Wädenswiler Eisbahnprojekte

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2006 von Magdalena E. Preisig

Erst nur «schlirgge», dann lange, lange kämpfen und schliesslich elegant kurven.
Seit dem Jahre 2001 bietet Wädenswil den Schlittschuhbegeisterten auf dem Seeplatz eine kleine, demontierbare Eisbahn an. Ein Feld zum Eislaufen wünschten sich die Wädenswiler schon vor hundert Jahren. Zwei Faktoren förderten damals die Lust auf das kalte Vergnügen: der technische Fortschritt der Schlittschuhkonstruktionen und der öfters gefrorene Zürichsee. Im 19. Jahrhundert gab es vier Seegfröörnen. 1830 war die erste, die restlichen drei im letzten Viertel des Jahrhunderts: 1880, 1891 und 1895. Zehn Jahre später wollten drei Wädenswiler Herren der Natur nachhelfen und eine Eisfläche im Kleinformat herstellen.

EISFASZINATION AUCH IN WÄTTISCHWIL

In der Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil berichtet Eduard Schoch-Näf von der erteilten Bewilligung, «den Landungsplatz beim Engel während der Wintermonate 1905/06 für die Einrichtung u. den Betrieb einer Eisbahn unter gewissen Bedingungen zu benützen», wie er die gemeinderätliche Verfügung zitiert. Initianten der Eisbahn waren der Rechtsanwalt, Dr. E. Barich, der Zahnarzt Dr. E. Müller und der Chronist selber, Eduard Schoch-Näf, Besitzer des Hotels Engel. Zahnarzt Müller verstarb im Jahre 1930. Im Nachruf in der Lokalpresse wird er geschildert als Kapazität in seinem Fach, der sein Wissen an Kongressen weitergab und seinen Doktortitel in Chicago (USA) gemacht hatte. Der aktive und weit gereiste Mann gehörte zu jenen, die 1905 die Grazie des Eissportes in Wädenswil ermöglichen wollten. 23 Jahre zuvor hatte der Norweger Schlittschuhläufer Axel Paulsen den ersten «Axel» gesprungen. Diese Figur hat sich seither zum Königssprung entwickelt. Heutzutage ist es Norm, dass Axel mit einer dreifachen Drehung des Körpers gezeigt wird. Auch das Eishockey-Spiel war im Jahre 1905 schon bekannt: Am 3. März 1875 spielten in Montreal (Kanada) Dozenten und Studenten der McGill-Universität gegeneinander. Und schon im Jahre 1865 kurvte der amerikanische Eiskunstläufer Jackson Haines in Schlittschuhen übers Eis, bei denen Schuh und Kufen eine Einheit bildeten. Die Faszination des Eislaufens lässt sich aus den zeitgeschichtlichen Hintergründen ableiten. Mit welchen Einrichtungen die Wädenswiler eine Eisfläche herstellen wollten, verschweigt der Bericht des Chronisten. Als Standort des Versuchsobjektes wird der Platz zwischen der (alten) Haab und dem Hotel Engel genannt.

SCHMETTERLING IN EIS

Die Berichte im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» offenbaren dann, dass die Witterung die Eisbildung in keiner Weise unterstützte. Chronist Eduard Schoch-Näf hätte durchaus «mildernde Umstände» geltend machen können. Zum Beispiel berichtet die Lokalzeitung am 8. Januar 1906 von einem heftigen Gewitter und «einem frisch geschlüpften Schmetterling, welcher der Redaktion zugetragen worden war». In der Ausgabe vom 31. des Monats jammert ein ungenannter Eingesandt-Schreiber über den «Abschied von den schönen Herbsttagen». Sein poetischer Erguss beweist, dass der Winter noch gar nicht richtig begonnen hatte. Der Schreiber besinnt sich dann doch noch auf die angenehmen Seiten des Winters: «Denken wir an die beschneiten Bergeshänge und spiegelglatten Eisfelder, wie sich da die Sportsmannen und die muntere Jugend in gesundheitlichem Spiele tummeln können.»

