Aus der Geschichte des «Rosenhofs»

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2001 von Peter Ziegler

Das erste Schulhaus

Am Platz des Hauses Rosenhof, das sich seit dem Innenumbau und der Aussenrestaurierung von 2000/2001 wieder in früherer Pracht zeigt, stand Wädenswils erstes Schulhaus. Es lag zwischen der Landstrasse (später Eidmattstrasse) und dem noch offenen Töbelibach und grenzte bergseits an die Pfarrhausliegenschaft. Da bis 1830 die Zürcher Kirche auch für den gesamten Schulunterricht zuständig war, überrascht die Lage im alten Wädenswiler Kirchenbezirk nicht.
Wann das erste Schulhaus gebaut wurde, ist nicht genau zu ermitteln. Die früheste Erwähnung eines in Wädenswil wirkenden Schulmeisters − er hiess Pfister − findet sich in der Landvogteirechnung des Jahres 1596.1 Um 1640 ist Schulmeister Sprüngli bezeugt, 1644 Schulmeister Treichler, 1647 Schulmeister Ziegler, 1659 Hans Baumann.2 1668 wird erstmals ein Vertreter der Familie Eschmann genannt. Diese stellte, im Wechsel mit den Hofmann, während vielen Jahrzehnten den Wädenswiler Schulmeister.
Seit wann die Schulmeister nicht mehr in ihrer eigenen Wohnstube, sondern in einem eigens für den Unterricht gebauten Schulhaus lehrten, ist nicht auszumachen. Die erste Erwähnung eines Wädenswiler Schulhauses fällt ins Jahr 1655.3 Damals musste Schmied Keller verschiedene Reparaturen ausführen. 1661 fand auch der Baumeister Heinrich Wyder Arbeit im Schulhaus. Zur selben Zeit gliederte man dem Schulgebäude einen Holzschopf an.
Vom ersten Schulhaus haben sich zwei Ansichten erhalten. Sie zeigen den Bau von Südosten, also vom heutigen Rosenmattpark her. Auf der einen Darstellung, der Zeichnung von Gottlob Werner, präsentiert sich das Haus als schlichter Holzbau.4 Hinter den beiden Fensterreihen in der Giebelfront liegen die zwei Schulstuben. Auf der seeseitigen Längsfassade kragt das Obergeschoss vor. Unter einer Laube liegt der erhöhte Eingang. Am Fuss der Treppe führt eine Türe in den Keller, welcher dem Schulmeister gemäss Besoldungsvertrag zur Nutzung zustand. Auf der Nordwestseite ist der Holzschopf angebaut. Dahinter schöpft der Schulmeister Wasser aus dem Töbelibach in eine Tanse. Auf der linken Bildseite öffnet sich der Blick auf die hintere Pfarrwiese. So die Bezeichnung auf dem Plan der Pfrundliegenschaft von 1757.5 Eine zweite, anonyme Darstellung muss um 1770 entstanden sein.6 Sie zeigt das Schulhaus in seiner Umgebung: mit Pfarrhaus und reformierter Kirche im Hintergrund links und dem Gewerbehaus Schönenbergstrasse 3 ganz rechts. Dazwischen erhebt sich das Riegelhaus des Metzgers Schärer. Die untere Haushälfte gehörte damals dem Glaser Scheller, welcher auf dieser Skizze das Projekt für einen Erweiterungsbau gegen Norden einzeichnete.7 Das Haus wurde 1870 abgebrochen.

Das neue Schulhaus von 1819/20 - Kern des «Rosenhofs»

