misslichen Wetterverhältnissen dürfen wir den Gipfel nicht erzwingen, um so mehr als die Sicht kaum 20 Meter weit reicht.
Wir steigen ab. Der Wind greift uns nun direkt von vorne an und trifft stechend ins Gesicht. Es geht über Eisflächen, die sich unten in der Leere verlieren, abwärts. Auf einer Höhe von 4750 Metern hält Anatolj, unser russischer Bergführer, an, da wir zu direkt abgestiegen sind. Wir müssen, um riesige Eisabbrüche umgehen zu können, bis auf 5000 Meter wieder aufsteigen. Wir sind bereits knapp 11 Stunden unterwegs. Im zweiten Versuch finden wir den Durchgang und treffen endlich auf die Bastochowafelsen. Das Wetter hat sich nun etwas gebessert, und die Prijut-11-Hütte ist tief unten, mitten in der gewaltigen Schnee- und Eislandschaft, sichtbar. In der sicheren Hütte, von der Anspannung befreit, beglückwünschen wir uns gegenseitig.
Im Tal haben die Sowjets für uns einen Abschiedsabend vorbereitet. Ein reich gedeckter Tisch erwartet uns, und Wodkaflaschen stehen, wie bei uns Bierflaschen, herum. Nach Tisch- und Dankesreden erhalten wir das Elbrus-Abzeichen.
Nach dieser eindrucksvollen Zeit im Kaukasus, die von drei Wochen schöner Kameradschaft geprägt war, werden wir in Kloten von unsern Angehörigen und einer Delegation der Sektion freudig und herzlich begrüsst. Wer dabei war, trägt neben seiner schweren Skitouren-Ausrüstung unzählige, ebenso gewichtige und bleibende Eindrücke nach Hause.






Jürg Schweizer

Die JO auf dem Piz Palü

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1991 von Jürg Schwarz

Als Abschluss der Tourenwoche im Unterengadin, in der eine ganze Reihe einsamer, unbekannter Berge bestiegen wurden, stand der Piz Palü auf dem Programm. Das Wetter hatte uns stark verunsichert, und die Hoffnungen auf ein weiteres Gipfelerlebnis waren immer kleiner geworden. Doch um die Mittagszeit stand die ganze Gruppe überglücklich auf dem Gipfel des Piz Palü, auf 3882 Meter Höhe. Die verbrannten Nasenspitzen kamen daher nicht zuletzt von unseren glücklich strahlenden Augen. Die Aussicht war trotz des eisigen Windes prächtig. Etwa 1000 Höhenmeter unter uns lag ein grosses Wolkenmeer. Nach dem guten Training der vergangenen Tage bereitete der Aufstieg auf dieses Traumziel jedes Bergsteigers keine besonderen Schwierigkeiten. Die Abfahrt durch knietiefen Pulverschnee war «megagenial». Sonne und Wonne erfreuten die Gemüter. Zeitweise fühlten sich einige so stark mit dem weissen Element verbunden, dass sie sich erst nach ausgiebigem Herumwälzen wieder der Welt anvertrauten. Bei einer letzten Rast blickten wir nochmals auf den gewaltigen Klotz hinter uns zurück. Erfreulich, dass alle JOler gemeinsam den Gipfel erreichten. Ein Erlebnis, das nicht so schnell vergessen wird.


Mitglieder der JO im Abstieg über den vereisten Ostgrat des Piz Palü.
La Fiamma, Wahrzeichen des Albigna-Gebietes, im Jubiläumsjahr von 15 Sektionsmitgliedern erklettert.




Jürg Schwarz

84 Hohröhnler unterwegs im Bergell

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1991 von Peter Hausmann

Die Tourenwochen vom 10. bis 18. August 1991 dürfen als bergsteigerischer Höhepunkt im Jubiläumsjahr gelten. 84 Mitglieder der Sektion waren in sechs Gruppen im Bergell auf Wanderungen, Berg- und Klettertouren unterwegs und trafen sich am letzten Tag in der Albignahütte, um gemeinsam zu feiern.
Ago di Sciora und Punta Pioda im Bergell.
 
