DER STADTRAT ZIEHT BILANZ

Im ersten Jahrbuch der Stadt Wädenswil, das 1975 erschien, äusserten sich Mitglieder des Stadtrates zu damals aktuellen Fragen in ihrem Ressort. 25 Jahre später zieht eine neue Exekutive wiederum Bilanz, beschreibt Veränderungen, nimmt eine Standortbestimmung vor und wagt da und dort einen Ausblick in die Zukunft, ins 21. Jahrhundert.

WÄDENSWIL HAT SICH VERÄNDERT

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Ueli Fausch

Alles, was in unserer kleinen Welt passiert, ist uns wichtiger als ungleich grösseres Geschehen in irgendeiner Ferne.
Mit diesem Gedankensplitter eröffnete mein Vorvorgänger Walter Rusterholz das Vorwort des ersten Wädenswiler Jahrbuches im Jahre 1975. Wädenswil schloss zu diesem Zeitpunkt eine Zeit des schier unbeschränkten Wachstums ab. In den Jahren zwischen 1960 und 1972 nahm die Bevölkerung um 50 Prozent zu. Die Prognosen, von denen man damals in besten Treuen ausgegangen ist, bewahrheiteten sich dann aber in keiner Weise. Es gibt weder eine Zimmerbergstadt noch ein zusammenhängend überbautes Ufer des Zürichsees. Zeuge dieser damaligen Zukunftserwartungen bleibt das Schulhaus Steinacher. Am Rande des heutigen Siedlungsgebietes liegt es heute wunderschön im Grünen. Gedacht war es einmal für Schülerinnen und Schüler aus einem bebauten Gebiet zwischen Wädenswil und Horgen.
In den vergangenen 25 Jahren ist Wädenswil bevölkerungsmässig nicht einmal mehr um 10 Prozent gewachsen. Trotzdem sind heute bedeutend grössere Gebiete überbaut: Zeichen von stark erhöhten Komfortansprüchen an Wohnfläche und Ausbaustandard.
Wädenswil verändert sich - nicht immer zum Vorteil.
Die damit zusammenhängenden Nachteile werden spürbar, indem immer grössere Teile unserer Bevölkerung unter Lärm und schlechter Luftqualität als Auswirkungen der massiven Zunahme des Individualverkehrs leiden. Wir spüren, dass wir an Grenzen stossen. Der Leidensdruck scheint allerdings für einen effektiven Veränderungswillen noch zu klein zu sein. Verschiedenste Anläufe zu einer umfassenden Verkehrsplanung in Wädenswil sind in den letzten Jahren gescheitert. Themen wie eine verkehrsfreie oder zumindest beruhigte Zugerstrasse wurden eingehend diskutiert. Ein politischer Konsens liess sich aber nicht finden.Unser «Dorf» hat sich verändert. Wädenswil ist zur Hochschulstadt geworden und versteht sich heute als Kompetenzzentrum für Forschung, Entwicklung und Bildung. In unserer Gemeinde befinden sich die Hochschule Wädenswil, die Militärische Führungsschule in der Au, die Eidgenössische Forschungsanstalt, künftig auch die International Primary School of Zurich. das regionale Ausbildungszentrum Au (RAU). In diesen Bereichen liegen unsere Chancen für die Zukunft. Alle diese Institutionen haben eine überregionale und zum Teil nationale Bedeutung und tragen damit zum positiven Image von Wädenswil bei. Dazu beschäftigen sie hochqualifizierte Arbeitskräfte, die in unmittelbarer Umgebung Wohnsitz nehmen. Das Know-how dieser Institutionen wirkt sich aber auch positiv auf neue Firmen auf Standortsuche aus, da diese oftmals die Nähe zu einem qualitativ hochstehenden Umfeld und den damit verbundenen Synergieeffekt suchen. Regelmässig handelt es sich bei solchen Firmen und ihren Angestellten auch um gute Steuerzahler, die Wädenswil sehr gut gebrauchen kann. Daran wollen wir auch in Zukunft weiterarbeiten.
Wir leben in einer spannenden Zeit. Die elektronischen Medien, allen voran das Internet, machen unsere Welt zum «global village». Dank der zentralen Lage in Europa, des arbeitspolitischen Friedens, der guten Ausbildung und Vielsprachigkeit unserer Jugend bin ich an der Grenze zu einem neuen Jahrtausend voller Zuversicht, dass sich Wädenswil auch in diesem verändertet Umfeld erfolgreich wird behaupten können. Vergessen wir aber ob all der Sorgen um unsere Konkurrenzfähigkeit die schönen und heiteren Seiten nicht: Ein aktives Kulturleben bildet unabdingbare Voraussetzung für die Attraktivität Wädenswils als Wohn- und Arbeitsort. Der Europarat hat den Begriff Kultur wie folgt umschrieben:
«Kultur ist alles, was dem Individuum erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft und auch gegenüber dem heimatlichen Erbgut zurechtzufinden, alles, was dazu führt, dass der Mensch seine Lage besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu können.»
Wädenswil, ein Ort mit reichem kulturellem Angebot. Konzert der Brass Band Posaunenchor unter der Leitung von Rudolf Geiger.