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erwies sich das Wädenswiler Schulhaus als zu klein. 1815 erteilte daher der Erziehungsrat der Dorfschulpflege den Auftrag, ein neues Schulhaus zu bauen, das den Bedürfnissen der Zeit und den Wünschen der Eltern angemessen sei.8 In der Folge wurden Projekte ausgearbeitet, die jedoch noch nicht spruchreif waren. Die Gemeindeversammlung, welche über den Neubau hätte beschliessen sollen, endete mit Tumult. Dann drängten die Hunger- und Teuerungsjahre 1816/17 das Bauvorhaben in den Hintergrund. Erst ab 1819 befasste man sich wieder mit der Frage des Schulhausneubaus.
Die handschriftliche Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, das Tagebuch des Geometers Rudolf Diezinger und die Protokolle des Gemeinderats Wädenswil ermöglichen es, den Bauvorgang zu rekonstruieren.
Am Sonntag, 31. Januar 1819 hielten die Dorfschulgenossen im Armenhaus am Plätzli eine von Gemeindeammann Blattmann geleitete Gemeindeversammlung ab.9 Diese wählte eine Schulhaus-Baukommission, der vier Mitglieder angehörten: Heinrich Zollinger ob dem Schloss, Hauptmann Blattmann zur Hoffnung, Hauptmann Blattmann auf dem Bühl und Geschworener Rudolf Brupbacher. Am 6. Februar erhielt der einheimische Geometer Rudolf Diezinger (1770–1847) den Auftrag, Pläne für ein neues Schulhaus zu zeichnen. Bereits am folgenden Tag hatte er seine Arbeit beendet.10 Bei einer Besichtigung des Bauplatzes am 20. Februar wurden die Pläne beraten und Änderungswünsche angebracht.11 Da auch der einheimische Steinmetz Konrad Rheiner Baupläne entworfen hatte, lagen der Baukommission in der Sitzung vom 10. März 1819 zwei «Risse» vor: eine Variante 1 für ein zweistöckiges Gebäude mit Giebeldach über einem Grundriss von 52x44 Schuh (15,6x13,2 m) und eine Variante 2 für ein Schulhaus zu drei Etagen unter Walmdach, mit einem Grundriss von 48x38 Schuh (14,4x11,4 m).12 Am 1. April 1819 entschied sich die Baukommission für das dreistöckige Gebäude und begründete die Wahl mit mehr Platz bei geringeren Baukosten, bequemerer Einteilung und schönerer Bauart.13 Am 4. April folgte die Schulgemeinde dem Antrag der Kommission. Der eine Lehrer sollte auf dem untersten Boden seine Wohnung und zwei Schulstuben erhalten, der andere Lehrer Wohnung und zwei Schulzimmer in der zweiten Etage. Im dritten Stock, dem Dachgeschoss, waren Kammern für beide Lehrer vorgesehen.14
Am 24. Mai 1819 wurde das alte Schulhaus abgebrochen, und sofort begann man in Fronarbeit die Fundamente für den Neubau auszuheben. Dadurch liessen sich die Baukosten senken. Zur Finanzierung der Baute erhob man eine Vermögenssteuer von 2 %, ausserdem mussten pro Haushaltung fünf Gulden entrichtet werden.15
Ende Oktober 1820 konnte das Schulhaus bezogen werden.16 Gleichzeitig trat eine neue Schulordnung in Kraft, welche die Organisation der Schule, die Lehrziele der einzelnen Klassen und die Besoldung der Lehrer regelte.
Dorfschulhaus und Kirche um 1770. Im Hintergrund rechts das heutige Gewerbehaus Schönenbergstrasse 3. Zeichner unbekannt.

Das 1819 abgebrochene Dorfschulhaus von Osten. Aquarell von Gottlob Werner.

Der «Rosenhof» als Gewerbehaus

Bereits Ende der 1820er Jahre beklagte man sich über Raummangel im vor kaum einem Jahrzehnt bezogenen neuen Schulhaus. 1834 beschlossen daher die schulfreundlich gesinnten Wädenswiler den Bau des heutigen Eidmattschulhauses I mit sechs geräumigen Klassenzimmern, welches im November 1835 eingeweiht wurde.17 Es entstand auf der ehemaligen Pfarrwiese, welche der Staat der Dorfschulgemeinde veräussert hatte.
Nun benötigte man das alte Schulhaus unterhalb des Pfarrhauses nicht mehr. Am 1. Februar 1836 wurde es auf offener Gant an die junge Seidenfirma Blattmann, Kunz & Co. verkauft, welche das Haus zum Teil für ihre Zwecke umgestalten liess.18
Nach nur sechsjährigem Bestehen löste sich die Firma im Herbst 1839 auf. Zwei bisherige Teilhaber, Jakob Blattmann und Kaspar Rüegg, gründeten auf den 1. Oktober 1839 mit Heinrich Theiler zum Freihof in Wädenswil und Johannes Steiner von Winterthur die neue Firma «Theiler, Blattmann & Co.». Das Unternehmen scheint aber nie recht floriert zu haben. Als Jakob Blattmann im März 1840 starb, wurde die Firma aufgelöst. Rüegg trat aus; die beiden andern Seidenfabrikanten schlossen sich im Juni 1840 zur Seidenfirma «Steiner & Theiler» zusammen und übernahmen als Fabrikationsgebäude wieder das ehemalige Schulhaus, «ein grosses Gewerbehaus mit Schopf und einem Gärtchen, unterhalb der Kirche im Dorf Wädensweil liegend». Nach dem Tode von Heinrich Theiler im Februar 1841 kam sie in Liquidation, und Johannes Steiner musste sich nach einem neuen Associé umsehen. Er fand ihn im unternehmungsfreudigen August Gessner (1815−1896) von Zürich, mit dem er sich auf den 1. August 1841 zur Firma «Steiner, Gessner & Co.» vereinigte. Um 1846 beschäftigten die Fabrikanten im Gewerbehaus, dem nachmaligen «Rosenhof», rund 20 Arbeitnehmer. Dazu kamen gegen 50 Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter in den Seedörfern und auf den bergwärts gelegenen Bauernhöfen bis hinüber nach Aegeri und Menzingen.19