SCHNEE STATT EIS

Die «beschneiten Bergeshänge» be­wahrheiteten sich, nicht jedoch die «spiegelglatten Eisfelder». Dem Winter fehlten die anhaltenden Minustemperaturen, die den künstlichen Teich am See in eine begehbare Eisfläche verwandelt hätten. Am 5. Februar rekapituliert die Zeitung den abnormalen Januar als «wärmsten der verflossenen zehn Jahre». Die meteorologische Anstalt in Zürich registrierte nur wenige Frosttage und am 18. eine auffällige Frühlingstemperatur von 13 Grad. Erinnert wird auch an «das Gewitter vom 6. Januar 6.30. Uhr abends. Bei 10 Grad über Null zog es sich innerhalb nur einer Stunde durch die ganze Schweiz.» Das Blatt rekapituliert und kommentiert: «Während das Schlittschuhlaufen infolge der veränderlichen und warmen Witterung noch nicht recht in Fluss kommen konnte, ist zur Freude unserer Jugend in der Nacht vom Samstag auf Sonntag so viel Schnee gefallen, dass nun auch das ‹Schlitteln› zu seinem Rechte kommt.»

1914 fror der obere Teil des Zürichsees zu und ermöglichte vor Wädenswil das Eislaufen.
 

KUFEN NICHT ROSTEN LASSEN

Auch wenn die breiten Schlittenkufen besser zu gebrauchen waren, als die schmalen Schlittschuhkufen, gibt die Zeitung am 7. Februar 1906 eine Anleitung zur Pflege der Schlittschuhe. «Vom Schnee abgeklopft» sollen sie werden und «in die Nähe des Ofens zum vollständigen Ab­trocknen gehängt» wie auch «zum Schutze gegen Rost geölt». Das gelte auch für die vernickelten Modelle, belehrt die Zeitung. Wobei es sich vorwiegend um die so genannten «Örgeli» handeln musste, jene Eisenkonstruktionen, die mit Klemm­backen an den Winterschuhen festgeschraubt wurden und die der Allgemeinheit erschwinglich waren. Das Februarwetter hüllte wohl «die Landschaft beständig in winterliches Weiss», wie die Zeitung am 6. März 1906 berichtete, für die Bildung eines brauchbaren Eisfeldes reichte die Kälte jedoch nicht aus.
 
Blick vom Seeplatz Wädenswil auf den zugefrorenen Zürichsee, 1929.

SCHLEIFBAHN STATT EISBAHN

Was blieb dem Mitinitianten und Chronisten Eduard Schoch-Näf anderes, als im Frühjahr 1906 niederzuschreiben: «Die gutgemeinte, aber viel umstrittene Eisbahn auf dem Landungsplatze hat leider nicht gehalten, was sie versprach.» Wasser, das zur Eisbildung bestimmt war, sei ungewollt versickert, weshalb nur «ein kleiner Teil der Eisfläche zum Schlirggen benützt werden konnte. ... Dabei hat sich hin und wieder einer den Schuh voll herausgeholt.» Der Chronist verrät, dass das Projekt umstritten war. Die Gründe verschweigt er und resümiert: «Die Reihe der berühmten ‹Wätischwyler Lehrblätz› hat sich um ein bemerkenswertes Glied vermehrt.» Diese Selbstironie ist verständlich, denn das Projekt sah einen Betrieb mit Eintrittsgeldern vor. Zudem war die Gründung eines Schlittschuhklubs geplant. Mit dem Scheitern der Eisbahn war dieses Thema vorerst ad acta gelegt.

