Arbeitgeber und Hauseigentümer handeln

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1993 von Peter Ziegler

Zwei Wädenswiler Vereine wurden 1993 75 Jahre alt: Der «Industrie-Arbeitgeberverein Wädenswil und oberer Zürichsee» sowie der «Haus- und Wohnungseigentümerverband Wädenswil». Wie es zur Gründung dieser beiden heute noch mit Erfolg wirkenden Vereine gekommen ist, zeigt dieser Rückblick.

HAUS-UND WOHNUNGS-EIGENTÜMER-VERBAND WÄDENSWIL

Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) verschärfte sich wie in der ganzen Schweiz auch in Wädenswil die Wohnungskrise. Viele mobilisierte Wehrmänner, die nichts verdienten als ihren knappen Sold, konnten den Mietzins nicht mehr entrichten und mussten oft ihre Wohnung aufgeben. Die Hauseigentümer – vielfach Leute aus dem Mittelstand, die durch harte Arbeit und eiserne Sparsamkeit zu einem Haus gekommen waren – erlitten grosse Verluste und waren häufig nicht mehr in der Lage, die Hypothekarzinse zu zahlen. Die Banken ihrerseits kündigten die Hypotheken und stürzten damit manche Hausbesitzer in eine akute Notlage.
In dieser bedrohlichen Situation schlossen sich vor 75 Jahren – nur drei Jahre nach der Gründung eines gesamtschweizerischen Hauseigentümerverbandes – Haus- und Grundeigentümer aus Wädenswil am 24. Januar 1918 zu einer eigenen Interessenvereinigung, dem «Verband der Haus- und Grundeigentümer der Gemeinde Wädenswil» zusammen. Die Initianten bildeten zugleich den ersten Vorstand unter dem Präsidium von Architekt Hans Streuli, dem späteren Bundesrat. Weitere Vorstandsmitglieder waren Jules Herdener zum Merkur, Jakob Hauser zur Krone, Wilhelm Pfenninger, Ernst Römer, Gottlieb Staub und Otto Laue. Im Gründungsjahr schrieben sich 51 Mitglieder ein.
Erstes erklärtes und auch erreichtes Ziel des neuen Verbandes war es, mit den Banken eine Art Stillhalteabkommen zu schliessen, dass manchen Hauseigentümer vor wirtschaftlichem Zusammenbruch bewahrte. Die mit dem 18. April 1918 einsetzenden Protokolle der Vorstandssitzungen geben Einblick in die Aktivitäten zur Gründungszeit und in den Jahren kurz danach. Ein von Präsident Streuli ausgearbeitetes und vom Vorstand genehmigtes Formular eines Mietvertrags ging im Sommer 1918 in die Vernehmlassung bei den Mitgliedern und wurde ein Jahr später bei Adolf Stutz in bereinigter Form gedruckt. Den Vertrieb übernahmen die Papeterie Stutz und die Buchbinderei Bodmer am Plätzli.
Kurz ausgefallen ist ein Protokoll im Sommer 1918: «Sitzung vom 18. Juli 1918, abends 8 Uhr im ,Schiffli’. Anwesend: niemand. Konnte mangels Teilnehmern nicht abgehalten werden; wird vertagt.» In der Folge wurden die Vorstandsmitglieder mit Karten zur Sitzung eingeladen.
Im Jahre 1919 organisierte der «Verband der Haus- und Grundeigentümer in der Gemeinde Wädenswil» für seine Mitglieder aufklärende Vorträge. Dr. Gwalter referierte im «Du Lac» über Wohnungsnot, Präsident Hans Streuli über die Idee einer Wohnausgleichssteuer. Mit dem Rundschreiben Nummer 3 erhielt jedes Vereinsmitglied im November 1919 ein Exemplar des neu ausgearbeiteten Formulars Haus-Betriebsrechnung.
An der Generalversammlung vom 30. März 1920 im Hotel «Engel» orientierte Notar Walter Wild über die neuen Grundstücksteuern. Lehrer Adolf Keller trat an diesem Tag die Nachfolge des aus dem Vorstand zurückgetretenen Wilhelm Pfenninger an. Im selben Jahr erläuterte Kantonsrat Ernst Felber, Wädenswil, den regierungsrätlichen Entwurf einer neuen kantonalen Mieterschutzverordnung.