Im Besitz von August Gessner

Am 15. August 1849 übernahm August Gessner das Seidengeschäft auf eigene Rechnung. Der Unternehmer sah voraus, dass das ehemalige Dorfschulhaus für den Betrieb einer Seidenwinderei und -weberei zu knapp werden könnte. Er nahm daher jede Gelegenheit wahr, benachbarte Liegenschaften aufzukaufen, damit er in eigenen Häusern frei disponieren konnte.
Im Herbst 1850 erwarb er von der Finanzdirektion des Kantons Zürich ein Stück der unterhalb des Wädenswiler Pfarrhauses gelegenen Pfrundwiese als Bauplatz für das 1855 erstellte Ökonomiegebäude mit Stall, Remise, Waschhaus und Schopf.20 Ein Jahr später weitete er seinen Besitz nach Westen aus, indem er 1851 den oberen und 1853 den unteren Teil der ehemaligen Liegenschaft von Metzger Schärer am Töbelibach kaufte.21 Dieses Gebäude wird 1855 als Wohnhaus, 1864 aber als Gewerbehaus bezeichnet. In den 1860er Jahren hat Gessner offenbar einen Teil seines Betriebs aus dem «Rosenhof» ins Nachbarhaus verlegt. Der alte Bau schien aber für das Gewerbe wenig geeignet. August Gessner betrachtete diese Lösung auch nur als Provisorium. Nachdem ihm die Erben des Büchsenschmieds Rudolf Hotz den an die Blaufärberei Marthaler grenzenden Hausteil verkauft hatten, verlegte der Seidenfabrikant den im baufälligen Nachbarhaus untergebrachten Zweig seines Betriebs in dieses neue Gewerbehaus und liess den Altbau 1870 abbrechen.22 Die beiden Gewerbehäuser − der «Rosenhof» und die heutige Liegenschaft Schönenbergstrasse 3 − bildeten vor dem Übergang zur mechanischen Seidenweberei in der neuen Fabrik an der Stegstrasse in den frühen 1880er Jahren die Zentren des Gessnerschen Seidengeschäfts.

Seidenfabrikant August Gessner-Theiler.

Umbau des «Rosenhofs»