SEEGFRÖÖRNI OHNE IMPULS

Die nächste eisige Zeit folgte im Jahre 1929. Der See gefror und forderte vor Wädenswil ein Todesopfer, das im Frühjahr geborgen werden konnte. Im Jahr darauf wurde die Bahnhoffrage aktuell. Mit dem Umbau des Bahnhofs veränderte sich das Zentrum. An der Ostseite des Seeplatzes entstand ein neuer Hafen. Bereits 1923 bis 1925 hatte man ein zweites Geleise gebaut und ab 1926 die Seestrasse den Anforderungen des wachsenden Verkehrs angepasst. Die Wirtschaftskrise der Dreissigerjahre und die Kriegsjahre 1939 bis 1945 beschnitten die Wünsche der Bevölkerung auf das Machbare.

Hans Zollinger setzte sich ausdauernd und leidenschaftlich für eine Eisbahn ein.
 

JETZT ABER!

In eine prosperierende Zeit fiel die zweite und letzte Seegfröörni des 20. Jahrhunderts im Jahre 1963. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs waren überwunden, die Wirtschaft boomte, und Wünsche wurden wahr. Warum nicht auch eine Eisbahn für Wädenswil? Ins Zeug legte sich voller Begeisterung Hans Zollinger, damals Sekundarlehrer in Wädenswil. Er habe dabei die Unterstützung des damaligen Gemeindepräsidenten Fritz Störi gehabt, sagt der Eissportbegeisterte rückblickend. Als Präsident der Wädenswiler Exekutive schlug er vor, auf der Eidmattwiese eine demontierbare Eisbahn zu erstellen. Auf dieser fanden fünf Jahre nach der See­gfröörni Eishockeyspiele statt. Für das Projekt der Kunsteisbahn Wädenswil (KEW) hatte Hans Zollinger nämlich Geldgeber ge­sucht. Doch die angefragte Sport-Toto-Gesellschaft in Basel unterstützte nicht Projekte selber, sondern Vereine, die ein Projekt aufziehen. «Also gründeten wir einen Eishockeyklub», sagt Zollinger lapidar. Der im Jahre 1965 gegründete Klub florierte, hatte im Oktober 1968 zwei Mannschaften, wovon die eine bereits in die 2. Liga aufsteigen konnte. Als einziger Eishockeyverein am Zürichsee hatte er zudem ein Juniorenteam. Mangels eigener Eisbahn trainierten alle in Rapperswil. Hans Zollinger betont, dass sogar zwei Meisterschaftsspiele auf dem Eisfeld in der Eidmattwiese gespielt werden konnten. Hans Zollinger kannte in jener Zeit zweierlei schlaflose Nächte: jene, in denen er beim Herstellen des Eisfeldes mithalf und jene, in denen er Rückschläge beim Verfolgen seines langfristigen Zieles hinnehmen musste.
 

4,6 MILLIONEN FÜR EINE EISBAHN

Im Jahre 1968 organisierte der Eishockeyklub mit Erfolg ein Amateur-Sänger-Festival, das im Extrablatt der Jungen des «Tages-Anzeigers» vom 23. Oktober 1968 auf einer ganzen Seite abgehandelt wurde. Klar, dass die Jungen angesprochen werden sollten und der Erlös der JOKU zugute kam. Diese Buchstaben stehen für die Kunsteisbahngenossenschaft Johanniter JOKU. War das Projekt erst unter der Abkürzung KEW gelaufen, schlug das Initiativkomitee später mit einem neuen Namen den Bogen zur Komturei auf der Burg Wädenswil, die im Mittelalter das Sagen hatte. Zur Genossenschaft hatten sich die Eisbahnbefürworter im Jahre 1970 zusammengeschlossen. Deren Präsident war Hans Zollinger, und das statutarisch festgelegte Ziel waren Bau und Betrieb einer Kunsteisbahn. Der Plan vom 3. August 1970 sah zwei Eisfelder vor: Eine Fläche von 30 x 60 Metern war vorgesehen für den Eishockey und eine solche von 37 x 64 Metern für den allgemeinen Eislauf. Die Tribüne um­fasste 2000 Sitzplätze. Im Sommer wären die Eisflächen in Tennisplätze umgewandelt worden. Die Anlagekosten waren auf 4689000 Franken veranschlagt. Vorgesehen war die grosszügig konzipierte Eisbahn im Neuguet, 500 Meter von der Burgruine entfernt.
 
