Aus der Geschichte der Kirche

Quelle: Reformierte Kirche Wädenswil Innenrenovation 1998/99 von Peter Ziegler

Eigenkirche der Freien von Wädenswil

Da im Innern der reformierten Kirche Wädenswil nie archäologische Sondierungen durchführt wurden, ist die Frühgeschichte bis heue ungeklärt. Ein Leutpriester ist für 1217 bezeugt; das Gotteshaus selbst wird 1270 erstmals urkundlich genannt. Im 13. Jahrhundert war der romanische Bau eine Eigenkirche der Freien von Wädenswil, welche bis 1287 in der Herrschaft Wädenswil die Hoheitsrechte ausübten. Zu unbekannter Zeit gelangte die Kirche Wädenswil mit ihren Patronats- und Zehntenrechten in den Besitz des Zisterzinserkloster Wettingen, das 1227 von einem Verwandten der Wädenswiler, dem Freiherrn Heinrich von Rapperswil, gestiftet worden war. 1291 verkaufte Wettingen die Rechte an der Kirche Wädenswil dem Johanniterorden, welcher 1287 vom letzten männlichen Vertreter des Zürcher Zweigs der Freien von Wädenswil dessen Grundherrschaft erworben hatte.

Unter den Johannitern

Bis zur 1529 eingeführten Reformation war die Wädenswiler Pfarrstelle nun mit Ordensgeistlichen besetzt. Gemäss dem Hofrodel von 1409, der ältesten erhaltenen Rechtsordnung der Komturei Wädenswil, hatte der Johanniterorden als Patronatsherr den Chor und die Sakristei der Kirche instand zu halten, während die Wädenswiler Kirchgenossen für den Unterhalt von Kirchenschiff und Dach aufkommen mussten. Die Kirche war Maria geweiht; die Kirchweih wurde an Mariae Himmelfahrt, am 15. August gefeiert. Um die Kirche erstreckte sich der von Mauern eingefasste Friedhof. Am Standort des heutigen Pfarrhauses lag das Haus des Leutpriesters, und in der Südecke der Anlage gab es eine Friedhofkapelle mit angebautem Beinhaus, das 1568 letztmals urkundlich erwähnt wird.

Im Züricher Staat

1549 verkaufte der Johanniterorden die Herrschaft Wädenswil – sie umfasste das Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Schönenberg, Hütten Uetikon sowie Spitzen/Hirzel - dem Rat von Zürich, welcher sie als Landvogtei in seinen Stadtstaat eingliederte. Die Kirche Wädenswil wurde damit eine zürcherische Landkirche. War früher der Bischof von Konstanz in geistlichen Belangen für Wädenswil zuständig gewesen, bildeten fortan der Zürcher Rat und der Examinatorenkonvent die obersten kirchlichen Behörden.

Kirchenerweiterung von 1638

Da die Bevölkerung stark angewachsen war, musste die Kirche im Jahre 1638 vergrössert werden. Man riss die westliche Giebelfassade ab und verlängerte das Schiff bergseits. Gleichzeitig baute man vermutlich die Empore ein, die über zwei überdachte Aussentreppen an der Westseite erreicht werden konnte. Nach der Erweiterung von 1638 stellte die Wädenswiler Kirchgemeinde im Grundriss ein einfaches Rechteck von etwa 20.5 Metern Länge und 14 Metern Breite dar, dem sich gegen Osten der 12 Meter breite und 6 Meter tiefe, gerade abgeschlossene Chor angliederte. In der Ostecke, auf der Seite gegen die heutige Eidmatt, erhob sich der Kirchturm, mit vier Zifferblättern, drei Glocken und schindelgedecktem Spitzhelm.



Die alte Kirche von Süden. Zeichnung von Rudolf Diezinger, um 1830.

Neubau statt Renovation

1760 war die mittelalterliche Kirche Wädenswil baufällig, und es drängte sich eine Renovation auf. Der Stillstand – die Kirchenbehörde – fand, eine Renovation lohne sich nicht mehr, und zudem sei die Kirche angesichts der stark gewachsenen Bevölkerung zu klein. 1763 stimmte die Gemeindeversammlung mit grossem Mehr einem Neubau zu. Als Baumeister verpflichtete man Johann Ulrich Grubenmann (1709-1783) in Teufen, der 1761 die Kirche Oberrieden geplant hatte. Grubenmann legte einen Bauplan vor, welcher «der alten Kirche ähnlich, aber beträchtlich länger» war. Verschiedene Wädenswiler waren mit dem Projekt nicht zufrieden und zeichneten zum Teil eigene Entwürfe. Pfarrer Johann Heinrich Hofmeister (1721-1770) vermittelte. Er konnte Grubenmann beeinflussen, dass dieser nach dem «Riss» des einflussreichen Giessenmüllers und Untervogt Hans Caspar Blattmann (1716-1786) baute, da dessen Projekt der Gemeinde am besten gefiel.






Grundriss des Pfarrhofs Wädenswil von 1759, mit alter Kirche.