Kultur bietet die unverzichtbare Basis für unser gesellschaftliches Zusammenleben und dessen Entwicklung. Sie schafft die gemeinschaftliche Identität und die Verbundenheit. Wädenswils Attraktivität als Wohnort beruht zu einem grossen Teil auf der schönen Lage am See, der Nähe zu Zürich und der Nähe zu intakten Naturlandschaften. Was uns aber von vielen anderen Gemeinden unterscheidet, ist der hohe Stellenwert, den bei uns Kultur in all ihren Facetten in den letzten Jahrzehnten gehabt hat. Das kulturelle Leben kann nur durch das vielfältige Zusammenspiel von privater Initiative und der Unterstützung und Förderung durch die öffentliche Hand funktionieren. Vergessen wir also auch in Zukunft diesen wichtigen Aspekt unseres Zusammenlebens nicht.
Danken möchte ich in diesem Zusammenhang auch dem Verfasser des Jahrbuches der Stadt Wädenswil, Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler, für seine grosse Arbeit. Es ist ihm in den vergangenen 25 Jahren gelungen, uns unser Wädenswil näherzubringen und ein Werk zu schaffen, das auch für die kommenden Generationen einen bedeutenden kulturellen Wert haben wird.
 




Ueli Fausch,
Stadtpräsident


AUS DER VERGANGENHEIT ZU PERSPEKTIVEN

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Bruno Ern

Mitte der 80er Jahre erreichte Wädenswil eine Einwohnerzahl von über 19‘000. In den vergangenen zehn Jahren fluktuierte diese Zahl, trotz neuer Überbauungen, zwischen 19‘200 bis 19‘600. Die Bevölkerungsstruktur wird deutlich beeinflusst durch die grossen Wohnüberbauungen aus den 50er und 60er Jahren und den vergleichsweise hohen Anteil an genossenschaftlichen Wohnungen.
Die lokale Wirtschaft unterlag in den vergangenen Jahrzehnten einem starken Wandel. Industrielle Produktion (Textil, Brauerei, Elektro) wurde abgelöst durch gewerbliche- und Dienstleistungsbetriebe. Die Zahl der Arbeitsplätze hat in Wädenswil abgenommen (1998 zirka 8300 Stellen). Für überkommunale öffentliche Dienste wird häufig Horgen als Bezirkshauptort bevorzugt (Kantonale Dienste, Berufsbildung/ Mittelschule, Spital etc.) Im Standortwettbewerb um Arbeitsplätze und Steuern verbleibt Wädenswil eine vergleichsweise ungünstige Position.
Die Infrastrukturanlagen, welche vor über 30 Jahren in der Wachstumsphase erstellt wurden (ARA, Hallenbad, Strassen, Wasserversorgung, öffentliche Bauten etc.), bewirken zunehmenden Unterhalt und Erneuerungsbedarf. Dies bei einer Steuerkraft pro Einwohner, die im langjährigen Rückblick lediglich 70 bis 80 Prozent des kantonalen Mittels erreicht. (1997: Küsnacht ca. Fr. 8000.-, Horgen Fr. 2500.-, Wädenswil Fr. 1900.- pro Einwohner).
Der Steuerfuss der politischen Gemeinde zusammen mit der Oberstufenschulgemeinde variierte in den vergangenen 20 Jahren zwischen 110 und 131 Steuerprozenten, aktuell 126 Prozent (kantonales Mittel = 121 %). Gemessen aber am Umfeld von Zug, Pfäffikon SZ und den steuergünstigen Gemeinden seeabwärts ist Wädenswil in einem Steuerwettbewerb um hohe Einkommen chancenlos. Die dringend notwendige materielle eidgenössische Steuerharmonisierung wird nicht an die Hand genommen. Und wenn, so wäre eine solche Vorlage in den eidgenössischen Räten kaum mehrheitsfähig.
Was die Verschuldung betrifft, so ist Zurückhaltung gefordert. Mittelfristig ist eine Erhöhung nur zu rechtfertigen, wenn im Rahmen einer Wachstumsphase später neue Steuerzahler an die Rückzahlung dieser Schulden beitragen können. Dies ist heute aber kaum absehbar.
Somit bleiben meines Erachtens für Wädenswil primär zwei Perspektiven. Erstens die Gemeinde noch konsequenter unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu führen. Das gilt für die laufenden Aufgaben sowie auch für die Auftragsvergabe und die Leistungskontrolle. Zweitens sind via Zonenplanung aber insbesondere im Rahmen einer aktiven langfristigen kommunalen Landpolitik Arbeitsplätze mit guter Wertschöpfung nach Wädenswil zu bringen. Für beides braucht es aber immer wieder Überzeugungskraft. Auf diese Weise können jene Voraussetzungen geschaffen werden, welche längerfristig für Bevölkerung und Behörden einen echten Handlungsspielraum ergeben.