Das nie verwirklichte Projekt einer Kunsteisbahn zwischen Neuguet und Einsiedlerstrasse.

DAS PROJEKT FINDET ZUSTIMMUNG

Am Projekt beteiligten sich nebst Wädenswil die Gemeinden Richterswil, Schönenberg, Hütten sowie das schwyzerische Wollerau. Diese an Richterswil und Hütten grenzende Gemeinde verwarf eine Kostenbeteiligung an der Eisbahn deutlich. Richterswil stimmte seinem Anteil mit 57 Prozent Ja-Stimmen zu. Schönenberg be­jahte ebenfalls, begrenzte jedoch seine Beteiligung. Wädenswil stimmte am 7. Februar 1971 ab. Bei 2916 Ja und 2631 Nein sprach sich eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für Wädenswils Kostenbeteiligung aus. Bemerkenswert hoch war die Stimmbeteiligung von 70 Prozent. An diesem historisch bedeutsamen Abstimmungstag konnten auf kommunaler und kantonaler Ebene zum ersten Mal die Frauen mitstimmen. Im gleichen Urnengang votierten die Männer mit 66 Prozent Ja- und 34 Prozent Neinstimmen für das Stimm- und Wahlrecht der Frauen auf Bundesebene.

Bernhard Brechbühl ging mit kühlem Verstand an die Eisbahnfrage.
 

WER SOLL DAS BEZAHLEN?

Der Ausstieg Wolleraus erforderte einen neuen Verteilschlüssel für die Finanzierung. Überdies zeigte die JOKU Mühe, das erforderliche Kapital aufzubringen. Diese unbefriedigende Finanzlage rief den diplomierten Elektroingenieur Bernhard Brechbühl auf den Plan: «Damals herrschte eine Euphorie. Alles schien machbar», beurteilt er die Zeit, in der auch dem Wunsch nach einem Hallenbad stattgegeben worden war. Er warnte vor ausufernden Folgekosten und bedauert heute, dass er als «Verhinderer» in die Geschichte eingegangen sei. Um dieses Bild zu korrigieren, sagt er: «Ich wollte das Projekt finanziell auf eine breite Basis stellen, damit Wädenswil als reichste der beteiligten Gemeinden nicht einseitig belastet werde.» Er befürchtete, Wädenswil müsse nicht nur drei Viertel der Erstellungs- und Betriebskosten übernehmen, sondern habe auch das Defizit – etwas anderes erwartete er nicht – zu berappen. Brechbühl gibt zu bedenken, dass sie von den vier beteiligten Gemeinden die finanzstärkste war. Von 1975 an war er Gemeinderat in der im Jahr zuvor eingeführten Legislative und zwar als Vertreter des Landesrings der Unabhängigen (LdU). Seine 1974 eingereichte Gegen­initiative sah eine Eisbahn im Neubüel oder beim Bahnhof Au vor. Diese Gebiete hatten den Vorteil, von den öffentlichen Verkehrsmitteln besser erschlossen zu sein als das Neuguet. Zudem signalisierte Horgen bei diesen näher gelegenen Standorten eine mögliche Mitfinanzierung.