Bauchronik 1764 bis 1768

1764
Am 14. Mai hebt man die ersten Fundamentgräben aus und bis Ende Juli ist der erste Mauerkranz aufgeführt. Am 1. August wird unter Glockengeläute und in Anwesenheit des Landvogts, des Stillstands und einer grossen Volksmenge der Eckstein gesetzt. Da die neue Kirche bedeutend grösser wird als die alte, kann man grosse Teile des Mauerwerks aufführen, ohne das alte Gotteshaus abbrechen zu müssen. Im Winter 1664/65 beseitigt man als erstes den Glockenturm.
 
1765
Im März bricht man den Dachstuhl des Altbaus ab, und zwischen Ostern und Pfingsten ist in der alten Kirche, wo man bis jetzt noch Gottesdienst gehalten hat, «alles ruiniert». Am 29. Mai beginnt Zimmerpolier Hans Jakob Messmer (1730-1801) von Erlen TG mit seinen Gesellen, unterhalb des Pfarrhauses den Dachstuhl abzubinden. Der Wädenswiler Schlossermeister schiedet das mit dem Gemeindewappen gezierte Portal des Turmeingangs.
 
1766
Im März kalken Peter Anton Moosbrugger (1732-1806) und zwei Gesellen die Kirchendecke, dann beginnen sie mit den Stukkaturarbeiten. Im Herbst setzt der Wädenswiler Glaser Hans Jakob Scheller die Kirchenfenster ein. Im November vergantet man an sechs aufeinanderfolgenden Tagen die Kirchenstühle auf den drei Emporen. Für die 581 Stühle löst man 27 717 Gulden.
 
1767
Die Versteigerung der Weiberbänke im Schiff erbringt im März einen Erlös von 32 899 Gulden. Zimmerpolier Messmer beginnt mit dem Verfertigen der hölzernen Kanzel. Am 18. Juli marmorieren Moosbrugger und ein Geselle den hölzernen Kanzelkorb schwarz und weiss. Tags darauf hält Pfarrer Hofmeister auf der neuen Kanzel die erste Predigt; Pfarrer und Untervogt sitzen erstmals in ihren neuen Stühlen an der Kanzelwand. Am 11. August werden die Stühle links und rechts der Kanzel versteigert, und am 22. August stellt man den aus schwarzen Bündner Marmor verfertigten Taufstein in die Kirche. Mit Festpredigt, Kantate und grossem Volksfest feiert Wädenswil am 23. August, dem Sonntag nach Bernhard, die Einweihung der neuen Kirche. Im November werden die Umgebungsarbeiten abgeschlossen. Am 22. Dezember rechnet der Stillstand mit dem Baumeister ab.
Inneres der 1767 eingeweihten reformierten Kirche mit ursprünglicher Bestuhlung. Blick zur westlichen Schmalseite. Zeichnung von Johann Jakob Hofmann, 1771.

1768
Am 21. Februar nehmen die Kirchgenossen Kenntnis vom guten Ergebnis der Baurechnung. Am 17. April bringen zwei Mitglieder des Stillstandes dem Baumeister Grubenmann die letzte Rate des Honorars nach Teufen. Am 22. August liest der Untervogt Blattmann der in der Kirche versammelten Gemeinde die Baurechnung vor. Weil während des Baus immer wieder zinsloses Geld vorgeschossen worden ist, und weil die Versteigerung der Kirchenörter ein erstaunliches Resultat erbracht hat, schliesst die Abrechnung mit einem Überschuss, was die Kirchgenossen mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen.

Wichtige Veränderungen an Kirche und Umgebung seit 1767

1809
Reparaturen an Dachstuhl, Stukkaturen und undichten Glasfenstern.
 
1819
Seit der Einweihung des neuen Friedhofs unterhalb der Leigass (Areal der heutigen Sportanlagen Eidmatt) wird auf dem ursprünglichen Friedhof bei der Kirche nicht mehr bestattet.
 
1822
Neuer Verputz am Kirchturm. Windfahne, Knopf, Zifferblätter und Zeiger frisch vergoldet.
 
1826
Einweihung der auf der turmseitigen Empore aufstellten ersten Orgel (Schildknecht & Bergmann, Donaueschingen).
 
1831
Turmrenovation. Knöpfe und Fahne durch Goldschmied Brupbacher neu vergoldet.
 
1833
Verkleinerung der Kirchenliegenschaft durch den Verkauf des vor der südöstlichen Kirchhofmauer gelegenen Pfrundlandes an die Schulgenossenschaft Dorf zum Bau eines neuen Schulhauses (heute Eidmatt I).
 
1837
Abbruch der Pfarrscheune unterhalb des Pfarrhauses.
 
1842
Neues fünfstimmiges Geläute aus der Giesserei von Jakob Keller in Unterstrass bei Zürich.
Glockenaufzug, Dezember 1842. Bleistiftzeichnung von Albert Herdener.

 

1844
Maler Fleckenstein streicht die Zeittafeln neu.
 
1861
Die Kirchgemeindeversammlung beschliesst die Anschaffung einer neuen Kirchenuhr und eines Zeigerwerks mit Minutenzeiger, das Ausbessern der Stukkaturen und den Erwerb von farbigen Kirchenfenstern für die Kanzelfront.
 