Zwischen 1850 und 1855 liess August Gessner das Wohn- und Gewerbehaus, das 1849 in seinen alleinigen Besitz übergegangen war23, verbreitern und erhöhen und damit standesgemäss ausbauen. Das Dachgeschoss des ehemaligen Schulhauses wurde abgebrochen. An seiner Stelle entstand ein Wohngeschoss unter neuem, leicht geknicktem Walmdach mit Zinne. Erschlossen wurde es durch einen Treppenhausanbau auf der Südwestseite des Gebäudes. Durch den Umbau erhielt der «Rosenhof» wieder eine symmetrische Gesamtform sowie eine durch Portal- und Fensterrahmungen akzentuierte Mittelachse. Das neue dritte Obergeschoss war mit Deckenstuckkaturen, Täferungen, Parkettböden und gegossenen Gittern reich ausgestattet. Als Architekt24 des Umbaus von 1850 bis 1855 könnten Leonhard Zeugheer (1812–1866) und Johann Jakob Breitinger (1814–1880) in Frage kommen, welche auch August Gessners Sommersitz «Bürgli» in Wädenswil errichteten. Zu denken wäre auch an Wilhelm Waser (1811–1866), der in Horgen verschiedene Fabrikantenhäuser erstellte.
Über den Umbau gibt es weder Pläne noch Nachrichten. Der Brandkataster weist aber stark angestiegene Versicherungswerte aus. 1850 war das Gewerbehaus von August Gessner mit 12 900 Franken versichert, 1855 indessen mit 65 000 Franken. 1862 wird ein Wert von 85 000 Franken und 1863 ein solcher von 90 000 Franken ausgewiesen, je mit dem Vermerk «Bauten».25 Die erste Summe bezieht sich auf die Aufstockung und den Treppenhausanbau, die zweite möglicherweise auf den luxuriösen Innenausbau von August Gessners Wohnung im neuen dritten Obergeschoss. Zeitungen aus den Jahren 1862, die bei der jüngsten Renovation im Dachbereich gefunden wurden, lassen die letzte Erhöhung der Assekuranzsumme mit Dachausbauten in Zusammenhang bringen. Die seitlichen Zinnenanbauten dürften ebenfalls auf die Zeit zwischen 1850 und 1870 zurückgehen. Für die Brandversicherung werden sie 1894 erstmals aktenkundig.26 Damals diente der südliche Anbau als Büro.
Die um 1875 entstandene Aufnahme zeigt von links nach rechts Häuser am Schulweg (heute Gessnerweg), Schulhaus Eidmatt I, Turnschopf, reformierte Kirche, Pfarrhaus, Rosenhof, Haus Sonne, Gewerbehaus und im Vordergrund eine Parkanlage.

Haus Rosenhof von Norden, um 1875.

Ökonomiegebäude

Auf der Südwestseite des «Rosenhofs» liess August Gessner im Jahre 1855 ein Ökonomiegebäude erstellen: zwei kleine, zweigeschossige Giebelbauten, die durch einen senkrecht dazu stehenden, etwas niedrigeren Zwischenbau miteinander verbunden sind. Im Gegensatz zum dominanten «Rosenhof» lebte dieser Nebenbau mit Waschhaus, Stallung, Remise und Holzschopf von der Feingliedrigkeit und Differenziertheit, aber auch von der klaren Symmetrie. Das Erdgeschoss aus Backstein war verputzt, das Obergeschoss in Riegelwerk ausgeführt, und entlang der Dachkante gab es Verzierungen im «Laubsägeli»-Stil. Seit 1870 vermerken die Lagerbücher der Brandassekuranz einen Zinnenanbau, 1897 wird ein Zimmer erwähnt und 1921 erstmals ein bisher nicht versicherter gewölbter Keller.
 

Verschiedene Handänderungen

Am 9. August 1896 starb August Gessner-Theiler. Er hinterliess die Witwe Bertha Gessner-Theiler und vier Kinder.27 Bei der Erbausscheidung erhielt der Sohn Emil Gessner das Haus Rosenmatt am Kirchenweg, das er abbrechen und 1898/99 durch die Villa Rosenmatt, das heutige Kirchgemeindehaus, ersetzen liess. Die Tochter Sophie Gessner erbte das Bürgli, Emilie Gessner den «Rosenhof», der anlässlich der Handänderung erstmals unter diesem Namen aktenkundig wird. Mit der jüngsten Tochter, Lina Engelschall-Gessner in Hamburg, wurde eine besondere Vereinbarung getroffen.
Durch letztwillige Verfügung vermachte Emilie Gessner die Liegenschaft Rosenhof im Jahre 1936 der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Wädenswil in der Meinung, sie könne zu einem Kirchgemeindehaus umgebaut werden. Es zeigte sich aber bald, dass sich die Villa Rosenmatt für diesen Zweck besser eignete.
Die Erben des Ernst Gessner schenkten deshalb im Jahre 1938 den Rosenmattpark der Gemeinde, unter der Bedingung, dass das Haus Rosenmatt von der Gemeinde erworben werde und der «Rosenhof» von der Familie Gessner zurückgekauft werden könne. Die Gemeindeversammlungen der Politischen Gemeinde und der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde stimmten diesen Vorlagen zu. So kam die Villa Rosenmatt ins Eigentum einer Stiftung und wurde 1940 zum Kirchgemeindehaus umgestaltet, und der «Rosenhof» gehörte ab 14. Dezember 1938 Lina Engelschall-Gessner.28
Die langjährigen guten Beziehungen zu Wädenswil − eine Ferienwohnung im obersten Stock des «Rosenhofs» war stets für die Familien Gessner reserviert − bewog die älter werdenden Erben, den «Rosenhof» im Jahre 1975 der Stadt Wädenswil zum Kauf anzubieten.