Bruno Ern,
Vorstand Finanzen und Liegenschaften


FÜR EIN ATTRAKTIVES ZENTRUM

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Armand Erzinger

So lautete die Überschrift der Volksinitiative einer Wädenswiler politischen Partei vor etlichen Jahren, die letzten Endes wegen Formfehlern dem Stadtrat lediglich als Petition eingereicht werden konnte. Später unterschrieben alle 45 Gemeinderäte ein Postulat, dessen Titel «PoZ Wädi» für Planung offenes Zentrum in Wädenswil steht. Scheiterte der erste Anlauf an Formalitäten, schwand beim zweiten trotz grosser Bemühungen und Vorarbeiten rasch der Wille und der Mut der Politiker, als sich zeigte, dass «harte» Massnahmen nötig sind, um Verbesserungen zu erzielen. Vollends wurden die Fahnen gestrichen, als man sich eingestehen musste, dass der Pelz nicht gewaschen werden kann, ohne ihn nass zu machen. Auch die Finanzknappheit der neunziger Jahre trug das ihre zum Misserfolg bei. Doch ganz vergeblich waren diese Anläufe nicht. Einiges an Grundlagen wurde erarbeitet, und vor allem leben die Ideen weiter.
Heute stehen wir an der Schwelle zu einem weiteren Anlauf. Ich war seinerzeit Mitinitiant der erwähnten Initiative und des Postulats; als Hochbauvorstand ist mir heute die Führung der Raumplanung in Wädenswil übertragen. Ausgangspunkte sind die Erkenntnisse des Stadtrats an seiner letztjährigen Klausur, dass die Standortattraktivität von Wädenswil gesamtheitlich und in zielgerichteten Bemühungen gefördert werden muss. Neben anderen Schritten braucht es eine aktive Liegenschaftenpolitik, und damit eng zusammenhängend, die Raumplanung als politisches Instrument für eine nachhaltige Entwicklung. Dabei kommt dem Kern unserer Stadt eine zentrale Bedeutung zu.
Das Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich (PBG) verpflichtet die Gemeinden, kommunale Richtpläne festzulegen, untergeordnet zum kantonalen und regionalen Richtplan. Der letzte Richtplan in Wädenswil stammt aus dem Jahr 1982. Seit Ende letzten Jahres arbeiten wir an den Festlegungen für etwa die nächsten 15 Jahre. Sehr aufschlussreich und von bedeutendem Stellenwert sind dabei die Ergebnisse der Tagung «Konsumkonzept Zimmerberg» vom April 1999, an der sich etwa 50 Vertreter von Politik, Wirtschaft und weitem Kreisen aus der ganzen Region überraschend deutlich zur Urbanität bekannten, das heisst zur Stärkung der Ortszentren.
Neugestaltung der Oberdorfstrasse, Oktober 1999.
Zentrum Oberdorfstrasse an der Zugerstrasse, Mai 1999.
Dem «Laisser-faire» von Einkaufszentren entlang der A3 steht man skeptisch gegenüber, verschliesst sich trotzdem nicht der Einsicht, dass gerade das Neubüel in Wädenswil eine komplementäre Chance für eine vielfältige Entwicklung in der Region bietet. Doch zurück zum Zentrum von Wädenswil. Wo liegen die Schwerpunkte?
- In der Kernzone kann man wohnen, arbeiten, einkaufen, Freizeit verbringen.
- Die Achse Plätzli − Friedbergstrasse − Gerbestrasse − Zugerstrasse − alte Fabrik − Rosenbergstrasse − Oberdorfstrasse ist für den nicht motorisierten Verkehr wo nötig und möglich zu verbessern.
- Der Bahnhofplatz und seine Umgebung sollen aufgewertet werden.
- Es braucht genügend Parkplätze, und sie müssen am richtigen Ort sein.
- Der motorisierte Verkehr soll in bessere Bahnen gelenkt, allenfalls beruhigt werden.
Die Politik ist gefordert, die nötigen Konzepte und Rahmenbedingungen bereitzustellen. Den Lippenbekenntnissen müssen auch Taten folgen, und ohne Investitionen der öffentlichen Hand lassen sich Verbesserungen nicht erzielen. Als Bürger und Bewohner von Wädenswil sind wir aber auch zur Rücksicht und Toleranz aufgerufen, ohne die eine lebendige Durchmischung im Stadtzentrum nicht möglich ist.
Werden im Neubüel Einkaufszentren und ein Eissportzentrum realisiert?

Wie gehen wir vor? Sicher braucht es Grundkonzepte, auf die sich alle Beteiligten zu einigen haben. Dazu bietet sich der kommunale Richtplan an. Er soll in etwa zwei Jahren festgelegt sein, selbstverständlich unter Mitwirkung des Parlaments. Hingegen kann die Umsetzung nur in einzelnen und pragmatischen Schritten erfolgen, denn bekanntlich sind die finanziellen Möglichkeiten von Wädenswil sehr eingeschränkt. Trotzdem, ohne Investitionen kein Ertrag! Die Standortattraktivität beginnt im Zentrum, sie kommt allen zugute und schafft langfristige Voraussetzungen für ein qualitatives Wachstum unserer schönen Stadt am Zürichsee.




Armand Erzinger,
Hochbauvorstand

ABWASSERANLAGEN ...

