Wertvoll, vielseitig und erfolgreich

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2018 von Anja Kutter-Müller

Das Gewerbe im Berg schreibt einige Erfolgsgeschichten

Wussten Sie, dass in Schönenberg die wahrscheinlich besten Tirggel unseres Landes produziert werden? Sie sind von so guter Qualität, dass das exklusive Einkaufscenter Globus dieses feine Produkt aus Schönenberg in sein Gourmet-Sortiment aufgenommen hat. Und wussten Sie, dass ein Auszubildender der Hüttner Firma Gebr. Horath Baukeramik im Jahr 2016 zu einem der besten Plattenleger der Schweiz gekürt wurde? An den WorldSkills in Abu Dhabi erhielt er die begehrte «Medaillon for Excellence».
Dies sind nur zwei Beispiele für erfolgreiche Gewerbebetriebe in den Berggemeinden Schönenberg und Hütten – und dafür, wie lange eine solche Erfolgsgeschichte anzudauern vermag. Die traditionsreiche Biscuits-Suter AG zum Beispiel wurde bereits vor knapp 180 Jahren vom Wädenswiler Johann Jakob Suter gegründet. Zusammen mit seiner Familie nahm er an der Seestrasse in Wädenswil seine erste Tirggel-Bäckerei in Betrieb. In liebevoller Handarbeit wurden hier mit zeitgemäss geschnitzten Holzmodeln ausschliesslich Tirggel hergestellt. 1958 entschied sein Nachfahre – er hiess Willi Suter – mit dem Unternehmen nach Schönenberg zu ziehen. Bis 1972 blieb die Firma in Familienbesitz. Dann verkaufte der Inhaber sein Unternehmen mangels Nachfolge an Peter Seibold, der die Tirggel-Fabrik unter dem altbekannten Namen weiterführte. Nach seinem Tod im Jahr 2007 übernahm Carlo Magnano das Geschäft der Biscuits-Suter AG – er führt es bis heute.

Knackige Tirggel, kreative Gartenbauer

Erfolgreich erhalten hat sich nicht nur die Firma selbst. Auch die einzigartige Rezeptur des beliebten Suter-Honiggebäcks wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Auf die Weihnachtszeit hin werden am Tirggelweg 1 in Schönenberg jeweils rund 70 Tonnen Tirggel gebacken. Dank neuster Technologie können die Schönenberger Tirggel-Experten dem Kunden dabei fast jeden Wunsch erfüllen. Ein Foto genügt, und schon entsteht ein individuelles Tirggel-Design.
Für Carlo Magnano ist der Suter-Tirggel nicht nur ein Advents- oder Vorweihnachtsgebäck, sondern ein ganzjähriges Traditionsprodukt. Zusätzlich zu den Original Suter-Tirggeln hat er kürzlich die neue Tirggel-Marke «Biscrack» geschaffen, eine Kombination von Biscuit und Cracker. Biscuits-Suters Tirggel sind heute unter anderem bei Coop, Volg, Globus, Jelmoli sowie in lokalen Bäckereien und Reformhäusern erhältlich. Die Erfolgsgeschichte wird sicherlich noch lange weiter andauern.
Auch heute entstehen neue Unternehmen mit Sitz in den Berggemeinden. Darunter sind solche, die durch steile Erfolgskurven auffallen. Etwa die «grün hoch zwei ag». Die noch junge Gartenbau-Firma aus Schönenberg hat sich in den letzten Jahren mit hochwertigen und innovativen Arbeiten überregional einen Namen gemacht. Der Erfolg zeigt sich auch im Wachstum: Aus dem Dreimann-Betrieb im Jahr 2009 ist innert zehn Jahren eine Firma mit vierzig Mitarbeitenden geworden. Damit ist der Gartenbauer an der Gottlieb Bachmann-Strasse vermutlich der grösste private Arbeitgeber im Dorf. 2018 hat die «grün hoch zwei ag» zusammen mit ihren Partnern den begehrten Giardina Bronze Award in der Kategorie Sonderschau Garten gewonnen. Der Award ist die wichtigste Auszeichnung der «grünen Branche» in der Schweiz.