WUNSCHZIEL BLEIBT WUNSCHZIEL

Im Jahre 1980 konnte Hans Zollinger-Tschudi, inzwischen auch Präsident des Verkehrsvereins Wädenswil, auf das 10-jährige Bestehen der JOKU zurückblicken. Dazu erschien im Monatsheft «Veranstaltungen in Wädenswil» vom November 1980 ein Bild der Demonstration der Schüler im Gründungsjahr 1970 mit dem Text: «Schüler der Sekundar-, Real- und Oberschule demonstrierten mit einem Umzug durch Wädenswil für eine Kunsteisbahn und sammelten an einem Flohmarkt Geld für eine Kunsteisbahn. ... An der Genossenschaft beteiligten sich auch die Gemeinden Hütten, Schönenberg, Rich­terswil und Wädenswil mit Krediten, welche von den Stimmbürgern gesprochen worden waren. Doch es kam anders: Eine Anzahl politischer Probleme verhinderte das Projekt, und schliesslich begann man – nicht zuletzt auch unter dem Einfluss der Regionalplanung – einen neuen Standort zu suchen: im Neubüel bei der Autobahnausfahrt Wädenswil. ...» Dem Heft lag ein Zeichnungsschein bei, denn die Kunsteisbahn war noch immer das Wunschziel. «Dann geschah lange nichts mehr», sagt Bernhard Brechbühl zur Folgezeit. Gerade deshalb reichte Gemeinderat Werner Füchslin (CVP) am 3. Februar 1986 ein Postulat ein, das die rasche Realisierung der Kunsteisbahn forderte.

SCHICHT UM SCHICHT AUFBAUEN

Sekundarlehrer Renato Gelpi gehörte zu jenen, die bei der Jugend die Lust auf eine Eisbahn am Köcheln hielten. Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre stellte er – mit Hilfe des Abwartes und von Schülern und Eltern – eine Natureisbahn beim Schulhaus Untermosen her. Bestens geeignet war dafür der westlich gelegene Asphaltplatz des Schulareals. Als Begrenzung verwendete er die uralten Banden, die in den Vierzigerjahren und Anfang der Fünfzigerjahre auf dem Gasiplatz das Eisfeld begrenzt hatten. «Schicht für Schicht haben wir das Eis aufgebaut», erklärt er den Werdegang des Eisfeldes, der viele Nachtstunden in Anspruch nahm. Wenn das Wasser einen Zentimeter hoch lag, musste wieder 15 oder 20 Minuten zugewartet werden, bis dieses gefroren war. Dann konnte die nächste Schicht aufgetragen werden. Die Akteure im Winter 1905/06 waren anders vorgegangen. Dass man damals einen Schuh voll herausziehen konnte, ist Zeichen für die Konstruktion eines Teiches. Gelpis Eisfeld hingegen wuchs von unten her. Der Sportbegeisterte organisierte auch Schüler-Eishockeyturniere. Vom Eislaufvirus war der ehemalige Stadtzürcher als 11-Jähriger bei der Seegfröörni 1963 angesteckt worden: «Ich habe damals meine ersten ‹Örgeli› bekommen.» Auch bei anderen Schulhäusern wurden Eisfelder errichtet, beim Schulhaus Langrüti geschieht dies bis in die heutige Zeit.

Eisfeld beim Schulhaus Eidmatt I, Januar 1995.

AUCH DAS NEUBÜEL FÄLLT DURCH

Mit einem neuen Standort bei der Autobahneinfahrt Neubüel konnte in den Neunzigerjahren die Gemeinde Horgen ins Projekt miteinbezogen werden und vereinigte bei der Abstimmung am 25. September 1994 über den entsprechenden Kredit nur 34 Stimmen mehr für ein Nein. Richterswil – eine weitere von sieben beteiligten Gemeinden – lehnte seinen Beitrag mit einem Stimmenverhältnis von 2 : 1 deutlich ab. Die «Zürichsee-Zeitung» titelte am Tag darauf: «Das Aus für die Kunsteisbahn Neubüel.» Dies, obwohl die Gemeinden Schönenberg, Hirzel, Oberrieden und Rüschlikon ihre Kredite bewilligt hatten. Wädenswil entschloss sich darauf, auf die Abstimmung zu verzichten, weil die Zustimmung aller Gemeinden erforderlich gewesen wäre, was nicht mehr möglich war. Mittlerweilen war der Standort Neubüel in den Richtplan der Planungsgruppe Zimmerberg aufgenommen worden. Das war mit ein Grund, weshalb sich die JOKU nicht unterkriegen liess. Sie wollte die Eisbahn in eigener Regie bauen und mit einer Curlinghalle kombinieren. Bezahlen wollte sie mit 600000 Franken Genossenschaftskapital, von denen 200000 Franken bereits einbezahlt seien, steht im blauen Flyer, der dafür warb. Das Vorhaben verlief im Sand, ebenso das nachfolgende Projekt der Stadt, die Eisbahn mit einer Rundbahn von 600 Metern Länge zu versehen. Ein weiterer Anlauf, nun mit anderen Akteuren unter dem Namen Eisbahn Neubühl AG, kombinierte die Sportstätte mit einem Shoppingcenter in der Hinteren Rüti. Präsident war alt Stadtpräsident Walter Höhn. Zu einer Abstimmung darüber kam es indes nicht, weil die planungsrechtlichen Auflagen nicht erfüllt werden konnten. Zudem erwuchs dem Bau der Sportstätte und den Centers aus den Reihen der Wädenswiler Gewerbetreibenden Opposition, weil sie eine Abwanderung ihrer Kundschaft aus dem Stadtzentrum befürchteten.
 