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Hanne Herzog
 
Nachdem die Forderung nach dem Ausbau der bald dreissigjährigen Kläranlage Rietliau von Seiten des Kantons immer dringlicher wurde, musste die Tiefbauabteilung die Planung des Ausbauprojektes an die Hand nehmen. Dieses wurde nämlich aus finanziellen Gründen immer wieder zurückgestellt.
Mittlerweile haben die beiden Industriebetriebe mit der grössten Schmutzfracht ihre internen Abwasserflüsse so saniert, dass wir nun bei der Planung auf die spürbare Reduktion der Schmutzstofffracht reagieren können.
Das vom Ingenieurbüro Kuster und Hager erstellte Projekt rechnet mit Investitionen von zirka 20 Millionen Franken. Vorläufig hat der Stadtrat einen Kredit von 9,35 Millionen Franken für die erste Etappe bewilligt, welche bis zum Jahr 2001 ausgeführt wird. Allerdings besteht die berechtigte Hoffnung, dass nicht alle geplanten Ausbaumassnahmen auch gebaut werden müssen (zum Beispiel die vierte Reinigungsstufe), um die vom Kanton geforderten Einleitungsbedingungen in den Zürichsee zu erfüllen.
Zu den Abwasseranlagen gehören auch noch Kanäle und Sanierungsleitungen von rund 80 Kilometern Länge, Regenklärbecken und diverse Pumpwerke. Diese gesamten Anlagen haben (inklusive ARA Rietliau) einen Wiederbeschaffungswert von zirka 150 Millionen Franken.
Mittels Kanalfernsehen wird periodisch eine Zustandskontrolle der Abwasserleitungen durchgefühlt. Notwendige Sanierungen werden möglichst zusammen mit anderen Werkleitungssanierungen (Wasser, Gas) ausgeführt.
Sämtliche Investitionen, Unterhaltsarbeiten und Betrieb der Anlagen müssen kostendeckend und nach dem Verursacherprinzip mit Gebühren finanziert werden. Deshalb werden wir nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an der ARA Rietliau die Gebühren entsprechend anpassen müssen.

... UND STRASSEN

Nicht mittels Gebühren, aber mit Steuergeldern, werden unsere Gemeindestrassen unterhalten. Dieses Strassen- und Fusswegnetz umfasst eine Länge von 106 Kilometern und hat einen Wiederbeschaffungswert von zirka 100 Millionen Franken.
Wie alle Bauwerke wollen auch Strassen unterhalten werden. Insbesondere die während der Zeit der ganz grossen Bautätigkeit (60er und 70er Jahre) erstellten Strassen in den Quartieren Eichweid, Tiefenhof und Au haben ein Alter erreicht, in dem mit noch relativ wenig Aufwand (Einbau eines Deckbelages) eine langfristige Werterhaltung gewährleistet werden kann.
Die Tiefbauabteilung ist einerseits verantwortlich für die Werterhaltung ihres Strassennetzes, und sie hat andererseits die Aufgabe, sorgfältig mit den Ressourcen umzugehen. Es ist deshalb wichtig, durch gute Beobachtung den richtigen Zeitpunkt zu finden, um mit kleinem Aufwand grössere Schäden zu verhindern. Verpasst man ihn, sind kostengünstige Reparaturen nicht mehr möglich, und die Strassenerhaltung kann dadurch ein Mehrfaches kosten. Wir dürfen der nächsten Generation keine hohen Bauschulden hinterlassen.

Regeln für den Verkehr im Kreisel.




Hanne Herzog,
Tiefbauvorsteherin

 

DIE ZEITEN ÄNDERN SICH

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Paul Rota

Vor 25 Jahren standen in der Werkabteilung ganz andere Probleme im Vordergrund als heute. Die Versorgung mit Frischwasser, Bedenken wegen anfälligem Wassermangel, also Kapazitätsprobleme, Verbesserungen bei der Versorgungssicherheit und bei der Wasserqualität der Seewasseraufbereitung waren die hauptsächlichsten Argumente für einen Ausbau der Infrastruktur. Besonders im westlichen Teil der Stadt wurde durch die Werke tüchtig gebaut, schon damals zur Unterstützung des Baugewerbes, welches Mitte der Siebzigerjahre eine starke Rezession zu bestehen hatte. Aufgrund der Prognosen aus den Sechzigerjahren, die mit einer Bevölkerung von 40‘000 bis 50‘000 Einwohnern rechneten (Kneschaurek lässt grüssen!), erstellte der Zweckverband ein zweites Seewasserwerk und ein Reservoir im Appital. Dazu wurden für Wädenswil neue und grössere Reservoire in der Schönegg, auf Untermosen und im Oedischwänd gebaut. Alles natürlich entsprechend gross geplant und auch realisiert.
Das 1998/99 erstellte Reservoir Waisenhaus fasst 1700 Kubikmeter Wasser.

