Der Maler Ernst Denzler und sein Werk

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1979 von Max Niederer

Der 1898 in Wädenswil geborene Ernst Denzler begann nach dem Besuch der Schulen und anschliessenden Ausbildungsjahren in Paris und Rom um 1925 sein reiches und vielfältiges Schaffen als Zeichner, Maler und Radierer. Seit den vierziger Jahren lebte und arbeitete er völlig zurückgezogen in seiner Heimatgemeinde, genauer in der damals noch ländlich-idylischen Au im eigenen Atelierhaus hoch über der Halbinsel mit weitem Blick über Gehöfte, Obstgärten und Wiesen hinweg auf den Zürichsee. Abgesehen von gelegentlichen, ihm von Freunden fast aufgezwungenen Ausstellungen in der engeren Heimat und in Zürich hielt er sich jeglichem Kunstbetrieb fern.
Denzlers Werke sind überwiegend in Privatbesitz des In- und Auslandes. Es ist deshalb verdienstlich, dass der Stadtrat im vergangenen Frühjahr zum achtzigsten Geburtstag des Künstlers für die Wädenswiler Bevölkerung eine Ausstellung durchführte, die einen Überblick über sein Schaffen ermöglichte. Immer zugänglich hingegen sind die beiden aus öffentlichen Aufträgen entstandenen Wandbilder im Eidmattareal in Wädenswil sowie am Schulhaus Berghalden in Horgen.
Zudem besitzt die Stadt Wädenswil eine kleine, aber repräsentative Auswahl im Stadthaus.
Ernst Denzlers Künstlerpersönlichkeit und das davon geprägte gesamte Oeuvre könnte kaum treffender charakterisiert werden als mit dem Goethe-Wort «Sagt es niemand, nur den Weisen, weil die Menge gleich verhöhnet» …
Das ist das Schlüsselwort für Denzlers sich selbst auferlegte Zurückhaltung, für seine fast unzeitgemässe Scheu vor jeglicher Publizität. Es ist zugleich der Schlüssel zu seinem Gesamtwerk an Wandbildern, Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Graphik in praktisch allen möglichen Techniken. Nie arbeitete er mit Blick oder auch nur Seitenblick auf äusserlichen Erfolg, nie produzierte er oberflächliche, effekthascherische Reisser, nie suchte er Anleihen bei Werken anderer, nie liess er sich beeinflussen von mehr oder weniger kurzlebigen Kunstströmungen, nie machte er Konzessionen an den gängigen Publikumsgeschmack. Lieber verzichtete er und zog sich auf sich selbst, auf seine hochkultivierte Individualtität und in die Klausur des Ateliers zurück.
Denzlers Weltbild und künstlerisches Credo sind bestimmt vom Anspruch, die ungeheure Vielfalt und die Geheimnisse der Erscheinungs- und Lebensformen in dieser Welt zu ergründen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sie künstlerisch zu bewältigen und dadurch über den Tag und das eigene Dasein hinaus Gültiges zu hinterlassen.
Ernst Denzler, Stilleben. Wischtechnik, 1978. Stadt Wädenswil.

Ernst Denzler, Perserkatzen. Oel, 1960. Stadt Wädenswil.

Solch hohe Forderungen an sich selbst ziehen auch Ansprüche an das Publikum nach sich. Um allein schon Denzlers Meisterschaft der Lasurwirkungen in seiner Oel- und Tempera-Mischtechnik würdigen zu können, genügt ein flüchtiger Blick nicht, dazu ist ein zu differenzierendem Schauen entwickeltes Auge Voraussetzung, und die malerischen Feinheiten erschliessen sich erst völlig im bewussten Zusammenleben mit den Werken, im fortgesetzten Beobachten des subtilen Lichtwechsels.
Anspruchsvoll sind auch die sogenannten Bildinhalte. Zwar verlässt Denzler vordergründig nie die Sphäre des Gegenständlichen − sie war ihm stets faszinierend genug −, doch mit dem Einsetzen seiner intensiven und hintergründigen Phantasie entstehen durch unerwartete Kombination von Objekten unter sich oder durch Kombination von Menschen, Tieren und anderen Organismen mit Objekten komplizierte Bezugsnetze als oft traumhaftes oder surrealistisches Spiel von aufregender Konfrontation oder beglückender Übereinstimmung.
Da Denzlers Schaffen immer und ganz aus ihm selbst herausgewachsen ist, steht es unter dem Zeichen des Unverwechselbaren. Und da er die Fähigkeit entwickelt hat, sich in Dinge und Lebewesen zu versenken, sie akribisch zu studieren und dadurch gleichsam ihr Wesenhaftes zu erfassen, ist der Umgang mit seinen Werken immer ein Erlebnis, ganz unabhängig davon, wo man persönlich am stärksten angesprochen ist: ob von den Landschaften aus der engeren Heimat am See, von solchen aus den Bergen, oder aus dem Süden Italiens, ob von den submarinen Wunder- und Traumwelten, den Bildnissen, den Akten, den Tierdarstellungen, Stilleben und Kompositionen.
Die Kenner und Bewunderer Denzlers Werk sind die eingangs zitierten Ruf an die Weisen längst dankbar gefolgt und haben dadurch seine zutiefst humane künstlerische Welt erlegen dürfen.
Ernst Denzler, Zürichsee bei Föhn. Oel, 1960. Stadt Wädenswil.

Ernst Denzler, Fahnenschwinger Wandbild an der Turnhalle Eidmatt I, 1952.




Max Niederer