Rita Hug auf dem Platz, der bei ihr die Eisbahn-Idee auslöste.
 

EIN «JA», DAS NIE REALITÄT WURDE

Noch heute kommt es Hans Zollinger ungeheuerlich vor: «Das Projekt war ge­nehmigt von den Stimmbürgern und konnte doch nicht verwirklicht werden.» Bernhard Brechbühl hingegen findet es gut, dass Wädenswil zugewartet habe, da er eine Kunsteisbahn ohnehin als «Wunschbedarf» einstufte. Er ist zufrieden, dass nun in Thalwil eine Kunsteisbahn im Entstehen ist. Die Gemeinden im unteren Bezirksteil mit ihrer stärkeren Finanzkraft könnten eine solche finanziell besser verkraften, argumentiert er. In dieser Zufriedenheit über eine Kunsteisbahn im Bezirk treffen sich der vehemente Eisbahnbefürworter Hans Zollinger und Bernhard Brechbühl, der neue Standorte vorgeschlagen hatte, de facto aber mithalf, das Projekt zu verhindern.

DIE «KLEINE» IN WÄDENSWIL

Nach der Jahrhundert- und Jahrtausendwende nahm ein anderer Personenkreis die Idee für eine Eisbahn wieder auf. Der zündende Funke geht auf den Abbruch jener beiden Liegenschaften am Bahnweg zurück, die im Volksmund Laubsägelihäuser genannt wurden. Rita und Martin Hug, wohnhaft im altehrwürdigen Haus «Weinrebe» an der Seestrasse 133, schauten über den Platz Richtung Seebad, wo anstelle der Häuser der Parkplatz Weinrebe erweitert werden sollte. Rita Hug jedoch fand, dort könnte eine kleine Eisbahn platziert werden. Sie schrieb einen originellen Leserbrief in der «Zürichsee-Zeitung», der am 29. März 2001 erschien. Sie schilderte fiktiv die Eröffnung des «Eisfeldes Weinrebe». Im Schlusssatz resümiert sie: «Die Vision Eisfeld ist hiermit gestellt.» Dass ihre Vision belächelt wurde, habe sie «gezwickt» und ihr erst recht Elan gegeben, sagt sie rückblickend. Zusammen mit ihrem Nachbarn, Roland Schneider, feilte sie die Idee aus. Ihr Mann wiederum wuss­te von einer demontierbaren Eisbahn, die in Uster einen Winter lang in Betrieb war und wegen Platzmangels von der Gemeinde keine weitere Betriebsbewilligung erhalten hatte. Deren Besitzer, Manfred Kleinert, vermietete sie zu einem günstigen Preis. «Die Angelegenheit entwickelte eine Eigendynamik», erinnert sich Rita Hug an das Wirken und Wachsen der initiativen Gruppe. Beteiligt waren Felicitas Gantner, Rita Hug, Dieter Pfeiffer, Christoph Rohner, Roland Schneider, Richard von Aesch und Heidi Ziernhöld. Den zurückliegenden, erfolglosen Bemühungen zum Trotz glaubte diese Gruppe an ihr kleines Projekt und gründete am 4. Oktober 2001 den Verein Eisbahn Wädenswil. Nicht am Bahnweg, sondern auf dem Seeplatz konnte die Eisbahn schliesslich installiert werden. Bei der Eröffnung am 8. Dezember 2001 hätten die Eisbahnbetreiber mit Hans Zollinger zusammen einen Kaffee getrunken, erinnert sich Rita Hug. Zollinger freut sich über die Kunsteisbahn am See: «Vierzig Jahre später ist man etwa da, wo man hin wollte», sagt er: «Den Initianten dieser Eisbahn gehört ein Kränzchen gewunden.»
 