Heute nun werden die Schwachpunkte im durch Überbauungen gewachsenen östlichen Teil der Stadt behoben, womit die Versorgung mit Frischwasser in diesem Stadtteil sichergestellt wird. Auch werden sogenannte «Bausünden. aus eben diesen Siebzigerjahren laufend korrigiert und zudem neue, widerstandsfähigere Materialien eingebaut. Die Baukosten sind − wie damals − für die Bauherrschaft günstig, da die Beschäftigungslage im Baugewerbe auch heute nicht immer «rosig» ist.
Das ehemalige «Stiefkind» Gasabteilung hat sich in der Zwischenzeit zu einem florierenden Betrieb gemausert. Gas ist ganz besonders aus umweltschonenden Gründen eine echte Alternative zu andern Energieträgern geworden. Berücksichtigt man die Gesamtkosten (Investitionen + Energiekosten + Unterhalt), ist das Erdgas absolut konkurrenzfähig. Ja, die Werke können der Stadtkasse sogar beachtliche Überschüsse zur Rückzahlung der früher gewährten Darlehen überweisen. Ziel im Bereich Erdgas bleibt, die Absatzmenge kontinuierlich zu steigern und damit den prozentualen Anteil am Gesamtenergieaufwand zu vergrössern. So kann auch die Wirtschaftlichkeit sichergestellt werden. Dies ist nicht zuletzt ein positiver Beitrag zur Entlastung der Umwelt von schädlichen Abgasen.
Fast utopisch dürfte die Verwendung von Biogas aus Küchenabfällen als Treibstoff für Motorfahrzeuge aus der Sicht der Siebzigerjahre erscheinen. Doch heute ist es eine Tatsache: Ein Teil unserer Kehrichtfahrzeuge sammelt unseren Kehricht mit hauseigenem Treibstoff ein und dies erst noch recht umweltfreundlich.
 



Paul Rota,
Werkvorstand




ZUM NEUEN GASTGEWERBE-GESETZ

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Ernst Stocker
 
Im Zuge der Liberalisierungsbestrebungen in verschiedenen Bereichen unseres Lebens wurden auch die Vorschriften im Gastgewerbe gelockert.
Das neue Gesetz überträgt viele Kompetenzen, die bis anhin vom «Kantonalen Amt für Wirtschaftswesen wahrgenommen wurden, an die Gemeinden. Die neue Aufgabe bereichert die Arbeit der Polizeiabteilung und vertieft den Kontakt zu den Wirtinnen und Wirten. Im neuen Gesetz werden vor allem in drei Bereichen die Vorschriften angepasst: Zum einen wird keine Wirteprüfung mehr verlangt, zum andern wurde der Bedürfnisnachweis fallen gelassen. Die Schliessungsstunde wurde grundsätzlich beibehalten. Bei den Ausnahmebewilligungen ist eine grosszügige Handhabung vorgesehen, solange keine Nachtruhestörungen oder Probleme mit der öffentlichen Ordnung vorliegen. In unserer Stadt sind 8 Patente für alkoholfreie Betriebe und 64 Patente mit Alkoholausschank vergeben. 10 Betriebe verfügen über eine dauernde Ausnahmebewilligung bei der Schliessungsstunde. Diese dürfen werktags bis 02.00 Uhr, Freitag und Samstag bis 04.00 Uhr oder gar 24 Stunden offen halten.
Diese Bewilligungen stehen im Spannungsfeld verschiedenster Interessen. Einerseits das veränderte Ausgehverhalten unserer Jugend und der Ruf nach einer attraktiven Stadt, die auch nach 24.00 Uhr etwas bietet. Dann aber auch die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Gastwirte. Andererseits das explizit im Gesetz erwähnte Recht der Anwohner auf eine ungestörte Nachtruhe. Hier gehen die Interessen verständlicherweise diametral auseinander. Hier ist der Vater, der möchte, dass seine Tochter in unserer Stadt die Möglichkeit hat, sich zu vergnügen und nicht nach Zürich gehen muss. Aber auch der Barbesitzer, der seine Investitionen und Angestellten bezahlen muss. Dort ist der Bürger, der nachts schlafen möchte, weil er am nächsten Tag früh zur Arbeit muss. Verständlich ist aber auch der Ärger des Vermieters, dem die Mieter wegen dauernder Nachtruhestörung ausziehen und der seine Wohnungen nicht mehr vermieten kann.
All diese Anliegen, die berechtigt sind und auf die bei Entscheidungen Rücksicht genommen werden muss. Die Polizeiabteilung ist bestrebt, mit einer umsichtigen und verhältnismässigen Bewilligungspraxis den vielen Interessen gerecht zu werden. Im Zweifelsfalle sind aber die Vorgaben im Gastgewerbegesetz sowie in der Verordnung einzuhalten. Den bescheidenen Spielraum der Gemeinden wollen wir aber ausnützen. Ausschlaggebend ist dabei die Urteilspraxis der ebenfalls neu geschaffenen Rekursinstanz bei der Volkswirtschaftsdirektion. So sind wir bestrebt, einen goldenen Mittelweg zu finden, doch wie das Sprichwort bereits sagt: «Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.»




