«Adlerburg» oder «Adlerberg»

«Adlerberg» ist richtig!

«Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 18. Juli 1988 von Peter Ziegler
 
Wie heisst das 1836 erbaute dreigeschossige Wohnhaus Kirchweg 13 mit seinem markanten, leicht skurrilen sechsgeschossigen Treppenturm auf der Westseite: «Adlerburg» oder «Adlerberg»?

«Adlerburg» durch mündliche Überlieferung

Durch mündliche Überlieferung hat sich die Bezeichnung «Adlerburg» eingebürgert. Der Adler – einst das Hauszeichen am Treppenturm sichtbar – und der burgähnliche Treppenturm mit Mansard-Giebel-Dach und je einem Dachhäuschen auf der Süd- und Nordseite mögen zu dieser Benennung geführt haben. Sie steht hinsichtlich der Namenbildung in Verwandtschaft mit «Bernburg», «Engelburg» oder «Meienburg».

«Adlerberg» durch schriftliche Überlieferung

Nachforschungen in den Grundbüchern des Notariats Wädenswil haben ergeben, dass das Haus ob der reformierten Kirche nie als «Adlerburg» registriert worden ist.
Auf Martini 1842 ging der unter der Hausnummer 652 brandversicherte «Adlerberg», ob der Kirche zu Wädensweil, liegend, ins Eigentum des Schuhmachers Jakob Pfister im Rothaus Wädenswil über. Zum Besitz gehörten ein Viertelanteil an der benachbarten Scheune (am Standort des 1909 erstellten Feuerwehrhauses) sowie 2/6 Nutzen am dortigen Brunnen. 1843 nahm Pfister, «Schuhmacher zum Adlerberg», bei Präsident Johannes Hofmann am Sagenrain und 1846 beim Schulfonds Stocken Darlehen auf.

Wasser aus dem eigenen Sodbrunnen

Ein Schuldbrief von 1857 erwähnt unter den Servituten erstmals den vierten Teil «Nutzen und Beschwerden an dem dasigen Sodbrunnen». 1870 vernimmt man, dass der Sodbrunnen auf dem Areal des Jakob Pfister liege und 15 Küchen Wasser liefere. Bezugsberechtigt waren Jakob Pfister für 4 Küchen, Sigrist Gottfried Gattiker für 3 Küchen, die Geschwister Zollinger für 3 Küchen, Johannes Baumgartner für 1 Küche und die Witwe Hauser-Hauser für 4 Küchen. Diese Wasserbezüger bildeten eine Brunnengenossenschaft und wählten für jeweils zwei Jahre einen Brunnenverwalter.

Besitzerwechsel

Auf Martini 1873 ging die Liegenschaft «zum Adlerberg» durch Kauf in den Besitz des im «Luft Wädensweil» wohnhaften Schneiders Philipp Sperb über. Zum Wohnhaus gehörte 1875 auch eine Werkstätte in separatem Gebäude. Noch 1912 war Schneider Sperb Eigentümer des nun unter der neuen Nummer 527 assekurierten Wohnhauses «zum Adlerberg» zu der immer noch 4/16 Nutzungsrechte am Sodbrunnen gehörten. Als Grenzen der Liegenschaft werden erwähnt: 1. Der Garten der Erben Gottfried Hausers und der öffentliche Fussweg vom Feuerweiher (auf dem Vorplatz des heutigen Feuerwehrgebäudes) zum Friedhof (auf der jetzige Sportanlage Eidmatt), 2. der öffentliche Fussweg Kirche – Kirchhof – Lehmgasse, 3. Hofraum und Garten von Schmied Reinhold Kleiner im benachbarten «Eisenhammer», 4. der öffentliche Fussweg Kirche – «Adlerberg», heute Kirchweg.
1921 wird die Liegenschaft «Adlerberg», immer noch im Besitz von Philipp Sperb, abermals im Grundprotokoll aufgeführt. Die 1912 genannten Wege tragen nun die neuen Bezeichnungen Freischulweg, Fiedhofweg und Kirchweg.
Durch Erbgang kam der «Adlerberg» 1933 an Hedwig Derrer-Sperb und 1961 an Alice Stahel-Derrer. Der Kauf durch die Stadt Wädenswil erfolgte am 1. September 1901.

«Adlerburg»

Jugendhaus «Adlerburg» nannte dann die Cevi Wädenswil ihr neues Heim, in dem sie sich wie in einer Burg geborgen fühlt, wohlwissend, dass diese Bezeichnung eigentlich der historischen Grundlage entbehrt.
 




Peter Ziegler