DIE «GROSSE» IN THALWIL

Die vielen, ebenfalls über Jahrzehnte laufenden Anstrengungen für eine Eisbahn im unteren Bezirksteil waren letztlich erfolgreich. Im November 2006 soll in Thalwil direkt an der Autobahn A3 eine Kunsteisbahn mit einem Standardfeld in der Grösse von 30 x 60 Metern eröffnet werden. Die Kunsteisbahn Thalwil im «Brand» wird von der Gemeinde Thalwil betrieben und ist für den ganzen Bezirk bedeutend. Am 19. Juni 2006 fand der Spatenstich statt. Laut Berichten in der Lokalpresse hat damit für den Initianten, den Thalwiler Hans Sorg, eine 53-jährige Leidensgeschichte ein gutes Ende gefunden. Wenn im unteren Bezirksteil in Sachen Eisbahn nichts gelaufen war, hatte er sich jeweils zu den Initianten im oberen Bezirksteil geschlagen. Seine Initiative zum Bau einer Eisbahn hatte er am 20. Februar 2003 eingereicht, die Abstimmung darüber erbrachte am 19. Oktober 2003 ein positives Resultat. Verständlich deshalb seine Aussage bei Baubeginn: «Ich fühle mich wie ein Olympiasieger.»

DER FINANZKREIS SCHLIESST SICH

Das ursprünglich für eine Eisbahn gezeichnete und gesammelte Geld, soweit es nicht für Planung und Werbung verwendet wurde, floss im Jahr 2006 dem seit fünf Jahren bestehenden Verein Eisbahn Wädenswil zu. Das Geld sei bereits ausgegeben, sagt Richard von Aesch, Präsident der Eisbahn Wädenswil, und präzisiert: «Es ist investiert im Fundament und in der verbesserten Infrastruktur.» Ein Teil dieser Mittel, rund 30000 Franken, stammte aus der Auflösung der Genossenschaft Johanniter Kunsteisbahn JOKU und aus dem Verkauf der Hülle der Eisbahn Neubüel AG, die nicht mehr operativ tätig war. An dieser war die Stadt Wädenswil mit 20 Prozent beteiligt. Paul Rota, Finanzvorstand der Stadt Wädenswil, sagt abschliessend: «Wir waren die Drehscheibe für diese zweckgebundenen Gelder. Die Verwendung der Gelder im Eisbahnprojekt auf dem Seeplatz entspricht in idealer Weise den Zielen der unermüdlichen Kämpfer der Genossenschaft und der Aktiengesellschaft für eine Eisbahn in Wädenswil.»

Das Eisfeld auf dem Seeplatz Wädenswil, Winter 2001/02.
 