Alterswohnheim oder Gemeindesaal?

In der Sitzung vom 30. Juni 1975 bewilligte das Wädenswiler Gemeindeparlament auf Antrag der Liegenschaftenabteilung einen Kredit von 907 930 Franken für den Kauf der Liegenschaft Rosenhof von den Erben der Lina Engelschall-Gessner. Der Stadtrat hielt in der Weisung ausdrücklich fest, der Kaufpreis sei annehmbar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gebäude innen und aussen einen Renovations- und Unterhalts-Nachholbedarf aufweise, was die Stadt als neue Eigentümerin noch einiges kosten werde.29
In den folgenden Jahren wurden verschiedene Nutzungen und Neuverwendungen der Liegenschaft geprüft. Im Dezember 1979 fragte der Vorstand des Asylvereins Wädenswil den Stadtrat an, ob er unter Umständen den «Rosenhof» im «möglichst unentgeltlichen Baurecht» für den Bau eines Altersheims überlassen werde. Im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 25. August 1982 gab der Stadtrat öffentlich seine Absicht bekannt, den «Rosenhof» abzubrechen und dort ein neues Alterswohnheim zu bauen. Und mit Brief vom 1. November 1982 stellte der Stadtrat dem Asylverein grundsätzlich in Aussicht, «dass die Liegenschaft Rosenhof für die Planung und Realisierung eines privaten Altersheims zur Verfügung gestellt wird».
1986 trat die Frage eines Wädenswiler Gemeindesaals in ein neues Stadium. Am 3. März dieses Jahres wies der Gemeinderat eine Vorlage des Stadtrates betreffend Beitragsleistungen zum Umbau des Hotels Engel mit einem Auftrag zurück, die Exekutive solle den Neubau eines Gemeindesaals studieren. Bei der Evaluation verschiedener Standorte erwies sich das Areal Rosenhof als besonders zentral und geeignet. Der Asylverein trat von seinem ursprünglichen Vorhaben, hier Alterswohnungen zu erstellen, zurück. Mit Beschluss vom 30. November 1987 bewilligte der Gemeinderat einen Kredit von 140 000 Franken für die Durchführung eines Architekturwettbewerbs zum Bau eines Gemeindesaals am Standort «Rosenhof».30 Im Sommer 1988 wurde dieser öffentliche Wettbewerb ausgeschrieben, und im Januar 1990 bewilligte der Gemeinderat mit wenigen Gegenstimmen einen Kredit von 785 000 Franken für die Ausarbeitung eines allgemeinen Bauprojektes mit Kostenvoranschlag und eines Betriebskonzeptes für den «Gemeindesaal Rosenhof» mit grossem Saal, Foyer, Bühne, Restaurant, öffentlicher Bibliothek und diversen Nebenräumen. Gleichzeitig wurde entschieden, diesen Beschluss gemäss Art. 6.1a der Gemeindeordnung der Urnenabstimmung zu unterbreiten.31
Haus Rosenhof von Westen, 1985.

Haus Rosenhof von Süden, 1988.

Opposition gegen den Abbruch des «Rosenhofs»

Im Herbst 1989 formierte sich Opposition gegen den Abbruch des «Rosenhofs» und den Bau eines Gemeindesaals unterhalb der reformierten Kirche. Mit Schreiben vom 20. November 1989 ersuchte die «Gruppe Kongresszentrum niemals − Gemeindesaal nicht am Standort Rosenhof» die Kantonale Denkmalpflege-Kommission um Stellungnahme zur Erhaltungswürdigkeit der Liegenschaft Rosenhof. Das Gutachten kam zum Schluss, der «Rosenhof» im Perimeter des geschützten Ortsbildes von Wädenswil sei ein regionales Schutzobjekt von kultur-, wirtschafts- und architekturgeschichtlicher sowie ortsbaulicher Bedeutung und dürfe deshalb – entgegen der Zustimmung der lokalen Natur- und Heimatschutzkommission − nicht abgebrochen werden.32
In der Urnenabstimmung vom 10. Juni 1990 lehnten die Stimmberechtigten den Projektierungskredit von 785 000 Franken für einen Gemeindesaal auf dem Areal Rosenhof mit 3241 Nein gegen 1765 Ja deutlich ab. Die Gegner hatten sich im Abstimmungskampf vor allem gegen den Standort bei der reformierten Kirche und gegen den Abbruch des «Rosenhofs» gewandt und die ungelöste Verkehrserschliessung kritisiert.