Die Mitgliederversammlung vom 27.September 1920 im «Du Lac», an der das 87. Mitglied aufgenommen werden konnte, bezog Stellung zur Wädenswiler Gemeindeabstimmung betreffend die Handänderungs- und Liegenschaftengewinnsteuer. Der Verband ersuchte die Behörde, diese Vorlage von der Traktandenliste abzusetzen und auf eine spätere Gemeindeversammlung zu verschieben, «damit sich die Gemeindeangehörigen über Wohl und Weh dieser Steuer noch auszusprechen Gelegenheit finden».
Nicht an allen Sitzungen gab es gewichtige Geschäfte zu diskutieren. Am 30. Oktober 1920 etwa traf sich das «Comite» in der Wohnung von Präsident Streuli bei schwarzem Kaffee, Zigarren und Zigaretten. «Die Zusammenkunft hatte mehr intim-gesellschaftlichen Charakter», notierte Aktuar Römer ins Protokollbuch.
1921 gab es wieder Wechsel im Vorstand. Für den von Wädenswil weggezogenen Aktuar trat Theophil Leuthold ein; Gemeinderat Vetterli löste Bäckermeister Gottlieb Staub ab. Im Frühling dieses Jahres gaben die Kanalisationsverhältnisse in Wädenswil zu Diskussionen Anlass. Der Haus- und Grundeigentümerverband vertrat dabei die Ansicht, Bau und Unterhalt der Kanalisation seien alleinige Sache der Gemeinde, und die Anschlussgebühren «sollten nicht nach Willkür der Gemeindebehörden erhoben werden dürfen». Es sei auf alle Fälle eine Norm für die Höhe der Gebühren anzustreben, und zwar nach der Grösse des Anschlusses. «Strassenpräsident» Gemeinderat Ernst Kessler wurde gebeten, im Vorstand «über die Kanalisations-Anschluss-Verhältnisse» zu referieren.
Für die Generalversammlung 1922 konnte Dr. Max Brunner aus Zürich als Referent gewonnen werden. Er sprach «Zur Wohnungsfrage der Zukunft». Damit Brunner mit dem letzten Zug nach Zürich zurückkehren konnte, eröffnete der Präsident die Versammlung bereits um 19 Uhr 45. Der Jahresbeitrag, der 1920 auf drei Franken erhöht worden war, wurde 1922 nochmals um einen Franken angehoben. Dazu schuf man eine neue Kategorie: Eigentümer von Liegenschaften mit einem Assekuranzwert von über 50 000 Franken bezahlten neu jährlich fünf Franken. Zudem beschloss man, vermehrt «für die Ausdehnung und Prosperität des Verbandes einzustehen» und der Propagandatätigkeit mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Gemäss Beschluss des Vorstandes sollte die Vortragstätigkeit im Winter 1922/23 lebhafter werden. Es wurden Referate in Aussicht genommen über «Das Hypothekar-Problem in Gegenwart und Zukunft» (Architekt Hans Streuli) und über «Bahn-und Baufragen Wädenswils» (Gemeindepräsident Ernst Felber). Letzteres musste indessen aufgeschoben werden, da die Angelegenheit noch nicht spruchreif war. Dafür informierte Dr. Max Brunn er aus Zürich am 23. April 1923 in der «Eintracht» über «Rechte und Pflichten des Haus- und Grundeigentümers».
Die Generalversammlung 1923 wählte anstelle der zurücktretenden Jakob Hauser und Jules Herdener die Herren Eduard Schoch als Quästor und Geschirrhändler Stamm als Beisitzer in den Vorstand, der nun eher ruhige Zeiten hatte. «Weil keine besondere Veranlassung im letzten Jahre vorhanden war, hat der Orts-Verband Wädenswil nicht viel von sich hören gemacht. So hat seit 20. April 1923 keine Vorstandssitzung und seit 20. April letzten Jahres keine Generalversammlung mehr stattgefunden». Dies der Eintrag im Protokollbuch über die Vorstandssitzung vom 22. Mai 1924, welche der Vorbereitung der Generalversammlung vom 4. Juni diente. Es war zugleich die letzte, welche Gründungspräsident Hans Streuli präsidierte. Obwohl er bereits seit zwei Jahren in Richterswil wohnte, hatte er sich auf Drängen bereiterklärt, dem Haus- und Grundeigentümerverband Wädenswil weiterhin vorzustehen. Nun aber legte er sein Amt nieder. Nachfolger wurde Heinrich Kunz zur Wellingtonia. Damit begann in der Geschichte des in Wädenswil gut verankerten bürgerlichen Verbandes ein neuer Abschnitt.




Peter Ziegler