1862
Glasmaler Johann Jakob Röttinger (1817-1877) in Zürich liefert die Farbfenster; die Uhrmacher Gebrüder Ungerer in Strassburg bauen die neue Kirchenuhr ein.
 
1862-1866
Aussen- und Innenrenovation im Hinblick auf die Hundertjahrfeier von 1867: Innenwände und Decke werden bläulich, die Stukkaturen gelblich angestrichen. Aufhebung des Friedhofs bei der Kirche. Neugestaltung der Umgebung.
Zweite Orgel, 1867 bis 1919.
 
Dritte Orgel, 1920 bis 1950.
1928
Einbau einer neuen Pulsions-Luftheizung durch die Firma Gebrüder Sulzer in Winterthur.
 
1935
Renovation der Turmbedachung. Turmknopf und Hahn neu vergoldet.
 
1936
Die Kirchgemeindeversammlung verwirft das Kreditbegehren für eine Innenrenovation mit Erneuerung der Bestuhlung. Die geplanten Arbeiten hätten den Innengrundriss und damit den Gesamteindruckverändert.
 
1945/46
Renovation der Zeiter und Zifferblätter, Ersatz der vergoldeten Kugeln auf den Wimpergen.
 
1948
Konservierungsarbeiten im Kirchendachstuhl, Ersatz stark wurmgeschädigter Balken.
 
1950
In der Urnenabstimmung vom 3. September wird eine Innenrenovation mit 1519 Ja gegen 367 Nein gutgeheissen, die Umgestaltung der Orgelempore und der Kauf einer neuen Orgel mit 989 Ja gegen 871 Nein.
Das Kircheninnere vor der Renovation von 1950/51.

1950/51
Innenrenovation (Architekt Albert Kölla, Wädenswil): Neuer Wandverputz, Erneuerung des Täfers, Restaurierung der Decke, Fussboden in den Gängen mit hartem Sandstein ausgelegt, Holzboden unter den Bänken erneuert, neue Bestuhlung unter Wahrung des alten Grundrisses, indirekte Beleuchtung in den Fensterleibungen der Okuli, Verbesserung der Warmluftheizung, Fensterbankheizungen. Wiederöffnen der 1919/20 verdeckten vier Fenster auf der Orgelempore. Einbau einer neuen Orgel und Anordnung von 58 Sitzplätzen auf der Orgelempore.

1952
Einweihung der vierten Orgel (Firma P. Goll, Luzern). Nordwestliches Kirchendach mit Schindelunterzug versehen.
Kircheninneres nach der Renovation 1950/51, mit 1952 eingeweihter vierter Orgel.

1954
Anschaffung einer neuen elektrischen Läutanlage.
 
1957
Automatisierung des Turmuhr- und Schlagwerkaufzugs durch die Maeder AG in Andelfingen.

1962
Das Kirchendach wird auch auf der Nord- und Ostseite mit Schindelunterzug versehen. Umstellung der Kirchenheizung von Kohle- auf Ölfeuerung. Umgestaltung der Kirchenumgebung und Anpassung an den Bau der Turnhalle Eidmatt II. Archäologische Untersuchungen ausserhalb der Kirche durch die kantonale Denkmalpflege.
 
1964
Renovation des Stucks in den Überdachungen der Kircheneingänge. Die Kirchenpflege hebt die Sitzordnung mit Geschlechtertrennung auf.
 
1975
Zur Steuerung der Turmuhr wird im Kirchturm eine elektronische Quarzuhr eingebaut.
 
1977
Ein Stukkaturteil löst sich von der Kirchendecke und stürzt in der Nähe des Taufsteins in den Kirchenraum hinunter. Die Kirchenpflege holt Expertisen ein über den Zustand der Decke und des Dachstuhls.
 
1981
In der Urnenabstimmung vom 27. September wird der Kredit von 2 700 00 für die Aussenrenovierung der Kirche mit 1174 Ja gegen 975 Nein bewilligt, ein Kredit von 2 810 000 Franken für die Innenrestaurierung aber mit 1259 Nein gegen 882 Ja verweigert.
 
1983/84
Aussenrestaurierung (Architekt Peter Germann, Zürich): Wiederherstellung der ursprünglichen Fassadenstruktur, neuer Putz mit farbiger Fassung, Erneuerung der Fenster, neue Jalousien in der Glockenstube, Zifferblätter, Zeiger der Turmuhr, Turmhahn, Turmkugel und Kugeln auf Kirchendach und Wimpergen überholt.

1998/99
Innenrenovation (Architekt Peter Fässler, Zürich): Restaurierung der Stuckdecken sowie des Wand- und Kanzelstucks. Abbruch der Orgel von 1952, Umbau der Orgelempore, Einbau neuer Leuchten und einer neuen Lautsprecheranlage, demontierbare Bänke im Kanzelbereich, Einbau von Schränken unter den Emporentreppen, neue demontierbare Bühne.
 




Peter Ziegler