Ernst Stocker,
Polizeivorstand




SCHULE IM WANDEL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Johannes Zollinger
 
Vor 25 Jahren konnte der damalige Schulpräsident über die Einweihung des Schulhauses Untermosen berichten. Er hielt fest, dass nun der Raumbedarf im Schulkreis Dorf für lange Zeit gedeckt sei. Er hatte Recht. Dreizehn Jahre profitierte die Primarschule von der weitsichtigen und grosszügigen Planung. 1995 konnte das dritte Schulhaus in der Schulanlage Eidmatt eingeweiht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde zwar viel saniert und renoviert, aber nur wenig neuer Schulraum gebaut. 1999 ist nun auch die Schulanlage Untermosen mit einem Leichtbau erweitert worden. Die stürmische Entwicklung der Siebzigerjahre war tatsächlich vorbei. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist in den letzten 15 Jahren praktisch stabil geblieben.
An der Schule selbst wird jedoch kräftig weitergebaut. Und der Umbau unserer Volksschule geht zum Teil stürmisch voran. Diese «Bautätigkeit» ist von aussen nicht immer sofort wahrnehmbar, aber sie fordert von allen am Bau Beteiligten einen grossen Einsatz und ein hohes Mass an Veränderungsbereitschaft. Künftige Generationen werden dadurch entscheidend geprägt.
Die Schulanlage Untermosen ist 1999 mit einem Leichtbau erweitert worden.
 
1974 war Französisch in der Primarschule noch kein Thema. Seit 1989/90 wird es ab der 5. Klasse unterrichtet. 1999 beginnt im Schulhaus Ort der Versuch mit dem Schulprojekt 21. Erstklässler werden teilweise Englisch unterrichtet und lernen den Umgang mit PC's und Internet. Stütz- und Fördermassnahmen, seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit, werden heute ergänzt mit Massnahmen zur Förderung von Kindern mit besonderen Begabungen. Hochbegabtenförderung fordert von den Lehrkräften, den Eltern, den Behörden und natürlich auch von den Kindern viel Flexibilität und Kreativität, um die individuellen Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und der Situation angepasst richtig zu handeln.
Die Schule bereitet sich auf das neue Jahrtausend vor, passt sich laufend den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen an und stellt sich den Herausforderungen der Zukunft. Wobei auch mit viel gutem Willen zu notwendigen Veränderungen nicht jeder Trend unbedingt von der Schule nachvollzogen werden muss. Vieles hat sich in den letzten 25 Jahren sehr positiv entwickelt. Einiges darf man, auch bei wohlwollender Betrachtungsweise, in Frage stellen. So wie wir unsere Natur und viele unserer schönen alten Gebäude schützen, müssten wir uns auch Gedanken machen über die Schutzwürdigkeit von immateriellen Werten. Sie bilden die Grundlage für unser Zusammenleben. Die oft geforderte soziale Kompetenz lernen wir zwar auch in der Schule, aber noch mehr prägen uns das Elternhaus und die Beziehungen, die wir in unserer Freizeit pflegen. Deshalb ist es gut, wenn auch die Eltern verantwortungsvoll am Bau unsere Schule mitarbeiten.
Die Schule ist also eine permanent Baustelle, auf der viel Gutes entsteht, aber eben auch Bauschutt herumliegt. Das Umbauvorhaben Schule braucht ein hervorragendes Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Architekten und Planer dürfen kreativ und visionär sein, aber ihre Ideen müssen auch handwerklich umsetzbar sein. Die Handwerker ihrerseits müssen bereit sein für die Verwendung neuer Materialien Farben und Werkzeuge. Dabei muss allen bewusst sein: Auch in der Schule lassen sich nicht alle Dinge nach unseren Wünschen ändern. Aber wir könnten die Optik verändern, mit der wir die Dinge betrachten. Vielleicht etwas mehr Tiefenschärfe wäre gefragt. Ein wenig mehr Gelassenheit, etwas mehr Zuversicht und vielleicht wieder etwas Humor.
Beim Umbau am «Haus des Lernens» wollen wir natürlich immer auch an unsere Kinder denken. Deshalb eine Bitte an alle Schulbauleute:
Kinder brauchen Raum in ihrem Denken.
Denken Sie mit Kindern und für Kinder. Versuchen Sie, die Gedankenwelt eines Kindes zu verstehen. Ermutigen Sie Kinder zu selbständigem Denken, aber geben Sie ihnen auch Leitlinien, an denen sie sich orientieren können. Schaffen Sie Raum in Ihrem Denken für Kinder!
Kinder brauchen Raum in ihren Gefühlen.
Schaffen Sie emotionalen Raum für Kinder. Räume, in denen sich Kinder angenommen fühlen. Räume, in denen sie Kinder sein dürfen.
Kinder brauchen Raum in ihrem Terminkalender.
Schaffen Sie Raum für Kinder in Ihren Terminkalendern. Nehmen Sie sich Zeit für Kinder, wenn nicht mehr für die eigenen, dann vielleicht für Ihre Enkel.
Für den Bau solcher Räume benötigen Sie keine Baubewilligung. Die Bereitstellung solcher Räume belastet weder die Staatskasse, noch beeinflusst sie den Steuerfuss. Aber die Schaffung solcher Räume wird für die Zukunft unserer Kinder von unschätzbarem Wert sein und unserer Gesellschaft mit Sicherheit grossen Gewinn bringen.
Wir wollen mit Mut, Zuversicht und Begeisterung am Umbau unserer Schule mitarbeiten und dabei sorgfältig darauf achten, dass das grundsolide Fundament und die bereits vorhandene gute Bausubstanz nicht zerstört werden.