Goethe kehrte in Hütten ein

Die Berggemeinden verfügen auch über eine stattliche Anzahl an Gasthöfen – neben einigen Besenbeizen die Restaurants Rössli und Schützenmatt in Schönenberg und die Restaurants Schöntal und Krone in Hütten. Der Gasthof Krone zählt gar zu den ältesten und bekanntesten Betrieben in den Berggemeinden. Ruhm brachte ihm ein, dass hier an einem Septembertag im Jahre 1797 Johann Wolfgang Goethe auf seiner dritten Schweizerreise zum Mittagessen einkehrte.
Zu den Kurgästen der «Krone» gehörte 1826 eine weitere bekannte Persönlichkeit: Der Zürcher Schriftsteller und Zeichner David Hess (1770–1843). Besonders berühmt war die «Krone» dank ihrer anmutigen Zimmer und guten Betten, später wegen ihre Badeeinrichtung und wegen der «komfortablen» Verkehrsverbindungen.
1899 machte der Kronenwirt seine Gäste darauf aufmerksam, dass täglich zweimal die Postkutsche von und nach Wädenswil beziehungsweise Schindellegi verkehre. Er pries in Inseraten «gewissenhafte Verpflegung», elektrisches Licht in allen Zimmern, Post und Telefon im Haus und einen bescheidenen Pensionspreis an.
Nach 1900 wurde die «Krone» mehr und mehr zum Gasthaus für die Dorfbevölkerung und für Sonntagsausflügler. Im Kronensaal fanden – bis zur Einweihung des Hüttner Gemeindesaals im Jahre 1968 – die Kränzchen der Dorfvereine statt. Heute gehört die «Krone» dem Wädenswiler Paul Rota und ist weiterherum bekannt für ihre gute Küche und für die einzigartige Dekoration zur Weihnachtszeit.
Der Gasthof Krone in Hütten zählt zu den ältesten der Region.

Gewerbe belebt das Dorf

Ein lebendiges Dorf braucht Gewerbebetriebe. Sie generieren nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Steuern. Die Politik war sich dessen immer bewusst. Der letzte Schönenberger Gemeindepräsident Willi Schilling sagt: «Nur dank unserem Gewerbe stehen wir bis zum Zusammenschluss mit Wädenswil Anfang 2019 finanziell nicht schlecht da.» Deshalb habe man in der Gemeinde auch immer versucht, bei Vergaben möglichst einheimische Betriebe zu berücksichtigen. Dass es immer wieder Diskussionen darüber gab, wer mit wem verhängt sei, verschweigt Schilling nicht. «Der Vorwurf von Vetternwirtschaft steht schnell im Raum.» Das habe den Gemeinderat aber nie davon abgehalten, das Gewerbe wohlwollend zu behandeln. Schilling hofft nun unter anderem, dass der Dorfladen Volg und das Restaurant Rössli noch lange existieren: «Es wäre ein grosser Verlust, wenn diese beiden Betriebe verschwinden würden. Denn beides sind Orte, an dem man die Leute aus dem Dorf trifft, miteinander schwatzt.»
Hüttens Gemeinderat Walter Tessarolo weist auf ein weiteres Problem hin, mit dem ländliche Gemeinden generell kämpfen: «Die heute noch verfügbaren Flächen können baulich nicht genutzt werden, weil der Kanton Zürich unter der Prämisse der Siedlungsgebietsausscheidung jedes Projekt torpediert, um das voralpine Landschaftsbild zu schützen.» Diese «kantonale Bauverhinderungstaktik» sei auch einer der Hauptgründe für die missliche finanzielle Lage der Gemeinde, sagt Tessarolo. Er ist sich sicher, dass die Frage, wieviel Entwicklung einem Dorf wie Hütten noch zugestanden wird, noch Anlass geben werde zu heftigen Diskussionen zwischen Kanton und Gemeinden. Wie sich dies nach der Fusion mit der Stadt Wädenswil auswirken könnte, steht für ihn noch in den Sternen.

Landwirtschaft bleibt wichtig

Ursprünglich dominierte in Schönenberg und Hütten wenig überraschend die Landwirtschaft. Durch das voralpine Klima mit verhältnismässig viel Regen wurde seit jeher der Grasbau, die Weidewirtschaft und die Viehzucht begünstigt. Seit dem Spätmittelalter betrieben die Bewohner hier auch etwas Ackerbau – meist zur Selbstversorgung. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts nahm die Viehzucht dann grossen Aufschwung. Doch die Berggemeinden haben auch eine lange gewerbliche Tradition. Schon im 17. Jahrhundert gab es hier neben Bauern vereinzelte Handwerker.
In Hütten zum Beispiel einen Schmied und einen Schuhmacher. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird dann neben verschiedenen Handwerkern sogar ein Chirurg erwähnt. Wie in Schönenberg beschäftigte sich zu dieser Zeit aber auch hier ein grosser Teil der Bevölkerung mit dem Baumwollspinnen. 16 Webstühle standen damals in Hütten. Die Heimindustrie bescherte den Menschen einen willkommenen Nebenverdienst zur Landwirtschaft.
Heute zählt Hütten laut dem statistischen Amt des Kantons Zürich rund 80 Arbeitsstätten. Zirka 240 Männer und Frauen gehen hier ihrem Beruf nach. In Schönenberg sind es rund 160 Arbeitsstätten und rund 570 Beschäftigte. Die Landwirtschaft ist für die beiden Gemeinden als Branche weiterhin von grosser Bedeutung. Zusammen zählen die beiden Berggemeinden 75 Landwirtschaftsbetriebe und über 1200 Kühe.

Hüttner Viehschau 2006: Viehzucht prägt die Berggemeinden.




Anja Kutter-Müller