DIE KLEINE IST GEWACHSEN

Die «Eisbahn WÄDI» bezeichnet sich als die «Die kleine, aber feine Eisbahn mit Ambiente – direkt am See und mit eigenem Bahnhof». Schon nach der ersten Saison ist sie von 12 x 18 Metern vergrössert worden auf 30 x 15 Meter. Mit einer Fläche von 450 Quadratmetern entspricht die Eisfläche einem Viertel eines Eishockeyfeldes. Beigestellte Container dienen als Garderoben, Kassa und Lagerraum für Mietschlittschuhe, Werkzeug und Schneefräse. Die «Villa Kunterbunt» auf der Schmalseite des Eisfeldes bietet als Bar und Beizli Verpflegung, einen Ort zum Aufwärmen und eine Terrasse zum Verfolgen des bunten Treibens auf dem Eis. Zum Team gehören Kathrin und Roland Schneider, Heidi und Ruedi Ziernhöld, und offen ist die «Villa Kunterbunt» von Mittwoch bis Sonntag. In Betrieb ist die Eisbahn jeweils von Mitte November bis Anfang März von 8.30 bis 22 Uhr. An den Abenden können Kursveranstalter und Sportvereine den Platz mieten. Von Montag bis Freitag steht die Eisbahn jeweils morgens den Wädenswiler Schulen zur Verfügung. Der Eintritt für Kinder beträgt 2.50 Franken, für Erwachsene 5 Franken, die Schlittschuhmiete beträgt 4 Franken, wobei Abonnemente und Saisonkarten beides verbilligen. Diese Einnahmen vermögen die Betriebskosten nicht zu decken. Die 60 Aktivmitglieder und 20 Passivmitglieder, Gönner, Sponsoren und Werbepartner erbringen den Rest. Die Stadt leistet einen Beitrag, indem Stadtarbeiter beim Aufbau mithelfen. Auch Helfer vom Hirzler Sunnedörfli packen jeweils in der Anfangs- und Schlussphase mit an. Den Verein Eisbahn Wädenswil leitet ­Richard von Aesch, Vize-Präsident Roland Schneider besorgt die Werbung, und Beat Knoblauch kümmert sich um die Finanzen, Martin Rütsche ist Beisitzer. Die Aktuarin Heidi Ziernhöld und die Beisitzer Felicitas Gantner und Bruno Meier beendeten mit der Saison 2006/06 ihr Engagement im Verein Eisbahn Wädenswil.

EIN TUMMELPLATZ FÜR GROSS UND KLEIN

Nachdem der erste Versuch vor hundert Jahren kläglich geendet hatte, kann Wädenswil nun schon auf fünf erfolgreiche Eisbahnjahre zurückblicken. Nicht die aufstrebende Konjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht die sich jahrzehntelang hinziehenden Bemühungen auf dem politischen Parkett, sondern die Rezessionsjahre zu Beginn des 21. Jahrhunderts und ein privater Verein brachten den Wädenswilerinnen und Wädenswilern die ge­wünschte Eisbahn, – wenn auch im Kleinformat. Dank den chemisch-elektrischen Prozessen, die in einer modernen Kälteanlage ablaufen und die gewünschte Kälte erzeugen, sind sie dabei nicht mehr auf lang anhaltende Minustemperaturen angewiesen. Zudem hilft ein Prototyp einer Eisreinigungsmaschine, die Fläche glatt zu halten. Widerstandslos gleiten darauf die Kufen der Grossen und Kleinen. Die noch tapsigen Kleinen können sich an fahrbaren Eisbären und Pinguinen aus Kunststoff­ ­halten. Zeitweise ist ein Drittel der Eisfläche abgesperrt für Plauschhockey auf kleine Goals, wobei ausschliesslich Softpucks verwendet werden. Dank ent­sprechendem Unterricht wachsen auch Eislaufprinzessinnen und -prinzen heran. Tag für Tag bildet die Eisbahn eine bunte Kulisse, die ständig in Bewegung ist. Wie der eingangs erwähnte Leserbriefschreiber formulierte, können sich nun «Sportsmannen und die muntere Jugend in gesundheitlichem Spiele tummeln». Wahrscheinlich würde er staunen, dass heutzutage auch Sportfrauen ganz selbstverständlich – und erst noch mit Hosen bekleidet – übers Eis gleiten.




Magdalena E. Preisig




QUELLEN

Stadtarchiv Wädenswil
Dokumentationsstelle oberer Zürichsee, Wädenswil: Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», «Zürichsee-Zeitung»,
«Tages-Anzeiger»
Seepolizei des Kantons Zürich
Internet- und mündliche Recherchen