Johannes Zollinger, Stadtrat,
Präsident der Primarschulpflege




«SOLIDARITÄT» – NUR EIN SCHLAGWORT?

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Vinzenz Bütler

Sozial sein heisst eigentlich solidarisch sein. Ein soziales Verhalten ohne Solidarität ist undenkbar. Deshalb stelle ich den Begriff Solidarität ins Zentrum meiner Überlegungen, auch wenn dieses Wort, oft als Schlagwort gebraucht, reichlich abgenützt wirkt.
Ohne die auch heute noch oft geübte gegenseitige Unterstützung auf privater Basis, zum Beispiel innerhalb der Familie, würden die staatlichen Sozialeinrichtungen zusammenbrechen. Hier wird immer noch viel Eigenverantwortung getragen. In Frage gestellt wird heute gelegentlich die Solidarität im gesamtgesellschaftlichen Rahmen − so beispielsweise der sogenannte Generationen-Vertrag. Dass nunmehr für Rentner die Steuerlast in ihrem letzten Lebensabschnitt angehoben wurde, ist meines Erachtens ein Zeichen abnehmender Solidarität. Der Generation, welche sich in Krisenzeiten und Weltkrieg so solidarisch zu Staat und Mitmenschen verhalten hat, wird ihre Solidarität schlecht gedankt.
Solidarität hat die Schweiz zu dem gemacht, was sie heute ist. Für uns Zeitgenossen ist Solidarität im gesamtgesellschaftlichen Rahmen vor allem noch in der gemeinsamen Bewältigung der grossen Probleme vor, während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg sichtbar. Vor Jahrzehnten war Solidarität auch in unserer Gemeinde noch vielerorts weit häufiger als heute erlebbar: Nachbarschaftliche Hilfe, aktives Bemühen in unzähligen Vereinen, Teilnahme an gemeinsamen Anlässen usw. vermittelte ein Gefühl der dörflichen Zusammengehörigkeit. Wie sieht das heute aus? Wir sprechen zwar dauernd von Solidarität − wie jetzt auch ich − aber leben wir sie denn auch? Sitzen heute nicht allzu viele vor dem Fernseher und lassen die Allgemeinheit, in den Vereinen die andern, die Probleme lösen? Pflegen wir noch Kontakte ausserhalb unserer fest eingeplanten Tagesstrukturen und unserer vier Wände? Nehmen wir unsere Pflichten den Mitmenschen gegenüber wahr, worunter ich auch die staatsbürgerlichen Pflichten rechne?
Das 1848 gebaute Waisenhaus Wädenswil dient heute als Durchgangsheim für Asylbewerber. Stahlstich von Rudolf Ringger aus den 1860er Jahren.

Solidarität, um dieses Modewort weiter zu strapazieren, fehlt zunehmend in der modernen Wirtschaft − und damit auch in der Arbeitswelt − im Zuge der Globalisierung, Rationalisierung, Gewinnmaximierung. Der Anteil der Gewinne aus Kapital vergrösserte sich in den letzten Jahren rasant zulasten von Wertschöpfung aus Arbeit, eine Entwicklung, die existenzielle Probleme aufwirft, nicht zuletzt bezüglich Beitragssymmetrie beim Staatshaushalt.
Unsolidarisch ist zweifellos auch unser Finanzgebaren. «Kaufe heute, zahle morgen», ist die Handlungsmaxime. Das Leben auf Pump − an vorderster Front vom Staat vorexerziert, der zudem ständig nach mehr Steuern und höheren Gebühren und Abgaben lechzt − hinterlässt unserer Nachfolgegeneration horrende Schuldenberge und belastet sie mit der Bezahlung unseres heutigen Wohlstandes. Solches Verhalten ist nicht nur unsolidarisch, sondern geradezu verantwortungslos.
In einem echten Existenzkampf stehen heutzutage nur wenige. Das soziale Netz verhindert die schlimmste Not. Eine zunehmend grössere Anzahl von Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden, zum Beispiel Bauern, kämpfen aber um die finanzielle Eigenständigkeit. Auch Klein- und Mittelbetriebe haben teilweise grösste wirtschaftliche Probleme. Immer mehr Leute erzielen mit ihrer Arbeit zu wenig Einkommen, um auch nur das Notwendigste mit eigenen Mitteln bezahlen zu können.
Heute, kurz vor der Jahrtausendwende, sehe ich nur eine Möglichkeit, unsere Zukunftsprobleme zu meistern, indem wir neu zu solidarischem Verhalten finden. Wir müssen aber auch den Gürtel enger schnallen. Begehrlichkeiten und Ansprüche sind zurückzuschrauben. Wir haben uns auf das Wesentliche zu beschränken − auch oder gerade der Staat. Nur so werden wir eine neue Solidarität leben können. Rentner, Junge, Angestellte, Arbeiter, Bauern, Wirtschaftsführer, Medienschaffende. Politiker, Richter, alle brauchen einander. Ein Umdenken in Richtung Solidarität wäre ein hoffnungsvoller Ansatz für einen Fortschritt unserer Gesellschalt im neuen Jahrtausend. Der Begriff Solidarität ist also weit mehr als nur ein Schlagwort, er steht für die Hoffnung auf eine Zukunft.
Demokratie ist ein Leben mit Kompromissen − basierend auf Solidarität.




