So anders war die Mode der Erwachsenen in den 40er und 50er Jahren

Quelle: Gewerbezeitung Donnerstag, 1. September 2016 von Peter Ziegler

Mode der Erwachsenen

Beginnen wir mit der Männermode der 1940er Jahre. Da kommt mir zunächst mein 1882 geborener Grossvater väterlicherseits in den Sinn, der als Primarlehrer in der Stadt Zürich lebte. Er trug noch abnehmbare gestärkte weisse Hemdenkragen, die mit einem «Chragechnöpfli» geschlossen wurden. Dazu kamen montierte weisse Manschetten an den Armen. Meist trug er eine dunkle Weste unter dem «Tschoope» und die Hosen waren selbstverständlich an Hosenträgern befestigt.

Hüte und Uniformen

So kleidete sich mein 1910 geborener Vater nicht mehr. Auch er trug aber, damaliger Mode entsprechend, graues Werktaggewand und dazu immer eine Krawatte und einen Hut. Hüte waren auf Wädenswils Strassen allgegenwärtig, gab es doch damals die einheimischen Hutfabriken Hochstrasser und Felber sowie die Mützenfabrik Fürst, welche die bekannten Büsimützen herstellte. Selbst im Schiessstand verzichtete man nicht auf die Kopfbedeckung, wie eine Fotografie mit dem Pistolenschützen Fritz Zurschmiede zeigt. Zu meiner Konfirmation 1954 erhielt ich von unserem Hausmeister Ernst Felber meinen ersten Hut geschenkt, den ich fortan zu tragen hatte, denn der Fabrikant kontrollierte dies.
Pistolenschütze Fritz Zurschmiede.

In diesem Zusammenhang sei an eine Anekdote erinnert: Ein Reisender will die Hutfabrik Felber an der Oberdorfstrasse besuchen. Auf einem Schild an der Türe liest er: «Reisende ohne Hüte werden nicht empfangen!» Also muss der Mann sich einen Hut beschaffen. Bei Frau Bamert an der Seestrasse fragt er, ob er einen Hut mieten könne. Nach dem abschlägigen Bescheid betritt er den gegenüberliegenden Gasthof Krone und fragt, ob hier ein Hut liegengeblieben sei. Der Kellner bringt einen Stapel vergessener Hüte, der Reisende wählt einen aus und kommt wenig später mit Herrn Felber ins Geschäft. Zum Schluss meint dieser: Hören Sie, was mir soeben eine Modistin telefoniert hat: «Ein Mann sei gekommen und habe einen Hut mieten wollen!» Der Reisende verzog keine Miene, ging anschliessend in der «Krone» vorbei und brachte den Hut zurück, denn es sei doch nicht der seine.
Häufig begegnete man im Dorf uniformierten Männern. Nebst den Soldaten – es war ja Kriegszeit – trugen verschiedene Berufsleute Uniformen mit Mützen. So Briefträger, Paketbote, Bahnhofvorstand, Gaseinzüger, Taxichauffeur und auch «Dampfschiffseilanbinder» Steiger. Auch der Dorfpolizist Schlatter war uniformiert und zeigte sich, wenn er auf der Zentralkreuzung den Verkehr regelte, statt mit der Mütze im Helm.
«Dampfschiffseilanbinder» Steiger.

Kleider waren in den 1940er Jahren ein kostbares Gut, das nicht so schnell gewechselt wurde wie heute. Zudem wurden sie geschont. Handwerker trugen ein «Übergwändli», Ärzte und Zahnärzte einen weissen Kittel und die Lehrer einen weissen oder grünen Berufsmantel. Wurden Herren- oder Frauenkleider nicht mehr gebraucht, verfertigte man während der Kriegszeit aus dem Stoff Kinderkleider. Der Frauenverein Wädenswil bot hierfür spezielle Kleidernähkurse an.

Frauenkleider

Frauen trugen in den 1940er Jahren über der Unterwäsche entweder einen knöchellangen Rock oder einen Rock mit Bluse und im Winter einen schweren, langen Mantel. Die Strümpfe aus Baumwolle oder Seide waren am Strumpfhalter – dem Hüftgürtel – befestigt, ehe sich die Strumpfhose durchsetze. An die Stelle des früheren Korsetts war der Büstenhalter getreten. Ich habe die Frauenkleider dieser Zeit als weniger farbig in Erinnerung als heutzutage. Und wie die Männer setzten sich auch die Frauen Hüte auf. Dass Frauen statt des Rocks lange Hosen tragen, wurde erst ab den 1970er Jahren Mode. In den 1940er Jahren gab es in Wädenswil lediglich eine Person, die sich in der Öffentlichkeit in grauen Keilhosen zeigte: Fräulein K. Und da dies unüblich war, sprach man von ihr als dem «Manewiib».
Mit der Mutter unterwegs.

Festtags- und Trauerkleidung

Zur Kirche gingen Männer und Frauen wenn nicht in Schwarz, so doch dunkel gekleidet. Einheitliches Schwarz – auch eine schwarze Krawatte – gehörte zu jedem Abendmahls- oder Trauergottesdienst. Nach einem Trauerfall in der Familie trugen die Frauen bis ein Jahr lang schwarze Röcke oder Blusen und die Männer einen schwarzen Leidknopf.
Im Café Brändli, 1933.

Bademode

Grosse Unterschiede zu heute zeigten sich auch in der Bademode. Während Knaben mit nacktem Oberkörper badeten, steckten Männer und Frauen noch in einteiligen, hoch geschlossenen Badeanzügen. Bei Frauen setzte sich in den 1950er Jahren allmählich der Bikini durch; «oben ohne» gab es im Strandbad nicht zu sehen.




Peter Ziegler