Toggenburger Firma übernimmt die Bürstenfabrik Erzinger

Quelle: Zürichsee-Zeitung, 11. Januar 2024 von Raphael Meier

Die Geschichte der Bürstenfabrik Erzinger reicht so weit zurück, wie es nur wenige Unternehmen von sich behaupten können. Gegründet 1846, zog der Gründervater Johann Erzinger-Mäder im November 1863 an die Seestrasse 39 in Wädenswil – damals noch bekannt als «Wohnhaus 2a».
In den folgenden Jahren machte sich Erzinger-Mäder in der Region einen Namen als Bürstenmacher. Das Wissen über sein Handwerk gab er seinem Sohn Heinrich weiter. Dieser folgte dem Beispiel seines Vaters und vermachte die Firma einige Jahrzehnte später seinen Söhnen. Generation für Generation blieb das Wädenswiler Unternehmen, das bis heute auf die Herstellung von hochwertigen Bürsten aller Art spezialisiert ist, so in Familienbesitz.

«Wir sind ein kerngesundes Unternehmen»

«Und eigentlich hätte es so auch weitergehen können», sagt Juniorchef Thomas Erzinger beim Telefonat mit dieser Redaktion. Doch wie das Traditionsunternehmen kürzlich bekannt gab, ist die Geschichte des Wädenswiler Familienbetriebs – zumindest in seiner jetzigen Form – zu Ende.
Seit dem 1. Januar hat die Wattwiler Firma A+B Bürsten- Technik das operative Geschäft der Bürstenfabrik Erzinger übernommen. Das gesamte Lager und sämtliche Produktionsmittel wurden in den letzten Wochen bereits in den Fabrikneubau des Toggenburger Herstellers integriert.
Auch das bestehende Sortiment und alle Aufträge würden gemäss den vereinbarten Konditionen durch A+B übernommen, sagt Erzinger. Der 44-Jährige, der den Familienbetrieb mit 13 Beschäftigten davor zusammen mit seinem Vater führte, wird mit weiteren Mitarbeitern künftig das Team der Toggenburger Firma verstärken. Dass die Familie das 177-jährige Erbe aus den Händen gibt, hat mehrere Gründe. Finanzielle Probleme zählten nicht dazu: «Wir sind ein kerngesundes Unternehmen », sagt Erzinger. Stattdessen habe sich die Familie vor einigen Jahren, während der Corona-Pandemie, grundsätzlich mit der Zukunftsfrage auseinandergesetzt.

Es ist kein Wachstum möglich

Ein Problem sei etwa der Standort gewesen. Seit 1910 ist die Bürstenfabrik an der Buckstrasse, nahe der katholischen Kirche, zu Hause. «Nach mehr als 100 Jahren hatten wir jeden Quadratmeter ausgenutzt», sagt Erzinger mit einem Lachen. An Wachstum oder Weiterentwicklung habe man an diesem Standort deshalb kaum denken können.
Dazu sei der Fachkräftemangel gekommen: «Viele Jahre hatten wir einen sehr treuen Personalbestand und deshalb kaum Wechsel», erinnert sich Erzinger. In den letzten Jahren sei es jedoch vermehrt zu Ausfällen oder anderen Abgängen gekommen – weshalb immer mehr Arbeit an der Familie hängen blieb. «Das hat unsere Familie stark belastet.» Mit beiden Elternteilen im Pensionsalter habe er sich die Frage stellen müssen, ob er sich dies in Zukunft allein zutraue. «Also prüften wir, welche anderen Möglichkeiten uns offenstehen», erklärt Erzinger.

Bis heute finden sich sogenannte «Eindrehbürsten» im Sortiment der Bürstenfabrik Erzinger. Foto: Archiv Peter Ziegler


Das Fabrikgebäude des Unternehmens liegt heute inmitten eines Wohnquartiers. Foto: Michael Trost

«Nach über 40 Jahren eine emotionale Sache»

Bei der Firma A+B Bürsten-Technik, mit der die Erzingers bereits in gutem Kontakt standen, hätten sie fast schon «offene Türen eingerannt». Nach vielen Gesprächen hätten sich die beiden Firmen gemeinsam auf die nun vollzogene Übergabe des operativen Geschäfts geeinigt. Insbesondere Vater Stefan sei die Entscheidung schwergefallen, sagt der Sohn. «Nach über 40 Jahren im Betrieb ist das natürlich eine emotionale Sache.» Aber auch der langjährige «Patron» der Bürstenfabrik sei überzeugt, dass es der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt sei.
Im Moment ist er damit beschäftigt, den Übergang an den neuen Standort zu begleiten. Dann gelte es, das leer gewordene Firmengebäude weiterzuentwickeln, erklärt Erzinger. Was künftig mit der zentral gelegenen Liegenschaft geschehen soll, sei derzeit noch offen.