Vinzenz Bütler,
Sozialvorstand


SPITALZUKUNFT GESTALTEN

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Rolf Kurath

In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung stark verändert. Stichworte sind massive Kostensteigerungen, Explosion der Krankenkassenprämien, Spitalschliessungen, Einführung neuer Tarif- und Finanzsysteme, die Rationierungsdebatte. Von diesen Entwicklungen sind auch die Gemeinden betroffen.
 
Umbruch
Das schweizerische Gesundheitswesen befindet sich seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes im Jahre 1996 in einem Umbruch. Davon ist hauptsächlich der Spitalbereich betroffen. Bund und Kanton haben ihren Einfluss auf die Steuerung der Leistungen, Mengen, Spitalstandorte und Finanzen weitgehend durchgesetzt. Die Gemeinden, welche öffentliche Grundversorgungsspitäler betreiben und mitfinanzieren müssen, haben kaum mehr Spielraum. Sie haben das Spitaldefizit zu übernehmen, ohne wirklich mitbestimmen zu können. Diese Rahmenbedingungen fördern die Schaffung zentralisierter, grosser Spitaleinheiten und begünstigt die Privatspitäler. Weil diese keine Bindung an einen öffentlichen Leistungsauftrag eingehen müssen, können sie spezialisierte Angebote machen. Damit werden in erster Linie die Privatpatientinnen und -patienten angesprochen und es besteht die Gefahr einer Entwicklung Richtung Zweiklassenmedizin: Wer es sich leisten kann, hat Zugang zu erstklassigen medizinischen, pflegerischen und Hotel-Leistungen. Die Spitäler für die allgemeinversicherte Mehrheit der Bevölkerung, welche sämtliche Bedürfnisse im 24-Stunden-Betrieb abzudecken haben, werden zunehmend Mühe haben, bei den Arbeitsbedingungen für das Personal und dem Hotelkomfort mitzuhalten. Qualitätsverschlechterungen sind deshalb nicht auszuschliessen.
Zum Glück ist das heute dank der kompetenten und engagierten Arbeit des öffentlichen Spitalpersonals noch nicht der Fall. Die skizzierte Entwicklung ist aber im Gang. Sie betrifft alle. Deshalb sind die Gemeinden im Interesse ihrer Bevölkerung verpflichtet, sich damit auseinanderzusetzen.
 
Spital Zimmerberg
Unser Spital wird vom Zweckverband Spitalregion Linkes Zürichseeufer betrieben. Träger sind die Gemeinden Hirzel, Horgen, Hütten, Oberrieden. Richterswil, Schönenberg und Wädenswil. Seit dem 1. September 1999 gehört auch Thalwil zum Einzugsgebiet. Der Zweckverband sorgt im Rahmen des kantonalen Leistungsauftrags für den Betrieb der Kernbereiche Innere Medizin (Wädenswil), Chirurgie und Frauenklinik (beide in Horgen), des regionalen Anästhesie- und Radiologie-Dienstes sowie für die Notfallversorgung (Rettungsdienst, Notfallstation, Akutpflege inklusive Intensivpflegestation). Das Spital Zimmerberg hat diese Aufgaben am 1. Januar 1999 von den Spitalstiftungen Horgen und Wädenswil übernommen. Nach der Betriebsfusion wird die örtliche Zusammenlegung der beiden Spitalbetriebe in Horgen vorbereitet. Voraussichtlich können die Bürgerinnen und Bürger im Dezember 2000 über die Baukredite abstimmen.
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen und starker Konkurrenz ist das Fusionsprojekt gut auf Kurs. Sichtbare Ergebnisse des ersten Semesters sind die Verbesserung der Bettenbelegung und des Kostendeckungsgrades. Durch den Anschluss von Thalwil konnte das Versorgungsgebiet ausgedehnt werden. Besonders wichtig ist aber, dass die bisher getrennt agierenden Arbeits- und Führungsteams in wenigen Monaten zu einer Crew zusammengeschweisst werden konnten. Die Frau- und Mannschaft des Spitals Zimmerberg ist willens, sich in den künftigen Stürmen zu behaupten.
Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut, sondern für jeden Menschen von existenzieller Bedeutung. Deshalb dürfen sich die Gemeinden nicht aus der Spitalzukunft verabschieden. Nur sie sind in der Lage, eine patientennahe, mit den Hausärzten, den Pflegeinstitutionen lind den Spitex-Diensten vernetzte Versorgungskette zu gewährleisten. Daneben sprechen wirtschaftliche und regionalpolitische Überlegungen für dezentrale Akutspitäler. Daher ist die öffentliche Diskussion über die Entwicklungen im Gesundheitswesen im Hinblick auf die kommende Abstimmung über das Bauprojekt Spital Zimmerberg von grosser Bedeutung.
 
Das Schwerpunktspital Wädenswil soll in wenigen Jahren geschlossen werden.



Rolf Kurath,
Gesundheits- und Sportvorstand