Frühmorgens, meist noch bei Dunkelheit, erreichten die Bergsteiger den Einstieg. Mit klammen Fingern wurde angeseilt und die erste Seillänge «erknorzt», dann in den Strahlen der aufgehenden und wärmenden Sonne höher gestiegen, immer den Gipfel vor Augen. Gar manches Mal konnte man anderen Gruppen zujauchzen. Immer aufwärts kletternd, erreichte man den Gipfel. Der schöne Augenblick des kameradschaftlichen Händedrucks, das Leuchten der Freude in den Augen, liess die Mühsal des frühen Aufstehens oder die schwere Seillänge, die viel zu schaffen machte, vergessen. Am Abend traf man sich müde, aber glücklich in der Hütte.
Das Wetter war die ganze Woche einmalig schön. Alle vorgesehenen Touren konnten durchgeführt werden. Alle Gruppen, die Bergwanderer, die «gewöhnlichen» Bergsteiger und die «Spitzenkletterern im 6. Schwierigkeitsgrad kamen voll auf ihre Rechnung. Doch ist es bei weitem nicht so, dass sich das Bergerlebnis parallel zum steigenden Schwierigkeitsgrad erhöht. Auch das Wandern zwischen wildromantischen Felsen und über blumengeschmückte Alpwiesen sowie die beeindruckenden Tiefblicke lösten bei der Gruppe, welche vom Puschlav westwärts über die Berge bis hin zur Albignahütte zog, ein tiefempfundenes Glücksgefühl aus.
Die eigentlichen Bergsteiger und Kletterer waren im Bergell verteilt. Der wunderbare Bergellergranit, von dem Kletterer der ganzen Welt träumen, liess auch die Herzen der vier Klettergruppen höherschlagen. Täglich waren sie unterwegs in Wänden und auf Graten, auf Platten und in Überhängen, an steil aufwärts ragenden, kleingriffigen Kanten, wo Mut und Vertrauen in die Griffigkeit der Kletterschuhe und die Sicherung durch den Kameraden zur Selbstverständlichkeit werden.
Monte Disgrazia, der höchste Bergeller-Gipfel.

Über dreissig Gipfel wurden im Laufe dieser Woche bestiegen, dabei einzelne gleich mehrmals, von verschiedenen Gruppen. Es sind klingende, berühmte Namen, alle mit südlichem Akzent: Punta da l'Albigna, Cima da! Cantun, Pizzo Scalino, Spazzacaldeira mit La Fiamma, Al Ga!, Vergine, Pizzo Cengalo, Ago di Sciora, Pizzi Gemelli, Pizzo Badile, Torre Innominata, Monte Forno, Piz Casnil, Piz Balzet, Piz da la Margna; Piz Lunghin usw. Alle Teilnehmer, auch die eben erst aufgebrochenen Seniorengruppen, vereinigten sich am Schluss in der Albigna­hütte. Und die Hohröhnler kamen, oben vom Pass da Casnil, über den Cacciabella­Pass und unten vom Tal, freudig einander die Hände schüttelnd und voller Drang, die eigenen Erlebnisse den Kameraden der andern Gruppen zu erzählen.
Albignahütte, Ziel aller Gruppen, die im August 1991 während einer Woche im Bergell unterwegs waren.

Der Sektionspräsident begrüsste alle in der heimeligen Albignastube, gratulierte zu den geglückten Touren. Dankbar betonte er, dass wir von schwerwiegenden Unfällen verschont blieben. Nach dem festlichen Nachtessen berichteten die Tourenleiter über die «Taten» ihrer Gruppen. Dazwischen überraschten uns Lucia und Marcello Marazzi mit einem wunderbaren Dessert: Sieben grosse Torten, jede von geschickter Hand mit verschiedenen Silhouetten der stolzen Bergellergipfel verziert. Grosser Applaus verdankte die feine Spende. Überhaupt war es ein wunderschönes Beisammensein, geprägt von Dankbarkeit und Freude. Adolfo Salis sang zum Abschluss des Abends mit ausgezeichneter Solostimme wohlklingende, gefühlvolle Bergellerlieder.
Vor der Heimfahrt am Sonntagmorgen hielt Clubkamerad Hans Suter eine schlichte, sehr eindrucksvolle Bergpredigt vor der Albignahütte. Stumm, aber mit leuchtenden, bei manchem mit leicht feuchtschimmernden Augen, sassen die Hohröhnler auf den Granitplatten, umgeben von den herrlich schönen Bergellerbergen.
Damit endeten die glücklichen Tage im Bergell, und dankbar für das schöne, unvergessliche Erlebnis stiegen die Hohröhnler talwärts.




Peter Hausmann