Abgabe im Baurecht

Nachdem das Gemeindesaalprojekt gescheitert war, stellte die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich die Liegenschaft Rosenhof mit Verfügung vom 19. November 1991 vorsorglich unter Schutz. Die definitive Einstufung als Schutzobjekt von regionaler Bedeutung erfolgte am 12. Oktober 1992.33 Damit musste der Stadtrat Wädenswil nach einem neuen Verwendungszweck für die renovationsbedürftige Altliegenschaft suchen. Gründliche Abklärungen ergaben, dass die Sanierung für die Stadt zu teuer würde, weil sie vom Kanton keine Denkmalpflegebeiträge erhielte. Deshalb beschloss die Behörde, das Grundstück zu behalten und die Gebäude im Baurecht über 70 Jahre an die einheimische «Baugesellschaft Rosenhof» abzugeben. Unter diesem Namen hatten sich drei Wädenswiler Unternehmer zusammengeschlossen: die Architekturwerkstatt Dieter und Dominic Weber, die Brenner Haustechnik AG und Heinz Rusterholz, Werkstatt für Holz und Glas. Für den Verkauf der Räumlichkeiten sagte Heiner Treichler, Geschäftsführer der Tuwag Immobilien AG, seine Unterstützung zu.
Am 4. Oktober 1999 stimmte das Gemeindeparlament der Abtretung der Liegenschaft Rosenhof mit Wohnhaus, Ökonomiegebäude und 1412 m2 Grundfläche im Baurecht zu. Der Preis wurde auf 700 000 Franken festgesetzt.

Sanierung der Historischen Bauten

In enger Zusammenarbeit mit der Kantonalen Denkmalpflege, welche an die rund 5 Millionen teure Sanierung des «Rosenhofs» einen Beitrag von 900 000 Franken leistete, begannen im Juli 2000 die von Mario Widmer geleiteten Bauarbeiten. Der grösste Teil der Aufträge konnte einheimischen Handwerkern vergeben werden. Diese hatten heikle Aufgaben zu lösen, galt es doch auf die alte Bausubstanz grösstmögliche Rücksicht zu nehmen. Zudem kamen weitgehend alte Techniken zum Zug, die bisweilen bei älteren Handwerkern oder Spezialisten erfragt werden mussten.34
Die Fassade erhielt einen Verputz aus Sumpfkalk, den man in Freskotechnik − das heisst Nass in Nass − anbrachte. Beschädigte Sandsteinelemente wurden ausgewechselt; das Dach erhielt eine neue Eindeckung, und auf den Seitenveranden brachte man wieder schmiedeeiserne Geländer an.
Der «Rosenhof» von Südosten, Oktober 2001.

Die Hauptfassade nach der Restaurierung.

Details der restaurierten Stuckdecken in den Räumen des dritten Obergeschosses.

Im Innern wurden sämtliche elektrischen Installationen unter Putz verlegt. Man frischte rund 650 Quadratmeter Original-Parkettböden auf, und auch die alten Heizungsradiatoren fanden wieder Verwendung. In den Räumen registrierten die Handwerker zum Teil bis zu zehn Übermalungen von Decken und Wänden. Besondere Sorgfalt erheischten die Stuckdecken aus der Zeit um 1850/60 im dritten Geschoss. Sie wurden gereinigt und ergänzt und erstrahlen jetzt wieder in ursprünglicher farbiger Frische. Laut Denkmalpflege gehören sie zu den schönsten Stuckdecken dieser Epoche.
Im umgebauten «Rosenhof» stehen nun drei Wohnungen und vier Gewerbe- oder Büroräumlichkeiten zur Verfügung. Sie sind im Stockwerkeigentum verkauft und ab Mitte Juni bezogen worden. Ein moderner Aussenlift in Glasgehäuse in der Westecke des Treppenhausanbaus bedient alle Stockwerke des Gebäudes. Dadurch ergeben sich bessere Erschliessungen, und alles ist rollstuhlgängig.
Nach der Restaurierung zählt der «Rosenhof», der mit seinem lange Zeit verwahrlosten Aussehen Ärgernis verursachte, zu den sehenswertesten Gebäuden im Ortskern. Er ist Zeuge älterer Wädenswiler Wirtschaftsgeschichte und früherer Baukunst, aber ebenso ein Ausweis für heutiges handwerkliches Können. Und er ist Bindeglied zwischen der reformierten Kirche aus den Jahren 1764/67 und der Gerbe von 1813/14.

Restaurierter Wohnraum mit stuckverzierter Decke im dritten Obergeschoss. Sommer 2001.

Kräftige Bogen gliedern die Räume im Erdgeschoss. Aufnahme vom Sommer 2001.
 




Peter Ziegler


Anmerkungen

ALGW = Archiv der Lesegesellschaft Wädenswil
StAW  = Stadtarchiv Wädenswil
StAZ   = Staatsarchiv Zürich


1 StAZ, F III 38, 1596.
2 StAW, Batzengutsrechnung 1659.
3 Peter Ziegler. Die Wädenswiler Dorfschule und ihre Schulmeister vor 1832. «Heimatblätter», März 1960, Beilage zum «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee».
4 Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung.
5 StAZ, Plan R 1137.
6 Privatbesitz. Foto: Langendorf, Wädenswil.
7 StAZ, B XI Wädenswil 7, S. 335.
8 Johann Heinrich Kägi. Geschichte der Herrschaft und Gemeinde Wäenswil, Wädenswil 1867, S. 351. – StAW, IV B 1.5, Gemeinderatsprotokoll 1816 bis 1823, S. 143.
9 StAW, IV B 69.2, Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, S. 250/251.
10 ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 6. und 7. Februar 1819.
11 ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 20. und 22. Februar 1819.
12 ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 10. März 1819. – StAW, IV B 1.5, Gemeinderatsprotokoll 1816–1823, S. 153.
13 StAW, IV B 69.2, Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, S. 253. – ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 1. April 1819.
14 StAW, IV B 1.5, Gemeinderatsprotokoll 1816–1823, S. 159, 161. – ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 4. April 1819.
15 ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 14. Mai 1819.
16 ALGW, Tagebuch Rudolf Diezinger, 29. Oktober 1820. – StAW, IV B 69.2, Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, S. 253 und 273 (Bauabrechnung).
17 Peter Ziegler. Aus der Baugeschichte des alten Wädenswiler Eidmattschulhauses, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 1960, Nr. 160. – Peter Ziegler. Aus der Geschichte des Schulareals Eidmatt, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 27. Mai 1993. – Peter Ziegler. Die Schulhäuser der Primarschule Wädenswil, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 26. Oktober 1995.
18 StAW, IV B 69.2, Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, S. 431. – StAZ, B XI Wädenswil 22, S. 28.
19 Peter Ziegler/Max Mumenthaler. 125 Seidenweberei Gessner, Wädenswil 1966, S. 12–16.
20 StAZ, B XI Wädenswil 303, S. 569.
21 StAZ, B XI Wädenswil 303, S. 513 und B XI Wädenswil 304, S. 39.
22 StAZ, B XI Wädenswil 308, S. 135.
23 StAZ, B XI Wädenswil 303, S. 431.
24 Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich, Verfügung vom 12. Oktober 1992, S. 3.
25 StAW, IV B 59.3, Brandkataster 1826ff, S. 315.
26 StAW, IV B 59.10.
27 StAZ, B XI Wädenswil 326, S. 528.
28 Peter Ziegler. Von der Villa Gessner zum Kirchgemeindehaus Rosenmatt, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 28. März 1989.
29 Weisung Nr. 11, 2. Juni 1975.
30 Weisung Nr. 20, 22. Juni 1987.
31 Weisung Nr. 65, 26. Juni 1989.
32 Denkmalpflegekommission des Kantons Zürich, Gutachten Nr. 29-1989.
33 Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich, Verfügung vom 12. Oktober 1992.
34 Recco Däppeler. Rosenhof setzt neuen Akzent, «Zürichsee-Zeitung», Linkes Ufer, 22. Mai 2001.